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4. Grundsätzlich nehmen die Bundesglieder, auch wenn
ein Beschlußentwurf des Bundesrates sich nur auf einen Teil
des Bundesgebiets oder der Bundesstaaten erstreckt, an der
Beschlußfassung teil; die Kompetenz der Einzelstaaten bezieht
sich auf das ganze Zuständigkeitsgebiet des Bundesrates, da das
Interesse aller Bundesglieder dabei in Frage steht. Ausnahms-
weise jedoch besteht hier eine Sonderstellung bezüglich der süd-
deutschen Staaten, die als natürliche, wenngleich politisch nicht
sehr wichtige Folge ihrer Ausnahmestellung, nämlich der ihnen
zugestandenen Reservatrechte, der Stimmführung entbehren,)
soweit die Ausübung bestimmter Hoheitsrechte seitens des
Reiches diesen Staaten gegenüber ausgeschlossen ist. Die Reichs-
verfassung bestimmt hierüber, daß bei Angelegenheiten, die
nach den Bestimmungen der Verfassung 51) nicht dem ganzen
Reiche gemeinsam sind, nur die Stimmen der beteiligten Staaten
gezählt werden. 22) Aus dem Zusatz „nach den Bestimmungen
dieser Verfassung" ergibt sich, daß die Vorschrift des Art. 7
Abs. 4 keine Anwendung findet bei Gesetzesvorschlägen, für
ruuch keine weitere Bedeutung hat. Vgl. hierüber Laband I. S. 285; Hänel,
Stud. II, S. 40 f.; Schulze, Lehrb. II, S. 67.
90) Gemäß dem Wortlaute der Verfassung ist den hier ausgeschlossenen
Bundesstaaten das Recht der Mitberatung geblieben. (Westerkamp, S. 100 f.;
Rönne, Staatsr., S. 206.)
91) Laband, Ann. d. D. Reichs 1873, S. 421 nimmt hier in zutref-
fender Weise Art. 7 des Ges. betr. die französische Kriegskostenentschädigung
1 . Juli 1872 (RGl. S. 289) aus.
92) ltio in partes. Art. 7, Abs. 4 Reichsverfass.; 8 6, Abs. 3 Ge-
schäftsordn. f. d. Bundesrat. Vgl. ferner Art. 7 der mit Baden und Hessen
vereinbarten Verfassung des D. Bundes v. 15. Nov. 1870 (BGl. S. 631.)
Durch Vertrag vom 25. Nobv. 1870 (BGl. S. 654) ist Württemberg dieser
Verfassung beigetreten. Ziff. II, § 5 des Vertrages mit Bayern v. 23. Nov.
1870 (BGBl. 1871, S. 11.) Vgl. für ihre Auslegung die Ausführungen
Laskers und Delbrücks in der Reichstagssitzung vom 7. Dez. 1870, Sten.
Ber., S. 122, 124. — Die entsprechende Bestimmung für den Reichstag in
Art. 28, Abs. 2 ist durch das Reichsges. betr. die Abänderung des Art. 28
der Reichsverfass. vom 24. Februar 1873 (RGl. S. 45) aufgehoben. Vgl.
die Motivierung dieser verschiedenen Behandlung des Bundesrats und des
Reichstags von dem Abg. Frhr. v. Hoverbeck, der die Aufhebung des Art. 28,
Abs. 2 beantragt hatte, in der Sitzung des Reichstages vom 22. Mai 1872,
Sten. Ber.. S. 459; ebenso in der Sitzung des Reichstages des Nordd.
Bundes vom 7. Dez. 1870, Sten. Ber., S. 123.
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