Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

Die Sachsen in früheren Kriegen 
vom 10. Jahrhundert bis zum Jahre 1740 
Von Geh. Regierungsrat Dr. Woldemar Lippert 
Der Name Sachsen war ursprünglich den Landstrichen, 
die bis 1918 den Namen Königreich Sachsen führten und 
seitdem den Freistaat Sachsen bilden, nicht eigen, sondern 
wurde erst im Laufe der Jahrhunderte als Folge der poli- 
tischen Entwicklung auf sie übertragen. Die Sachsen er- 
scheinen zuerst in antiken Quellen des zweiten Jahrhunder:ts 
nach Christus als Bewohner der deutschen Nordseeküste und 
machten sich seit dem dritten Jahrhundert als Seeräuber 
gefürchtet. Allmählich breitete sich ihr Name Saxones, der 
als verkürzte Form eines ursprünglichen Sahsnötas, das 
heißt Schwertgenossen, Schwertmänner, erklärt wird, auf 
weite Gebiete Nordwestdeutschlands aus; aber erst im 
6. Jahrhundert rückten sie als Eroberer von Teilen des 
großen Thüringerreichs bis zur Elbe, Saale und Unstrut 
in die Nachbarschaft der Gebiete vor, auf die später der 
Sachsenname überging. Die früheren Kämpfe dieser Sachsen, 
so interessant und sagengeschmückt sie uns auch in den alten 
fränkischen und sächsischen Quellen bei Gregor von Tours 
und Widukind von Korvey entgegentreten, berühren ung 
daher hier ebensowenig, wie im 8. Jahrhundert ihr lang- 
jähriger Freiheitskampf unter ihres Herzogs Widukind Füh- 
rung gegen Karl den Großen, der zur Einverleibung des 
Sachsenlandes zwischen Rhein, Elbe und Harz in das 
Karolingerreich und zur Annahme des Christentums durch 
die früher zäh an ihren germanischen Gottheiten fest- 
haltenden Sachsen führte. In Nordwestdeutschland blldete 
sich später das mächtigste der deutschen Stammeherzog= 
tümer, das Herzogtum Sachsen, und als dieses nach wech- 
selnden Schicksalen mit Heinrichs des Löwen Sturz zerfiel, 
erhielt dessen Namen das bescheidene Fürstentum des 
Mannes, der 1180 Heinrichs Nachfolger in der Herzogs- 
wlürde wurde, Bernhards, des Stifters des askanischen 
Herzogshauses von Sachsen-Wittenberg. Als dann 
dessen Stamm 1423 ausstarb und das Herzogtum 
Sachsen an die wettinischen Markgrafen von 
Meißen als Kurfürsten überging, breitete sich auch der 
Begriff des Kurfürstentums Sachsen auf die an- 
dern wettinischen Lande mit aus, die ursprünglich 
nichts mit diesem Namen zu tun hatten, wie unsere Mark 
Meißen, die schließlich sogar den Hauptteil des 1815 ver- 
kleinerten Königreichs Sachsen bildete, während der 
übrige Teil mit Wittenberg der neuen preußischen Pro- 
vinz Sachsen zu ihrem Namen verhalf. 
In unserer Darstellung haben wir es daher für das 10. 
bis 15. Jahrhundert unserer Landesgeschichte nur mit der 
Mark Meißen und den anderen angrenzenden 
wettinischen Landen zu tun. 
