112
der Mauer entlang. Drei hatten ein Granatloch in der
Mauer entdeckt, mit Balken und Tür verkleidet. Und da-
hinter klangen Franzosenstimmen. Die Sachsen nickten sich
entschlossen zu. Landwehrmann Steller warf cine Hand-
granate über die Mauer. Pech. Sie explodierte nicht.
Noch eine. Das Loch in der Mauer ward frei. Der Unter-
offizier kroch hindurch, die andern blieben sichernd zurück,
eine kleine, aber achtsame Schützenkette. Hei! Im Parke
standen links eine halbe Mandel französische Posten. Den
nächsten schoß Schüttoff nieder. Die Reservisten Seidel,
Bulke und Nichter VIII schossen mit. Da rückten die
Franzosen aus, allesamt. Seidel half den Gefallenen herein-
holen. Man zog ihm den Rock aus; es war ein Korporal
mit einer 2 auf der Achsel, anscheinend légion étrangère
der Fremdenlegion. Mit Rock und Gewehr kamen die
Sachsen wohlbehalten heim.
„Mir nach, wer Kurage hat!“
Hundertsieben stürmt Dembowo. Die dritte Kompagnie
Die Kameraden ließen ab von ihm. Sie sahen ihm
nach, bewegt und jäh an ein Wort erinnert, das er ihnen
oft schon mit flammender Begeisterung zugerufen hatte.
Aus seinem Munde klang es stets wie eine große Wahrheit:
„Das ist des deutschen Mannes siolzes Schicksal, für's
Vaterland vor dem Feinde zu sterben!“ Vor ihren Augen
traf es ihn nun selbst. Und als man dem Toten Uhr und
Börse, seine Briefe abnahm, da war ein offener und nicht
beendeter Feldpostbrief darunter, den sie still dem Haupt-
mann übergaben, auch das Eiserne Kreuz des toten Helden.
Und der Hauptmann sah im Geiste den Jüngling wieder
vor versammelter Mannschaft stehen, stolzbescheiden.
Bei Berry au Bar. Heiß war der Tag um Höhe 108.
Nun las er den letzten Wunsch des tapferen toten Kame-
raden: Wenn ich falle, weiht mir eine kleine Gedenktafel
und schreibt darauf mit Kameradenhand:
1 Hellmuth Bode
Unteroffizier im 12. Infanterie-Regiment 177, 3J. Kompagnie
Hunde 5 pagn gestorben als braver deutscher Soldat 2
ging in einem wahren Hagel von Geschossen aus fünfzig
Meter nahen
Russengräben
Der erste am "v
Drah thindernis Craonne
war Max Enke, Das war zwei
ein bewährter Tage vor Kai-
Unteroffizier. sersgeburtstag.
Manche Kugel Punkt 3.50 nach-
sireifte ihn schon, mittags flog der
eine war ihm Graben drüben
vorlängerer Zeit in die Luft. Und
im Gesäßstecken- die gleiche Se-
geblieben; er kunde brachen
konntenichtmehr zehn Sturm-
laufen wie die kolonnen von
anderen, wenn Hundertdrei
es voranging. hervor aus der
War dennoch Sachsenstellung.
derErsie, prang Stoßzugführer
hinein in den war Leutnant
feindlichen Gra- 14 Karl Gruhne,
ben. Die Rußkis Sächsisches Feldlazarett auf dem Marsch in Belgien in Friedenzeit
hoben die Hände « ten Lehrer in
hoch. — „Gutes Mann, Krieg aus — nix Krieg!“ Enke
zuckte die Achseln; mit solchem feigen Pack hielt er sich
nicht erst auf. Seinen Zug raffte er im Graben zusammen
und führte ihn näher gegen das Dorf, er immer springend
und hinkend voran.
In den Gassen tappten Russen wie Blinde herum.
Ein paar legten an.
Enke schwenkte seinen Helm empor und rief die Kame-
raden zum Kampfe:
„Mir nach, wer Kurage hatl“
Zwanzig von den Russen nahm er auf seinen Teil im
Dorfe gefangen.
Soldatengrab
Bei Perthes und Tahure Januar 1915 fiel ein junger
Einjähriger-Unteroffizier im Feuer, dem sein Hauptmann
stets eine ruhmvolle soldatische Zukunft geweissagt hatte.
Zweiundzwanzig Jahre war er alt, sein Name Hellmuth
Bode. Zehnte Kompagnie 177. Ein geschätzter, zuver-
lässiger Meldegänger war er. Ihn schreckte nicht Feuer noch
Tod. Ein Schuß traf ihn ins Bein. Er humpelte und
kroch seinen Weg weiter. Vom Kampfplatz weg wollten
ihn treue Kameraden zur Verbandstelle tragen.
„Man hat jetzt Wichtigeres zu tun. Laßt mich!“
Leipzig. Er führte 81 Mann und 20 Pioniere, darunter
seine beiden Freunde, die Leutnants Thiele und Frankec.
Vor dem Stoßzug ging die erste Sturmkompagnie 103.
Unerklärlicherweise hielt sie auf halbem Wege inne. „Hin-
legen! Feuer!“ Damit war der Feind geradezu gewarnt
vor unserm Vorhaben.
Leutnant Gruhne mit seinem Stoßtrupp ward im Nu
zum Sturmtrupp, drängte vorwärts und mit Hurra auf
den Feind. Da folgte auch die Kompagnie. Man nahm
den feindlichen Graben glatt, viele fielen an des Leutnants
Seite. Ihn selber sagte man tot und zählte mit Wehmut
die Beute des Tages: ein ganzes Pionierdepot in den Kalk-
steinhöhlen, acht Maschinengewehre, Tausende von Aus-
rüstungsstücke. Die Zahl der Gefangenen schwoll von Stunde
zu Stunde an. Sie kamen aus ihrer komfortablen Erd-
festung, wo es Wasserleitung und Heizung gab, erst nach
und nach hervorgekrabbelt: Uber 600 Mann versammelten
sich bis zum andern Morgen.
Der Leutnant brachte selber 18 Mann. Der Totgeglaubte
kam nämlich nach sieben Stunden heil zurück. Er hatte
selber am vordersten Punkte der errungenen Stellung sieben
Stunden die Wacht gehalten. Man empfing ihn beim Ba-
taillon mit lautem Jubel als den Sieger.
Leider ist der tapfere Leipziger Lehrer im Sommer 1916
gefallen, von einer Granate zerrissen. Heldenlos.