Die einzelnen Bestimmungen der deutschen Reichsverfassung. 97
Bundesgebietes und des innerhalb desselben gültigen Rechtes,
sowie zur Pflege der Wohlfahrt des Deutschen Volkes. Dieser
Bund wird den Namen DeutschesReich führen und wird nach-
stehende Verfassung haben“.
Hier fehlt zunächst die Aufzählung der einzelnen nord-
deutschen Staaten und damit der gesuchte Anhalt für eine
vertragsmässige, gegenseitige Garantie ihrer Existenz.
Nach dem Wortlaute sodann, wie nach dem Gange der
Verhandlungen über die Verfassungsverträge, ist ein vertrags-
mässiges Verhältniss zwischen den einzelnen norddeutschen
und den beigetretenen süddeutschen Staaten ausgeschlossen.
Es würde sich immer nur um ein solches zwischen den süd-
deutschen Staaten und dem norddeutschen Bunde als solchem,
handeln können. Denn wenn man sich dem gegenüber und
um trotzdem ein Rechtsverhältniss der süddeutschen Staaten
zu den einzelnen norddeutschen Staaten oder doch die
Fortdauer des Vertragsverhältnisses für die letztern zu be-
gründen, auf Artikel 1 und 9 der Reichsverfassung berufen
hat5, so ist damit pur das Gegentheil von dem bewiesen, was
man will. In den angezogenen Artikeln ist zweifellos nur
die Mitgliedschaft aller einzelnen Staaten im Bunde als ein
verfassungsmässiges Verhältniss zur Gesammtheit, nicht aber
als ein vertragsmässiges Verhältniss der einzelnen Staaten
unter einander festgestellt.
Der neuformulirte Eingang des Weiteren entbehrt gegen-
über dem Eingang der norddeutschen Verfassung — mit Aus-
nahme der Hervorhebung der südmainischen hessischen Ge-
bietstheile —derBeziehung aufdie Gebiete dereinzelnen Staaten,
obwohl man gerade in dieser Beziehung des norddeutschen Ein-
ganges eine wesentliche Bestimmung, die vertragsmässige Ga-
rantie des Territorialbestandes der einzelnen Staaten erblickte.
Der Eingang der Reichsverfassung bietet daher gegen-
über dem der norddeutschen Verfassung, seine Vertragsnatur
überall vorausgesetzt, wesentliche Veränderungen des Inhaltes
5 Meyer, Erörterungen pag. 61. 62.
A. Haenel, Studien. I. 7