Die Zeit der ersten Markgrafen von Meißen 
Die erste briegerische Handlung in unsern Gegenden ist 
die Gründung der Burg Meißen 928 durch König Hein- 
rich I.; wir dürfen annehmen, daß die neue Trutzburg des 
Deutschtums und EChristen:ums gegen die heidnischen Sorben 
ihre Aufgabe treu erfüllte, denn der Burggründung folgte 
vierzig Jahre später durch Kaiser Otto I. die Stiftung des 
Bistums Meißen. Unter der schwächeren Regierung Kaiser 
Ottos III. gelang es den Böhmen zwar zeitweilig, Meißen 
in Besitz zu nehmen, der tatkräftige, kriegserfahrene Mark- 
graf Ekkehard I. von Meißen verdrängte sie aber wie- 
der aus der Mark Meißen und unterwarf auch das Mil- 
zienerland, die spätere Oberlausitz, dem deutschen Einfluß; 
der Böhmenherzog Boleslaw wurde des Oeutschen Reichec 
Lehnsmann, der Polenfürst Boleslaw, den seln Volk Chro- 
bry, den Mutigen, nannte, war Ekkehards Freund, der im 
ganzen Osten geachtet und gefürchtet dastand. Doch nicht 
bloß an der Ostfront wußte Ekkehard sich Ruhm zu er- 
werben, sondern an der Sp#ze seiner meißnisch-thüringischen 
Mannen zog er Otto III. zu Hilfe nach Italien; in seiner 
Hand lag die Leitung des Kampfes gegen die aufständi- 
schen Römer. Die Stadt Rom wurde ohne weiteres vom 
kaiserlichen Heere besetzt; in der Hauptburg Roms aber, 
dem alten Hadriansgrabmal, der Engelsburg, verteidigte 
sich der übermütige Präfekt von Rom, Graf Crescencius, 
hartnäckig gegen die Anstürme, bis Ekkehard große Be- 
lagerungsmaschinen bauen ließ, die den Widerstand brachen, 
am 29. April 90s fiel Crescencius in des Markgrafen Hand 
und starb den Tod des Rebellen; Rom gehorchte wieder der 
Herrenfaust des deutschen Königs und Kaisers. Die Er- 
oberung der Engelsburg in Rom ist die erste 
ruhmvolle Waffentat unserer Landsleutein 
fremden Landen. 
Als Otto III. schon 1002 jung starb, hielt Ekkbehard die 
Jeit für gekommen, selbst die höchste Würde der Christen- 
heit zu erlangen; doch sein stolzer, oft harter Sinn hatte 
ihm unter den Mitfürsten und Großen des Reiches 
manche Feinde erstehen lassen, an deren Abneigung sein 
Plan scheiterte; auf der Heimreise aus Westfalen wurde 
er in Pöhlde, an der Südseite des Harzes, von persönlichen 
Feinden nachts meuchlings überfallen und erlag tapfer 
kämpfend der Übermacht. Ein Zeitgenosse von ihm, dem 
wir die beste Kunde über diese Zeiten verdanken, Bischof 
Thietmar von Merseburg, sonst nicht sein Freund, nennt 
ihn doch „die Zierde des Neiches, den Trost des Vater- 
landes, den Seinigen leutselig, einen Schrecken der Feinde, 
einen in jeder Hinsicht vollkommenen Mann, wenn er hätte 
Bescheidenheit üben wollen“. Sein Tod änderte jäh die 
Lage gegen Osten. Der mächtige Polenherrscher wurde jetzt 
weder durch freundschaftliche Rücksichten, noch durch die 
Furcht vor den deutschen Waffen zurückgehalten; er drang 
nach Westen vor und besetzte die Niederlausitz. Auch das 
Milzienerland ging an ihn verloren; jahrelang wogte der 
Kampf um diese Ostmarken hin und her, die der auch 
anderwärts beschäftigte deutsche König Heinrich II. nicht 
mit gleicher Tatkraft und Aueodauer, wie Ekkehard I., zu 
schützen vermochte. Die Mark Meißen besaß 1002—1000 
Ekkehards minder tüchtiger Bruder Gunzelin, dann Ekke- 
hards Sohn Hermann. Im Jahre lols erschlugen die 
Polen den Markgrafen Gero II. von der Ostmark und Lau- 
sitz; König Heinrich II. zog sich zunächst nach Strehla an 
der Elbe und weiter nach Merseburg zurück, nachdem er 
den Markgrafen Hermann zum Schutze der Burg Meißen 
mit seinen Leuten abgesandt hatte. Rasch rückten die Polen, 
die keine Feinde mehr vor sich sahen, unter Führung von 
Boleslawo Sohn Miesko (Mieczyslaw) nach und über- 
schritten im Morgengrauen des 13. Septembers 1015 bei 
Meißen die Elbe, um die Burg durch einen Handstreich 
zu nehmen. Miesko entsandte gleichzeitig Streifscharen zur 
Verwüstung der Umgegend, schwächte aber dadurch seinen 
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