Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

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der Mauer entlang. Drei hatten ein Granatloch in der 
Mauer entdeckt, mit Balken und Tür verkleidet. Und da- 
hinter klangen Franzosenstimmen. Die Sachsen nickten sich 
entschlossen zu. Landwehrmann Steller warf cine Hand- 
granate über die Mauer. Pech. Sie explodierte nicht. 
Noch eine. Das Loch in der Mauer ward frei. Der Unter- 
offizier kroch hindurch, die andern blieben sichernd zurück, 
eine kleine, aber achtsame Schützenkette. Hei! Im Parke 
standen links eine halbe Mandel französische Posten. Den 
nächsten schoß Schüttoff nieder. Die Reservisten Seidel, 
Bulke und Nichter VIII schossen mit. Da rückten die 
Franzosen aus, allesamt. Seidel half den Gefallenen herein- 
holen. Man zog ihm den Rock aus; es war ein Korporal 
mit einer 2 auf der Achsel, anscheinend légion étrangère 
der Fremdenlegion. Mit Rock und Gewehr kamen die 
Sachsen wohlbehalten heim. 
„Mir nach, wer Kurage hat!“ 
Hundertsieben stürmt Dembowo. Die dritte Kompagnie 
Die Kameraden ließen ab von ihm. Sie sahen ihm 
nach, bewegt und jäh an ein Wort erinnert, das er ihnen 
oft schon mit flammender Begeisterung zugerufen hatte. 
Aus seinem Munde klang es stets wie eine große Wahrheit: 
„Das ist des deutschen Mannes siolzes Schicksal, für's 
Vaterland vor dem Feinde zu sterben!“ Vor ihren Augen 
traf es ihn nun selbst. Und als man dem Toten Uhr und 
Börse, seine Briefe abnahm, da war ein offener und nicht 
beendeter Feldpostbrief darunter, den sie still dem Haupt- 
mann übergaben, auch das Eiserne Kreuz des toten Helden. 
Und der Hauptmann sah im Geiste den Jüngling wieder 
vor versammelter Mannschaft stehen, stolzbescheiden. 
Bei Berry au Bar. Heiß war der Tag um Höhe 108. 
Nun las er den letzten Wunsch des tapferen toten Kame- 
raden: Wenn ich falle, weiht mir eine kleine Gedenktafel 
und schreibt darauf mit Kameradenhand: 
  
1 Hellmuth Bode 
Unteroffizier im 12. Infanterie-Regiment 177, 3J. Kompagnie 
  
  
  
  
  
Hunde 5 pagn gestorben als braver deutscher Soldat 2 
ging in einem wahren Hagel von Geschossen aus fünfzig 
Meter nahen 
Russengräben 
Der erste am "v 
Drah thindernis Craonne 
war Max Enke, Das war zwei 
ein bewährter Tage vor Kai- 
Unteroffizier. sersgeburtstag. 
Manche Kugel Punkt 3.50 nach- 
sireifte ihn schon, mittags flog der 
eine war ihm Graben drüben 
vorlängerer Zeit in die Luft. Und 
im Gesäßstecken- die gleiche Se- 
geblieben; er kunde brachen 
konntenichtmehr zehn Sturm- 
laufen wie die kolonnen von 
anderen, wenn Hundertdrei 
es voranging. hervor aus der 
War dennoch Sachsenstellung. 
derErsie, prang Stoßzugführer 
hinein in den war Leutnant 
feindlichen Gra- 14 Karl Gruhne, 
ben. Die Rußkis Sächsisches Feldlazarett auf dem Marsch in Belgien in Friedenzeit 
hoben die Hände « ten Lehrer in 
hoch. — „Gutes Mann, Krieg aus — nix Krieg!“ Enke 
zuckte die Achseln; mit solchem feigen Pack hielt er sich 
nicht erst auf. Seinen Zug raffte er im Graben zusammen 
und führte ihn näher gegen das Dorf, er immer springend 
und hinkend voran. 
In den Gassen tappten Russen wie Blinde herum. 
Ein paar legten an. 
Enke schwenkte seinen Helm empor und rief die Kame- 
raden zum Kampfe: 
„Mir nach, wer Kurage hatl“ 
Zwanzig von den Russen nahm er auf seinen Teil im 
Dorfe gefangen. 
Soldatengrab 
Bei Perthes und Tahure Januar 1915 fiel ein junger 
Einjähriger-Unteroffizier im Feuer, dem sein Hauptmann 
stets eine ruhmvolle soldatische Zukunft geweissagt hatte. 
Zweiundzwanzig Jahre war er alt, sein Name Hellmuth 
Bode. Zehnte Kompagnie 177. Ein geschätzter, zuver- 
lässiger Meldegänger war er. Ihn schreckte nicht Feuer noch 
Tod. Ein Schuß traf ihn ins Bein. Er humpelte und 
kroch seinen Weg weiter. Vom Kampfplatz weg wollten 
ihn treue Kameraden zur Verbandstelle tragen. 
„Man hat jetzt Wichtigeres zu tun. Laßt mich!“ 
Leipzig. Er führte 81 Mann und 20 Pioniere, darunter 
seine beiden Freunde, die Leutnants Thiele und Frankec. 
Vor dem Stoßzug ging die erste Sturmkompagnie 103. 
Unerklärlicherweise hielt sie auf halbem Wege inne. „Hin- 
legen! Feuer!“ Damit war der Feind geradezu gewarnt 
vor unserm Vorhaben. 
Leutnant Gruhne mit seinem Stoßtrupp ward im Nu 
zum Sturmtrupp, drängte vorwärts und mit Hurra auf 
den Feind. Da folgte auch die Kompagnie. Man nahm 
den feindlichen Graben glatt, viele fielen an des Leutnants 
Seite. Ihn selber sagte man tot und zählte mit Wehmut 
die Beute des Tages: ein ganzes Pionierdepot in den Kalk- 
steinhöhlen, acht Maschinengewehre, Tausende von Aus- 
rüstungsstücke. Die Zahl der Gefangenen schwoll von Stunde 
zu Stunde an. Sie kamen aus ihrer komfortablen Erd- 
festung, wo es Wasserleitung und Heizung gab, erst nach 
und nach hervorgekrabbelt: Uber 600 Mann versammelten 
sich bis zum andern Morgen. 
Der Leutnant brachte selber 18 Mann. Der Totgeglaubte 
kam nämlich nach sieben Stunden heil zurück. Er hatte 
selber am vordersten Punkte der errungenen Stellung sieben 
Stunden die Wacht gehalten. Man empfing ihn beim Ba- 
taillon mit lautem Jubel als den Sieger. 
Leider ist der tapfere Leipziger Lehrer im Sommer 1916 
gefallen, von einer Granate zerrissen. Heldenlos.
	        
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