Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

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überlassen. Das Portepee ist vorläufig nicht vorhanden, 
aber es wird schon kommen. Ich sehe in meiner neuen 
Tracht ziemlich verhauen aus, eher wie ein Lützower Jäger 
als wie ein 1914 er Pionierfeldwebel. Ich habe aber, wie 
Feind gute Einsicht in die Sprengstelle, und vollends 
stellte es sich heraus, daß es sich nicht um drei, sondern 
um fünf zu sprengende Häuser handelte. Sie mußten 
aber vom Erdboden verschwinden, denn von hier aus — 
rückwarts der vorgeschobenen englischen Linie — 
  
  
Historisches Weberhäuschen bei Sedan 
mein Kompagnie-Feldwebel sagt, den Vorzug, am feld- 
soldatenmäßigsten, d. i. am dreckigsten auszusehen.“ 
In Anerkennung seiner hervorragenden Verdienste — 
Hans Thiele berichtet in seinen Briefen nur kurz davon — 
wurde der tapfere Pionier schon im November 1914 zum 
Leutnant der Reserve ernannt. Zwei Tage vor Weihnachten 
hat er dann wiederum still und emsig eine Heldentat 
vollbracht, die im Kriegstagebuche der Feldkompagnie rühm- 
lichst eingetragen ist: Auf Meldung der Infanterie hin, 
daß der Feind aus einer Gruppe von drei Häusern rechts 
der Straße Wez-Maquart-Rue du Bois in die deutschen 
Gräben schösse, wurde Befehl gegeben, diese Häusergruppe 
so zu sprengen, daß sie der Gegner weder besetzen noch 
als Deckung für eine Truppenansammlung benutzen konnte. 
Dazu wurde Leutnant 
kamen die meisten Kopfschüsse. Da die vorhan- 
dene Munition nicht ausreichte, mußte die Pa- 
trouille in der Nacht vom ersten zum zweiten 
Weibnachtstage eine neue Sprengung vornehmen. 
Hierbei konnten alle kleinen Nebengebäude, die 
als Schlupfwinkel dienten, beseitigt werden. 
Bei einer solchen Unternehmung, die kühne 
und umsichtige Männer fordert, ist dann im 
zweiten Kriegsjahre, Oktober lols, Leutnant 
Hans Thiele als ein Held gefallen. Es war 
auf den Höhen südwestlich Bümy, etwas westlich 
von La Folie-Ferme, dicht hinter dem vordersten 
Kampfgraben der deutschen Stellung. Leutnant 
Thiele hatte schon einige Tage vorher durch 
weißes Band den Verlauf eines Annäherungs- 
weges markiert, der vom Deckungsgraben aus 
nach dem Kampfgraben angelegt werden sollte. 
Eo fehlten noch etwa Zo Meter, dann wäre der 
Durchstich fertig gewesen. In seiner treuen 
suchterfüllung und Besorgnis, daß auch ja der 
letzte Schlag richtig verlaufen möchte, kontrol- 
lierte Thiele sein Werk nochmals nach. Bei 
mondheller Nacht ging er am 26. Oktober gegen 11 Uhr 
abends aus dem Graben. Kaum war er außerhalb der 
Deckung, noch in hockender Stellung, da traf ihn eine 
französische Kugel in den Unterleib. Noch ist er fähig, 
sich bemerkbar zu machen, dann sinkt er zusammen. Da 
springen zwei brave Pioniere seines Zuges, der Gefreite 
Spindler und der Pionier Reupert, zu Hilfe. Beide 
treue Menschen ereilte das gleiche grausame Schicksal, der 
erstere erhielt einen Kopfschuß, der andere Bauchschuß 
wie Leutnant Thiele. Beide Pioniere waren sofort tot. 
Es wurde eine Bahre herbeigebracht, und der schwerver- 
wundete Leutnant noch lebend eingeholt. Er verschied nach 
wenigen Minuten ganz sacht. Seine Leute ließen es sich 
nicht nehmen, den teuren Kameraden bis zu einem Wagen 
zurückzutragen, und 
  
Thiele samt zwei Un- 
teroffizieren und sechs 
Pionicren bestimmt, 
die mit der nötigen 
Sprengmunition so- 
fort ans Werk gingen. 
Das Anbringen der 
Ladungen war sehr 
schwierg, weil Ziegel 
und Schuttmassen den 
Zugang zu den Häu- 
sern versperrten unt 
weil vom letzten 
Sturm auf Rue du 
Bois gefallene Eng- 
länder unbestattet 
umberlagen, manche 
zerstückelt, manche 
halb verwest. Beim 
Hineinkriechen in die 
Häuser und beim An- 
bringen der Ladungen brachen Jiegel von den Dächern 
und stürzten mit Gepolter herunter. Sofort flammten 
beim Feinde Leuchtpatronen auf und die Häuser wurden 
unter so heftiges Feuer genommen, daß die Arbeit von 
den Pionieren zeitweise eingestellt werden mußte. Von 
seinen Schützengräben links der Straße aus hatte der 
  
Sedan 
die sierblichen Uber- 
reste ihres Leutnants 
in Sicherheit zu brin- 
gen. Der Arzt konnte 
nur noch den Tod fest- 
stellen. 
„Tieferschüttert 
siehe ich, selbst des 
Trostes bedürftig, da, 
meiner größten Stütze 
und meines besten 
Untergebenen be- 
raubt! Schier uner- 
setzlich ist der herbe. 
plötzliche Verlust!“ 
schrieb der Kompag- 
nieführer, Haupt- 
mann Hermann, an 
den Vater Thieles, 
der bereits einen tap- 
feren Sohn auf dem 
Schlachtfelde verloren hatte. „Er war ein edler, treuer, 
guter Mensch, Ihr lieber Sohn Hans. Als sein neuer 
Chef hatte ich ihm schon nach ganz kurzer Zeit mein 
vollstes Vertrauen geschenkt, da ich sofort seine hervor- 
ragenden Geistesgaben und seinen vorbildlich edlen Cha- 
rakter erkannt und wertgeschätzt hatte. Mit geradezu rühren-
	        
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