Full text: Der Geschäftsgang im Bundesrat.

gegenüber gilt die Abstimmung des Vertreters. auch wenn 
er ohne, oder sogar gegen seine Instruktion gestimmt haben 
sollte.") In einem solchen Falle kann die Regierung zwar 
den Schuldigen bei Verletzung seiner Amtspflicht abberufen und 
disziplinieren, vielleicht sogar strafrechtlich verfolgen lassen,) 
aber die Abstimmung nicht für ungültig erklären. Vielleicht 
kann je nach der Art des Beschlusses, falls der Bundesrat zu- 
stimmt, von neuem abgestimmt werden, nachdem der frühere 
Beschluß aufgehoben worden ist. Ein Recht darauf hat die 
betr. Regierung jedenfalls nicht.“) 
2. Zur Unterscheidung von dem Auftragsverhältnis der 
Bundesratsmitglieder ist der Bevollmächtigte im äußeren Voll- 
machtsverhältnis berechtigt, seinen Absendestaat gegenüber 
Bundesrat und Reichstag zu vertreten und Handlungen mit 
unmittelbar rechtlicher Wirkung für jenen vorzunehmen, be- 
sonders dessen Stimme im Bundesrate zu führen. 50) Wie er- 
  
zelnen Angelegenheit bei der Vielgestaltigkeit des heutigen öffentlichen 
Lebens vorherzusehen. Auch hier gilt der Erfahrungssatz, daß nicht der- 
jenige eine Sache am besten vertritt, der empfangene Anweisungen möglichst 
getreu ausführt, sondern derjenige, der zwar, wenn angängig, sich danach 
richtet, aber auch ohne solche die Interessen seines Auftraggebers wahrzu- 
nehmen versteht und ausnahmsweise sogar gegen erhaltene Befehle handelt, 
wenn er annehmen muß, daß bei genauer Kenntnis der Sachlage der Kom- 
mittent sein Verhalten billigen würde. Deshalb fehlt es in vielen Fällen 
überhaupt an einer genauen Instruktion, um dem Bevollmächtigten die 
nötige Bewegungsfreiheit zu lassen, was zweifellos sehr oft wünschenswert 
und von Vorteil ist, wobei jedoch die äußeren Verhältnisse, besonders die 
Persönlichkeit des Vertreters in Rechnung zu stellen sind. 
46) Deshalb nennt Laband die Abstimmung einen „Formalakt“, dessen 
Wirkung, „von den Motiven der Abstimmung gelöst und ihnen gegenüber 
selbständig ist." (Laband, Staatsr. I. S. 250, Reichsstaatsr., S. 64.) 
Ebenso v. Seydel, Jahrb. III, S. 276; Anschütz, Enzykl., S. 541. 
47) Man hat deshalb zutreffenderweise angenommen, daß eine prae- 
sumtio iuris et de iure für die Ubereinstimmung des Votums mit der 
Instruktion besteht. (Vgl. Seydel, Jahrb. III, S. 276, Komm., S. 132.) 
48) Die Bundesratsmitglieder stehen als solche nicht unter der Dis- 
ziplinargewalt des Reichs. (Vgl. Zorn, Staatsr. I, S. 166; Laband, 
Staatsr. I, S. 244.) 
49) Laband, Staatsr. I, S. 250, A. 4; v. Mohl, S. 254; v. Rönne, 
Staatsr., S. 205, Verf.-Recht, S. 150; Westerkamp, S. 98. 
50) Laband, Staatsr. I. S. 249, Reichsstaatsr., S. 64; Herwegen. 
S. 46; Querfurth, S. 15. 4*
	        
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