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zum Jurückgehen hinter den Fluß. Tags darauf wurde die
Division mit Lasikraftwagen zur zweiten Armee gebracht.
Dort tobte wieder die große Angriffsschlacht.
Der rechte Flügel der zweiten Armee, der nur noch müh-
sam den Zusammenhang bewahrte, wurde in diesen Tagen
etwa auf die Linie Le Queonoy—Englefontaine—Landrecies
zurückgedrückt. Englefontaine war der Division als Ziel be-
stimmt worden. Inzwischen hatte die Not zur Anderung
des Befehls geführt. Die Division sollte die 30. Infanterie-
division (Elsässer) beim IV. Reservekorps am Westrand des
Mormalwaldes ablösen. Diese Division war mit Teilen
anderer Divisionen stark vermischt und hielt sich mit Mühe
im Raume von Hecq. Dorthin eilte im Fußmarsch das
Regiment Bach (zwei Bataillone Infanterieregiments 106
und ein Bataillon Reserve-Infanterieregiments 103), auf
Kraftwagen Regiment Kollmann (zwei Bataillone Reserve-
Infanterieregiments 103 und ein Bataillon Infanterieregi-
ments 106) und Infanterieregiment 107. Das III. Ba-
taillon Infanterieregiments 106 wurde unterwegs bei
Chissignies, drei Kilometer südwestlich von Le Quesnoy,
von der schwerbedrängten 185. Infanteriedivision in den
Kampf gezogen. In unerschütterlicher Abwehr deckte es
die widerstandsunfähigen Reste dieser Division. Schließlich
aber wurde das tapfere Bataillon, von beiden Seiten um-
gangen, nach tapferer Gegenwehr gefangen. Nur s0 Mann
schlugen sich durch, 200 Mann wurden vermißt.
Die Ablösung der 30. Infanteriedivision vorwärts des
Mormalwaldgebietes gelang zunächst nicht. Das IV. Re-
servekorps befahl deshalb die Aufnahme der 30. Infanterie-
division durch die S8. Infanteriedivision am Westrand des
Waldes. Divisionsstabsquartier wurde Berlaimont. Am
25 Oktober übernahm dort die "8. Infanteriedivision den
Befehl über die Reste der 30. Infanteriedivision, (Regiment
Ulfert mit etwa 300 Mann), über Teile der 25. und 8. In-
fanteriedivision, 44. Reservedivision und 1. Garde-Reserre-
division. Seit 24. Oktober früh tobte der Kampf auf der
ganzen Front der Division. Am Nachmittag des 2 S. Oktober
wiesen die braven Regimenter der 58. Infanteriedioision
einen Großangriff mit vielen Angriffswellen ohne Artillerie=
unterstützung erfolgreich zurück.
Am nächsten Morgen drang der Gegner in einen Teil
der Stellung ein. Der befohlene Gegenstoß, der bis Engle-
fontaine vorgetragen werden sollte, konnte erst am 27. Ok-
tober früh stattfinden. Reserve-Infanterieregiment 103
hatte dabei vollen Erfolg.
Am 28. Oktober suchte der Oberbefehlshaber der zweiten
Armee, der sächsische General der Infanterie von Carlowitz,
die tapfere Division in ihrer Abwehrstellung auf. Sie hielt
sie unverdrossen bis zur Nacht zum 30. Oktober. In dieser
löste die Jägerdivision Infanterieregiment 107 auf dem
linken Flügel ab. Es rückte, zu zwei Bataillonen formiert,
als Rückhalt der Division hinter deren Mitte. Auch die
übrigen Regimenter mußten Kompagnien und Bataillone
zusammenlegen. Der Mannschaftsbestand schmolz immer
mehr dahin.
