Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

nach Bachmatsch weiter vorgerückt. Von Landwehr-Infan= 
terieregiment 104 wurde Bahn= und KX unsprechanlage nach 
dort übernommen. Fliegende Kolonnen entwaffneten die 
Bevölkerung und zerstreuten Banden in der Nähe von Go- 
mel. Grenadier-Landwehrregiment 100, verstärkt durch 2. 
Eskadron Husarenregiments 20 und acht Geschütze, stieß 
am 20. März auf etwa 1500 Mann in fester Stellung bei 
Gorodnja Gomelskaja. Ebenso mußte Landwehr--Infanterie- 
regiment 104 bei Marma an diesem Tage einen Vorstoß 
von etwa 1200 Bolschewisten abwehren. Die Division hatte 
10 Tote und 63 Verwundete (3 Offiziere). In Nowosyb-= 
kow, 40 Kilometer östlich Gomel, wurden 7000 Bolsche- 
wisten gemeldet. Am 31. März griffen die Bolschewisten 
nochmals das Grenadier-Landwehrregiment 100 bei Go- 
rodnja an, erlitten schwere Verluste und ließen 11 Ma- 
schinengewehre in der Hand der Landwehrgrenadiere. Der 
Feind zog dann, etwa 2000 Mann stark, in nordöstlicher 
Richtung ab. Der Division wurden mehrere Kavallerie= 
regimenter — darunter Garde du Korps — unterstellt, 
deren Hauptaufgabe Entwaffnung der Bevölkerung im Land- 
kreise wurde. Aber auch die Infanterie fand Arbeit genug. 
So kämpfte I. Bataillon Landwehr-Infanterieregiments 106 
am 1. April mehrere Stunden bei Dobry Lucz mit einer 
Abteilung von 400 Mann mit mehreren Maschinengewehren. 
Der Feind zog sich erst nach erfolglosem Gegenangriff mit 
starken Verlusten zurück. Die Truppenbewegungen wurden 
durch die grundlosen Schlammwege sehr erschwert. 
III. Bataillon Landwehr-Infanterieregiments lob besetzte 
am 6. April nach schwerem Kampf mit 800 Munn starkem 
Gegner Kamjen und Bahnhof Slynka. Das Garde-du- 
Korps-Regiment drang an demselben Tag weit nach Süden 
vor und entwaffnete das Land südlich von Gomel bis Tscher- 
nigow. 
In den folgenden Tagen wurde der Vormarsch auf Nowo- 
spbkow unter beständigen Kämpfen mit Bolschewistenabtei- 
lungen, die sich tapfer schlugen, fortgesetzt. Dabei verwen- 
dete der Feind mehrere Panzerzüge und sprengte beim Rück- 
zug die Eisenbahnübergänge über die zahlreichen Wasserläufe. 
Am H. April mittags wurde Nowosybkow nach Kampf 
genommen. Der Feind hatte größere Vorräte nach Brjanfkb 
rechtzeitig entführt. Schon am A#end konnte der Bahn- 
verkehr mit Gomel aufgenommen werden. Eine Lokomotive 
und vier Wagen wurden erbeutet. Nach drei Tagen waren 
die vier zerstörten Brücken bis Gomel wieder hergestellt. 
Inzwischen spielten sich beiderseits der Bahn in den weiter 
abgelegenen Gegenden mehrere Kämpfe mi" Banden ab, 
die nicht immer verlustlos verliefen. 
Am 16. April übergab die Division ihren bizherigen Ab- 
schnitt Gomel an die 35. Reservedivision und übernahm den 
neuen Abschnitt Nowospbkow, der direkt der in Brjansk und 
südlich davon stehenden Truppenmacht der Bolschewisten 
gegenüberstand. Die politische Lage in diesem Grenzge##iet 
zwischen Ukraine und Großrußland mit der Kleinbauern- 
und Fabribbevölkerung des ukrainischen Nordens war äußerst 
verwickelt. Die Bauern waren wegen anhaltender Dürre 
in banger Sorge um die Ernte, die zahlreiche Fabrikbevöl- 
berung der Orte östlich von Nowosybkow stand den Bolsche- 
wisten innerlich näher als dem Hetmann Skoropadski, der 
mit deutscher Unterstützung und nur auf die Kreise der Ge- 
bildeten und Großgrundbesitzer gestützt, in Kiew um diese 
Jeit die Regierung der Ukraine übernahm. 
Die Besitzergreifung des Landes östlich von Nowosybkow 
bis Starodub und Robcezik verlief ohne Zusammenstoß mit 
den Bolschewisten, die eine gut mit Artillerie ausgestattete 
Truppenmacht westlich von Brjansk bereithielten. Auf An- 
ordnung des Korps unterblieb die Fortsetzung des Vor- 
marsches auf Brjansk. Der Gegner nahm den durch Flieger- 
abwurf angebotenen Waffenstillstand mit 14 tägiger Kündi- 
gung Mitte Mai an. Es traten nunmehr ruhigere Verhäll- 
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nisse ein. Der Division fiel die Verwaltung der Kreise No- 
wosybkow, Klinzy, Starodub und Nowgorod zu. 
