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Freude, als die vielen Pakete ankamen. Ich habe gar nicht
alle aufmachen können. Heute kommen sie alle wieder her-
aut. Der letzte Brief ist vom 14. Oktober.
Ich danke Cuch für alle Liebe, die Ihr mir antut und
grüße Euch von Herzen Euer
Hellmuth Haupt.
Am nächsten Tage starb der tapfere) Junge Fähnrich Haupt
den Heldentod.
Im Fesselballon
Feldposibrief eines- sächsischen Freiballonführers
Bei ruhigem Wetter ist der Aufenthalt im Ballonkorb
nicht schwer zu ertragen, haben wir aber windiges und
böiges Wetter, so schaukelt der
deutung beilegten; nur auffällig war, daß die beiden ersten
Schüsse an beiden Tagen zu ganz genauer Zeit abgegeben
waren. Am dritten Tage nun saßen wir vor unserem gelt
mit der Uhr in der Hand, wie man etwa auf den Mitter-
nachtoglockenschlag am Silvester wartet, und in der Tat:
pünktlich stellte sich der erste Schuß wieder ein. Dieomal
aber hatten die Franzosen die Entfernung etwas besser ge-
schätzt oder waren noch etwas weiter vorgekommen, denn
das erste Schrapnell zerplatzte ungefähr 100 Meter vor
ung. Die Sprungpunkte lagen sehr hoch, da sie auf den
Ballon gemünzt waren, aber doch noch weit von diesem ent-
fernt, und er war nicht in Gefahr. Etwas anderes war es
mit ung, die wir auf der Erde zurückblieben. Wir mußten
schleunigst aus dem Zelt her-
Korb ganz gebörig, obwohl der
Ballon infolge seiner besonderen
Einrichtung ruhiger als ein
Kugelballon steht. Die Folge
dieser Schaukelei ist natürlich
die „Seekrankheit“, von der bis
jetzt beinahe noch jeder erfaßt
wurde. Sonst ähnelt der Korb
dem eines Freiballons, ist nur
etwas kleiner und leichter gebaut.
Sitzgelegenheit ist vorhanden,
ebenso Instrumente zur Höhen-
messung. Da der Hauptzweck
unserer Ballons die Beobachtung
und Erkundung der feindlichen
Stellungen ist und diese Wahr-
nehmungen eine sofortige Mel-
dung erfahren müssen, ist am
Ballonkorb ein Telephon ange-
bracht, das mit einem anderen
Telephon auf der Erde verbunden
ist. Auf diese Weise kann der
Beobachter sowohl mit seinem
Abteilungsführer als auch mit
anderen Regimentern telepho-
nisch sprechen.
Die Erkundung vom Ballon
aus ist nicht so leicht, wie man-
glaubt, obwohl wir Freiballon=
führer durch unsere Fahrten mit
der Orientierung aus der Luft
vertraut sind. Das Schwierige
ist vor allen Dingen, den Feind zu
sehen, der natürlicherweise seine
Batterien z. B. nicht auf dem
Präsentierteller aufstellt, sondern sie in Schluchten, Wäl-
dern oder Häusern aufbaut, schön verdeckt, damit sie schwer
zu finden sind. Das Einschießen erkundeter Stellungen
geschieht häufig auch vom Ballon aus, da man sehr gut
die Einschläge und das Zerspringen der Geschosse beobachten
kann. Wenn es die Lage nicht direkt anders fordert, stehen
wir möglichst außerhalb des Schußbereichs der feindlichen
Geschütze, denn im feindlichen F Feuer zu beobachten ist kaum
möglich. Da wir aber den Franzosen ein ganz besonderer
Dorn im Auge sind, haben sie es auf den Ballon des öfteren
schon abgesehen und ziehen zu diesem Zweck einzelne Ge-
schütze vor die Front, die mit ihrer weitmöglichsten Ent-
fernung auf uns feuern. Es ist eine ganz eigenarlige Musik,
dieses Zerspringen der Geschosse, sowie das Pfeifen der
Schrapnellkugeln.
Uns allen wird die Beschießung unseres Ballons vom
25. Oktober 1914 in ewiger Erinnerung bleiben. Schon
an den beiden vorhergehenden Tagen hatte man uns mit
einzelnen Schüssen beehrt, die aber noch in respektvoller
Entfernung blieben, so daß wir ihnen keine weitere Be-
Aufstieg eines Fesselballons
aus und Deckung in einem Gra-
ben suchen. Zwei Geschütze feu-
erten nun lebhaft auf uns, und
von allen Seiten sausten die
Schrapnellkugeln um uns her-
um in die Erde, ohne glück-
licherweise jemand zu verletzen,
nur unsere Zeltplane erhielt
einige Löcher. Nach einiger Zeit
beruhigte sich der Feind wieder,
nachdem er sah, daß der Ballon
ruhig oben in der Luft blieb,
erkannte also die Zwecklosigkeit
seines Feuers. Ich war schon
wieder aus der Deckung getreten
und stand mitten im freien Felde,
wo ich einem Meldereiter den
Weg erklärte, als plötzlich wieder
das Sausen der Geschosse ver-
nehmbar wurde, und sie gleich
darauf mit lautem Knall direkt
vor uns zersprangen. Die Spreng-
stücke waren wieder sehr hoch,
so daß die Kugeln uns nichts
anhaben konnten, ganz in meiner
Nähe fuhr der Zünder in den
Boden. Ich habe Zünder und
Kugel ausgegraben, um sie mit
nach Hause zu nehmen, wenn
sie mich nicht doch einmal er-
wischen sollten. Leider konnte der
Beobachter im Ballonkorb die
feindlichen Geschütze an diesem
Tage nicht sehen, da sie in
einem Waldabhang standen, der
ganz in Dunst lag. Am nächsten Tage aber bei besserer
Sicht wurden sie entdeckt, und es dürfte ihnen wohl die
Lust zum Feuern vergangen sein.
Durch die früh hereinbrechende Dunkelheit sind wir
gezwungen, schon öfters zeitig unsere Beobachtung ab-
zubrechen, vorausgesetzt, daß kein Nachtaufstieg geplant
ist. Der Ballon wird dann mit der Winde eingeholt, ab-
geknebelt und verankert. Zu Verankerungsplätzen sind na-
türlich geschützte Stellen auszusuchen, damit der Ballon
im Windschatten liegt und nicht abreißen kann. Nachts
über befindet sich dann immer eine Wache dabei, während
die Abteilung im Quartier einrückt, falls nicht Biwak be-
fohlen ist. Am Anfang des Krieges hatten wir beinahe
nur Biwaks, jetzt aber liegen wir schon einige Wochen in
einem Dorf in Quartier, wenn wir auch unsere Aufstiegs-
plätze öfters ändern. Am frühen Morgen geht es dann
wieder zur Aufstieghalle, rasch ist der Ballon entankert,
mit einigen Flaschen Wasserstoffgas frisch nachgefüllt, bis er
ganz prall gefüllt ist, und sobald die Sicht es erlaubt, wird
er mit einem Beobachter hochgelassen, um das schwierige