In der Nacht zum 4. November löste Infanterieregiment
107 das erschöpfte Reserve-Infanterieregiment 103 auf
dem rechten Flügel ab. Am folgenden Morgen schritt der
Gegner wieder zum Großangriff auf der Front der Divi-
sion und beider Nachbardivisionen. Bei der rechten Nachbar-
division drang der Feind durch. Die §S8. Infanteriedivision
mußte Hecq und Preur aufgeben. Reserve-Infanterieregi-
ment 103 nahm die Trümmer von den Infanterieregi-
mentern 107 und 106 auf. Weiter rückwärts wurde die
langsam nachgebende *8. Infanteriedivision durch die ihr
als Eingreifdivision überwiesene 44. Reservedivision auf-
genommen, die auch nur noch über wenig Truppen ver-
fügte. Die Verluste waren sehr groß. Am Abend bestand
die Kampftruppe der Division nur noch aus etwa 200 Hel-
den. Die tapfer ausharrende Artillerie verlor an diesem
Tage 11 Geschütze. Aber die Front hielt weiter, ein Wunder
nach der Kampflast der letzten Wochen.
Am S. November stieß der Feind bei der linken Nachbar-
division durch, auch der rechte Flügel der Division wurde
durch den weiter nördlich siegreichen Feind stark in der
Flanke bedroht. Aber die Front der Division gab auch heute
noch nicht nach. Nur auf Befehl ging die Division am
Nachmittag schrittweise in Richtung auf Bavai zurück. Nach
Einbruch der Dunkelheit übernahm die 44. Reservedivision
ihren Abschnitt. Die erschöpften Reste der Division gingen
in die Antwerpen-Maasstellung in drei kleinen Märschen
zurück, die Artillerie blieb an der Front.
Die Dioision nahm die Richtung auf Ligny, die Walstatt
Blüchers von 1815. Dort traf sie am 8. November ein.
Ungebrochen übernahm sie dort die Vorarbeit zur Stellungs-
besetzung. Sie erhielt den Auftrag, 27000 Versprengte und
Urlauber, die in Namur gesammelt waren, auf die Front-
divisionen der zweiten Armee zu verteilen, und schützte die
Bahnhöfe und Magazine westlich Namur gegen Plünderer
und belgische Banden.
Tags darauf trat der Waffenstillstand ein. Die Division
trat mit dem IV. Reservekorps zur 17. Armee über und
stellte für den sofort beginnenden Rückmarsch geschlossene
Marschgruppen zusammen. Infanterieregiment 106 bildete
noch 1 Bataillon (Horn) mit 3 Kompagnien, 1 Maschinen-
gewehr und 1 Minenwerfer; Infanterieregiment 107 noch
2 Bataillone zu je 2 Kompagnien #mit 3 Maschinengewehren
und 1 Minenwerfer; Reserve-Infanterieregiment 103 noch
3 Bataillone zu je 3 Kompagnien mit 3 Maschinengewehren
und 1 Minenwerfer; Feldartillerieregiment 115 noch 2 Ab-
teilungen zu je 4 Batterien; endlich Fußartillerie-Bataillon
; (preußisches) noch 2 Batterien. Trotz dieser geringen
Stärke betrug mit Troß und Angliederungen die Marsch-
länge der Division mehr als 21 Kilometer. Wohl waren
befehlsgemäß Soldatenräte gebildet worden, aber die Diwvi-
sion marschierte in alter fester Disziplin und Geschlossen-
heit, ein Vorbild soldatischer Tugenden, unter ihren be-
währten Führern, der Heimat zu. Am 16. November über-
schritt sie unter den Augen ihres Kommandeurs die Maas
zwischen Namur und Lüttich. Am 20. November erreichte
sie bei Verviers die deutsche Grenze. UÜberall stellte sie
unterwegs die Ordnung her, die deutsche Plünderer und
belgischer Pöbel frevelhaft zerstört hatten. Am 27. No-
vember überschritt die Division in fester Ordnung in Köln
den Rhein und erreichte am 7. Dezember bei Eslohe und
Brilon den Raum, wo der Eisenbahntransport einsetzen
sollte. Erst am 11. Dezember fuhr der erste Zug mit
I. Bataillon Infanterieregiments 107 nach Leipzig, der letzte
mit dem Dioisionsstab folgte am 21. Dezember. Eine
stolze Truppengeschichte fand damit ihren Abschluß.