Sie hatte II. und III. Bataillon Grenadier-Landwehr- 
regiments loo und III. Bataillon Landwehr-Infanterieregi- 
ments 106 bereits am 17. April nach Kiew abgeben müssen. 
Auch das Garde-du-Korps-Regiment erhielt Mitte Mai an- 
dere Verwendung. Endlich verließ der Diciionskommandeur, 
Generalleutnant Müller, der seit Spätherbst lod erst die 
Brigade, dann die Didbision befehligt hatte, Ende Mai die 
47. Landwehrdivision, mit der ihn das Band treuer Für- 
sorge für seine Wehrleute und deren dankbaren Anhänglich- 
beit verband. 
An seine Stelle trat Generalmajor Einert, bisher Kom- 
mandeur der 47. Landwehr-Infanteriebrigade. 
Der Juni verlief ohne ernstere Ereignisse. Schon jetzt 
zeigte sich, daß der Hetmann, selbst Großgrundbesitzer und 
nur die Interessen des Grundbesitzes wahrend, keine Fühlung 
mit der Mehrzahl mit der ukrainischen Bevölkerung hatte. 
Die neuen ukrainischen Kreischefs bemühten sich, mit 
den deutschen Ortskommandanten in Fühlung zu bleiben. 
Nur an der Grenze des neutralen Gebietes, jenseits welchen 
die großrussischen Truppenführer den Befehl führten, kamen 
Fälle von Widerspenstigkeit gegen die Deutschen vor. Die 
Auferlegung von Bußen in Vieh und Lebensmitteln brachte 
aber die Bauern gewöhnlich schnell zur Vernunft. Aber sie 
grollten der neuen ubrainischen Regierung, die ihnen die 
Acker der Großgrundbesitzer, die sie seit einem halben Jahr 
sich angeeignet hatten, jetzt vor der Ernte wiedernahm. Da- 
gegen fand der deutsche Entscheid: „Wer gesät hat, dem 
gehört die Ernte“ allgemeine Zustimmung. 
Ende Juni traf III. Bataillon Landwehr-Infanterieregi- 
ments loé wieder bei der Division ein. Es standen nun- 
mehr Grenadier-Landwehrregiment 100 (ohne II. und III. 
Bataillon) in und um Nomgorod, Landwehr-Infanterie- 
regiment lo4 in Starodub und Gegend, Landwehr-Infan= 
terieregiment lob in Nowosybkow und nördlich davon. 
I. Bataillon lo6 und 7. Batterie Landwehr-Feldartillerie- 
regiments 10 bildeten die Heeresgruppenreserve im Raume 
von Bachmatsch. 
Bei den Russen in Brjansk tauchten Tschechen auf, die 
zurückkehrende OÖsterreicher festhielten. Auch 400 Chinesen 
bedrohten mit Bolschewistenbanden Starodub. Der mili- 
tärische deutsche Vertreter in Moskau teilte mit, daß eine 
großzügig von der Entente vorbereitete Erhebung der ganzen 
Bauernschaft im besetzten Gebiet bevorstehe. Der Bahn- 
schutz gegen wilde Sprengkommandos der Bolschewisten er- 
forderte strengste Wachsamkeit. Auch setzte eine zielbewußte 
bolschewistische Propaganda bei den zurückkehrenden Kriegs- 
gefangenen ein, sogar unter den deutschen Truppen wurden 
schon Anfang Juli deutsch gedruckte Flugschriften aufreizen- 
den Inhaltes verbreitet. Daneben machten sich auch Gegen- 
strömungen gegen die Bolschewisten im Kreise Brjansk be- 
merkbar. 860 Kisten mit englischen und amerikanischen Ge- 
wehren lagerten nach glaubwürdigen Nachrichten in Verstecken 
in und bei Brjansk. Die Bolschewisten räumten Anfang Juli 
ihre dortigen Vorräte in Richtung auf Moskau. Mitte Juli 
trat nach der Ermordung des deutschen Geschäftsträgers 
in Moskau, des Grafen Mirbach, Höchstspannung ein. Die 
Russen erwarteten den sofortigen deutschen Vormarsch. Für 
einen solchen waren militärisch seit langer Zeit alle Vor- 
bereitungen getroffen. Die Division sollte in diesem Falle 
auf und beiderseits der Bahn auf Brjansk vorgeben und dort 
am vierten Tage eintreffen. Die beiden Bataillone des 
Grenadier-Landwehrregiments 100 sollten dazu rechtzeitig 
von Kiew herangeschafft werden. Der Hilferuf „Wir bitten 
um deutsche Besetzung“ drang von Landbesitzervereinigungen 
jenseits der Frontlinie mit dem Nahen der Ernte immer 
häufiger herüber. Anfang August rückten Lenintruppen in 
die russische Front jenseits der neutralen Jone ein. Die Ban-
	        
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