Die Sachsen in früheren Kriegen
vom 10. Jahrhundert bis zum Jahre 1740
Von Geh. Regierungsrat Dr. Woldemar Lippert
Der Name Sachsen war ursprünglich den Landstrichen,
die bis 1918 den Namen Königreich Sachsen führten und
seitdem den Freistaat Sachsen bilden, nicht eigen, sondern
wurde erst im Laufe der Jahrhunderte als Folge der poli-
tischen Entwicklung auf sie übertragen. Die Sachsen er-
scheinen zuerst in antiken Quellen des zweiten Jahrhunder:ts
nach Christus als Bewohner der deutschen Nordseeküste und
machten sich seit dem dritten Jahrhundert als Seeräuber
gefürchtet. Allmählich breitete sich ihr Name Saxones, der
als verkürzte Form eines ursprünglichen Sahsnötas, das
heißt Schwertgenossen, Schwertmänner, erklärt wird, auf
weite Gebiete Nordwestdeutschlands aus; aber erst im
6. Jahrhundert rückten sie als Eroberer von Teilen des
großen Thüringerreichs bis zur Elbe, Saale und Unstrut
in die Nachbarschaft der Gebiete vor, auf die später der
Sachsenname überging. Die früheren Kämpfe dieser Sachsen,
so interessant und sagengeschmückt sie uns auch in den alten
fränkischen und sächsischen Quellen bei Gregor von Tours
und Widukind von Korvey entgegentreten, berühren ung
daher hier ebensowenig, wie im 8. Jahrhundert ihr lang-
jähriger Freiheitskampf unter ihres Herzogs Widukind Füh-
rung gegen Karl den Großen, der zur Einverleibung des
Sachsenlandes zwischen Rhein, Elbe und Harz in das
Karolingerreich und zur Annahme des Christentums durch
die früher zäh an ihren germanischen Gottheiten fest-
haltenden Sachsen führte. In Nordwestdeutschland blldete
sich später das mächtigste der deutschen Stammeherzog=
tümer, das Herzogtum Sachsen, und als dieses nach wech-
selnden Schicksalen mit Heinrichs des Löwen Sturz zerfiel,
erhielt dessen Namen das bescheidene Fürstentum des
Mannes, der 1180 Heinrichs Nachfolger in der Herzogs-
wlürde wurde, Bernhards, des Stifters des askanischen
Herzogshauses von Sachsen-Wittenberg. Als dann
dessen Stamm 1423 ausstarb und das Herzogtum
Sachsen an die wettinischen Markgrafen von
Meißen als Kurfürsten überging, breitete sich auch der
Begriff des Kurfürstentums Sachsen auf die an-
dern wettinischen Lande mit aus, die ursprünglich
nichts mit diesem Namen zu tun hatten, wie unsere Mark
Meißen, die schließlich sogar den Hauptteil des 1815 ver-
kleinerten Königreichs Sachsen bildete, während der
übrige Teil mit Wittenberg der neuen preußischen Pro-
vinz Sachsen zu ihrem Namen verhalf.
In unserer Darstellung haben wir es daher für das 10.
bis 15. Jahrhundert unserer Landesgeschichte nur mit der
Mark Meißen und den anderen angrenzenden
wettinischen Landen zu tun.
