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Bruderkrieg beeinträchtigte Sachsen gegenüber der auf-
strebenden Macht der Hohenzollern wesentlich, kostete ihnen
die fast sichere Erwerbung der Niederlausitz und schädigte
Sachsen und Thüringen durch die gegenseirigen Kriegszüge
mit ihren Verwüstungen, Mord und Brand. Friedrich stif-
tete 1450 nach dem Vorbilde des burgundischen Goldnen
Vließes den ersten sächsischen Orden, den Ritter-
orden des heiligen Hieronymus, der aber bald wieder er-
losch. Wilhelm besonders galt als kriegerisch; selbst für
fremde Interessen zog er das Schwert, allerdings haupt-
Kurfürst Friedrich lI. der Sanftmütige 1428—1464
sächlich um sein in Böhmen geworbenes Söldnerheer zu
beschäftigen und zu besolden. Er führte dem Erzbischof von
Köln Truppen zu gegen widerstrebende westfälische
Städte, besonders Soest. Dieser sonst erfolglose Zug
ist durch einen Nebenumstand militärisch bemerkenswert:
die Unordnung und Aufsässigkeit der Söldner nötigte Wil-
belm, eine scharfe „Ordnung“ zu erlassen und diese
sächsische Kriegsordnung Herzog Wilbelms von
1447 ist eine der ältesten Kriegsordnungen und somit ein
Vorläufer der späteren „Kriegsartibel“.
Das mittelalterliche Kriegswesen neigte sich seinem Aus-
gang zu; sein Ende verklärte aber in Sachsen noch eine
leuchtende Feldherrugestalt:
Herzog Albrecht der Beherzte
(1464—1500), der Sohn des Kurfürsten Friedrich II.
und Stifter der jüngeren herzoglichen (später kurfürst-
lichen und königlichen) albertinischen Linie. Jum ersten
Male erschien der junge Fürst 1471 an der Spitze eines
sächsischen Heeres, das bei der böhmischen Thronerledigung
nach Prag zog, dann führte er seine Streitmacht im
Reichskriege gegen Herzog Karl den Kühnen
von Burgund, der die kölnische Stadt Neuß belagerte,
als „des Kaisers gewaltiger Marschall und Bannermeister“;
er schreibt seinem Oheim Wilhelm: „Der Adler, des hei-
ligen Reichs oberst Streitpanier, schwebet in unserm Befehl.“
Zu großen Schlachten bam es nicht, aber bei verschiedenen
kleinen Scharmützeln, Lagerbestürmungen, Beschießungen
zeigte er persönlichen Mut und erwarb sich auch als Truppen-
führer allgemeine Achtung, so daß ihm Kaiser Friedrich III.
1487 mit Zustimmung der Nürnberger Reichsversammlung
die Kriegführung als Reichshauptmann gegen König
Matthias Corvinus von Ungarn übertrug, der die
österreichischen Lande bedrohte. Der Auftrag war sehr un-
dankbar, denn er war mühevoll und schwierig durchzuführen,
da der Kaiser seine Zusage der Unterstützung durch eigne
Truppen, Zuführung von Geschütz und andern Bedürfn ssen,
sowie Besoldung nicht hielt. Infolgedessen bo: sich beine
Möglichkeit zu großen Erfolgen, sondern der Krieg begann
von vornherein unter den ungünstigsten Aussichten; doch
gelang der sächsischen Tüchtigkeit und Opferwilligkeit, die
Fortschritte des zahlreicheren, besser ausgerüsteten Ungarn-
heeres in Niederösterreich und Steiermark zu hemmen und
dem Kaiser zu Markersdorf bei St. Pölten 1487 einen er-
träglichen Frieden zu erwirken. Lange vor der Zeit, in der
Herzog Wilhelm lll. von Sachsen 1428—1482
Schiller in seinem Wallenstein das berühmte ironische Wort
vom „Dank vom Haus Oestreich“ sprechen läßt, erfuhr der
sächsische Fürst — wie dann noch mancher seiner Nach-
kommen — die Wahrheit dieses Urteils durch den kleinlich
denkenden, persönlich unfähigen Kaiser Friedrich III. Seine
reichstreue Gesinnung wurde aber dadurch nicht erschüttert,
denn als gleich darauf nach seiner Heimkehr aus Osterreich
der Ruf an ihn erging, zur Befreiung des von den aufsässigen
Gentern gefangengesetzten Sohnes Friedrichs, des römischen
Königs Maximilian, zum Schwert zu greifen, zögerte er
nicht; Max kam bald frei, aber der niederländische Auf-
stand ging weiter. Mit der Statthalterschaft der Nieder-
lande übernahm Albrecht die Oberleitung des Krieges
gegen die Empörer in Flandern, Brabant,
Holland und Seeland. Es war kein Krieg großen
Stils: die Heere selbst waren klein, die Kriegführung daher
vorsichtig; ein heutiges kriegsstarkes Regiment würde damals
schon eine ansehnliche Streitmacht gebildet haben, die An-
werbung eines Heeres von der Stärke einer heurigen Dioi-
sion flößte sämtlichen Nachbarn ernsteste Besorgnisse ein.
Man suchte nicht die feindlichen Heere in gewaltigen Feld-
schlachten zu zertrümmern oder durch Einkreisung zu er-
ledigen, sondern stritt um feste Plätze, und fast jede Stadt
war damals ein fester Platz; selbst einzelne Schlösser waren
oft als wichtige Stützpunkte oder Sperrplätze heiß um-
stritten. Bald durch überraschenden Handstreich, bald durch
langwierige Belagerung suchte man dem Gegner seine
Festungen zu entreißen; die nicht sehr bedeutenden Schlach-
ten entspannen sich zumeist bei dem Versuche des Entsatzes
oder der Verstärkung von festen Punkten. Albrechts Kämpfe
zogen sich fast fünf Jahre lang hin; wieder zeigte sich aufs
kläglichste das Elend der damaligen Kriegführung, die mit
Söldnerheeren arbeitete und daher stets mit Untust, passivem
Widerstand, ja selbst offener Unbotmäßigkeit und Meuterei
der Söldner zu rechnen hatte. Die Zucht dieser zusammen-