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Es ist schon erwähnt worden, daß der Reichskanzler die
Sitzungen anzuberaumen und die erforderten Einladungen zu
erlassen hat. 18) Im einzelnen sind die Rechte des Kanzlers
hin sichtlich seines Vorsitzes in den Bundesratssitzungen auch in
der Geschäftsordnung nur sehr spärlich und verstreut angegeben,
sodaß sie im allgemeinen aus dem Begriffe des Vorsitzes über-
haupt abgeleitet werden müssen. Man wird ihm sonach solche
Befugnisse einräumen müssen, welche entweder für den Reichs-
kanzler besonders normiert oder mit dem Rechte des Vorsitzes
begrifflich verbunden sind. .
1. Wenn § 13 Geschäftsordn. bestimmt, daß der Reichs-
kanzler die Sitzungen des Bundesrates anzuberaumen, d. h.
den Termin derselben zu bestimmen hat, so ist seine Wirksamkeit
in dieser Hinsicht aber noch nicht beendet, sondern er hat ent-
sprechend seiner Stellung als Vorsitzender die einzelnen Sitzungen
auch zu eröffnen, zu vertagen und zu schließen; ) aber er kann
das letztere Recht nicht nach freiem Gutdünken ausüben, sonderm
es muß erst die Tagesordnung erschöpft sein, da jedes Bundes-
ratsmitglied, wann und sooft es will, das Wort ergreifen kann.
2. Aus dem Vorsitzrecht des Reichskanzlers folgt ferner
die Befugnis, die Tagesordnungen für die einzelnen Sitzungen
zu bestimmen und die Beratungsgegenstände zur Diskussion zu
stellen. Hierbei hat er natürlich die Anträge der übrigen Bundes-
ratsmitglieder zu berücksichtigen und, sobald es die Geschäftslage
gestattet, auf die Tagesordnung zu setzen und zur Verhandlung
zu bringen.
3. Weiter hat er als begrifflich mit dem Vorsitze ver-
bunden das Recht, bei den Verhandlungen im Bundesrat das
Wort zu erteilen, die Debatten und Abstimmungen zu leiten
und das Ergebnis der letzteren festzustellen. Wie die Abstim-
mung ausfällt, liegt natürlich nicht in der Gewalt des Reichs-
kanzlers, weshalb er auch für die Tätigkeit des Bundesrats
keine Verantwortung trägt.
18) § 13 Geschäftsordn. f. d. Bundesrat.
19) So war auch auf dem Deutschen Bundestage (Art. 5 Bundes-
verfass.) mit der Geschäftsleitung durch Österreich die „Ansage“ und die
„Absage“ nebst der Eröffnung der Sitzungen und dem einleitenden sog.
Präsidialvortrag verbunden. Vgl. Arndt, Staatsr., S. 89.