Die Zeit der ersten Markgrafen von Meißen
Die erste briegerische Handlung in unsern Gegenden ist
die Gründung der Burg Meißen 928 durch König Hein-
rich I.; wir dürfen annehmen, daß die neue Trutzburg des
Deutschtums und EChristen:ums gegen die heidnischen Sorben
ihre Aufgabe treu erfüllte, denn der Burggründung folgte
vierzig Jahre später durch Kaiser Otto I. die Stiftung des
Bistums Meißen. Unter der schwächeren Regierung Kaiser
Ottos III. gelang es den Böhmen zwar zeitweilig, Meißen
in Besitz zu nehmen, der tatkräftige, kriegserfahrene Mark-
graf Ekkehard I. von Meißen verdrängte sie aber wie-
der aus der Mark Meißen und unterwarf auch das Mil-
zienerland, die spätere Oberlausitz, dem deutschen Einfluß;
der Böhmenherzog Boleslaw wurde des Oeutschen Reichec
Lehnsmann, der Polenfürst Boleslaw, den seln Volk Chro-
bry, den Mutigen, nannte, war Ekkehards Freund, der im
ganzen Osten geachtet und gefürchtet dastand. Doch nicht
bloß an der Ostfront wußte Ekkehard sich Ruhm zu er-
werben, sondern an der Sp#ze seiner meißnisch-thüringischen
Mannen zog er Otto III. zu Hilfe nach Italien; in seiner
Hand lag die Leitung des Kampfes gegen die aufständi-
schen Römer. Die Stadt Rom wurde ohne weiteres vom
kaiserlichen Heere besetzt; in der Hauptburg Roms aber,
dem alten Hadriansgrabmal, der Engelsburg, verteidigte
sich der übermütige Präfekt von Rom, Graf Crescencius,
hartnäckig gegen die Anstürme, bis Ekkehard große Be-
lagerungsmaschinen bauen ließ, die den Widerstand brachen,
am 29. April 90s fiel Crescencius in des Markgrafen Hand
und starb den Tod des Rebellen; Rom gehorchte wieder der
Herrenfaust des deutschen Königs und Kaisers. Die Er-
oberung der Engelsburg in Rom ist die erste
ruhmvolle Waffentat unserer Landsleutein
fremden Landen.
Als Otto III. schon 1002 jung starb, hielt Ekkbehard die
Jeit für gekommen, selbst die höchste Würde der Christen-
heit zu erlangen; doch sein stolzer, oft harter Sinn hatte
ihm unter den Mitfürsten und Großen des Reiches
manche Feinde erstehen lassen, an deren Abneigung sein
Plan scheiterte; auf der Heimreise aus Westfalen wurde
er in Pöhlde, an der Südseite des Harzes, von persönlichen
Feinden nachts meuchlings überfallen und erlag tapfer
kämpfend der Übermacht. Ein Zeitgenosse von ihm, dem
wir die beste Kunde über diese Zeiten verdanken, Bischof
Thietmar von Merseburg, sonst nicht sein Freund, nennt
ihn doch „die Zierde des Neiches, den Trost des Vater-
landes, den Seinigen leutselig, einen Schrecken der Feinde,
einen in jeder Hinsicht vollkommenen Mann, wenn er hätte
Bescheidenheit üben wollen“. Sein Tod änderte jäh die
Lage gegen Osten. Der mächtige Polenherrscher wurde jetzt
weder durch freundschaftliche Rücksichten, noch durch die
Furcht vor den deutschen Waffen zurückgehalten; er drang
nach Westen vor und besetzte die Niederlausitz. Auch das
Milzienerland ging an ihn verloren; jahrelang wogte der
Kampf um diese Ostmarken hin und her, die der auch
anderwärts beschäftigte deutsche König Heinrich II. nicht
mit gleicher Tatkraft und Aueodauer, wie Ekkehard I., zu
schützen vermochte. Die Mark Meißen besaß 1002—1000
Ekkehards minder tüchtiger Bruder Gunzelin, dann Ekke-
hards Sohn Hermann. Im Jahre lols erschlugen die
Polen den Markgrafen Gero II. von der Ostmark und Lau-
sitz; König Heinrich II. zog sich zunächst nach Strehla an
der Elbe und weiter nach Merseburg zurück, nachdem er
den Markgrafen Hermann zum Schutze der Burg Meißen
mit seinen Leuten abgesandt hatte. Rasch rückten die Polen,
die keine Feinde mehr vor sich sahen, unter Führung von
Boleslawo Sohn Miesko (Mieczyslaw) nach und über-
schritten im Morgengrauen des 13. Septembers 1015 bei
Meißen die Elbe, um die Burg durch einen Handstreich
zu nehmen. Miesko entsandte gleichzeitig Streifscharen zur
Verwüstung der Umgegend, schwächte aber dadurch seinen
10“