laue und zögernde Art des Vorgehens geeignet war, einem
jungen, feurigen Soldaten die ganze Kampfesfreude zu ver-
gällen, gab Moritz gerade damals einen schönen Beweis
seines soldatischen Pflichtgefühls. Sein jüngerer Bruder
August (der spätere Kurfürst) befand sich am Hofe des
römischen Königs Ferdinand, wo es ihm wenig behagte;
er regte deshalb bei Moritz an, da mit dem Kriege doch
nichts rechtes würde, solle er lieber nach Hause auf die
Jagd gehen und ihn mitnehmen. Diese jugendlich leicht-
herzige Auffassung Augusts von Fürsten= und Feldherrn=
pflichten fand aber bei Moritz trotz dessen eigner Jazd-
neigung beinen Beifall: die bisherige Kriegführung gefalle
ihm auch nicht, schrieb er zurück, „doch ist unser Hoffnung,
es solle nit ledig ablaufen und ichts wurklichs und frucht-
bars ausgericht und geschafft werden; aber uns one das
um der waidnischen Lust willen anheim zu fugen, seind
wir (ungeacht, ob wir uns selbs wol zu erinnern wissen,
daß wir allhie wenig Rum erjagen mogen, hoffen wir
doch bein Unehr einzulegen) noch zur Zeit nit bedacht“.
Er mußte allerdings sein Verlangen, an den Feind zu
kommen, noch lange zügeln; seit dem 18. Juni war er
in und bei Wien, im Juli lagerte man bei Raab, im
August und September bei Gran; erst am 28. September
rückte man vor Pest. Moritzers Hoffnung baldiger Er-
stürmung dieser Festung sollte aber nicht in Erfüllung
gehen, der Sturm am 28. September wurde von den
Türken kraftvoll zurückgeschlagen. Wiederholt kam es zu
Scharmützeln und in dem einen brachte den jungen Fürsten
sein ungestümer Kampfesmut in schwerste Gefahr. Am
1. Oktober unternahmen die Türken einen Ausfall,
das christliche Heer rückte ihnen entgegen, in den hitzigen
Kampf griff auch Moritz ein. Seine Hast und seines
Rosses Schnelligkeit trennte ihn von seinen Sachsen, als
er voll Eifer auf eine Türkenschar losstürmte, nur sein
Diener Reibisch, mit dem Beinamen Schnauber, konnte
ihm folgen. Beim Ansprengen rannte Moritz einem Tür-
ken seinen Spieß durch den Hals, im folgenden wilden
Handgemenge zerriß ihm aber der Sattelgurt und er stürzte
zu Boden. Sofort fielen mehrere Türben über ihn her,
aber Reibisch sprang ihm bei, erlegte zwei der Feinde,
wurde aber mit Hieben und Stichen so zugerichtet, daß er
starb; denn er und Moritz selbst hatten sich bei dem plötz-
lichen Angriff nicht Zeit genommen sich zu rüsten, sondern
waren ohne Harnisch aufgesessen. Inzwischen waren aber
andre auf das Getümmel aufmerksam gewerden und
rannten herbei; ihnen gelang es, den wunderbarerweise
unverletzt gebliebenen Herzog herauszuhauen, ihm auf ein
Pferd zu helfen und ihn dadurch zu retten. Sein Ratgeber
Georg von Carlowitz schrieb über den Vorfall an des
Fürsten Schwiegervater, den Landgrafen Philipp von
Hessen, rühmend und rügend zugleich, denn Moritz selber
hatte sich in seinem Briefe an Philipp mit der bescheidenen
Zurückhaltung des echten Kriegers, der nicht selbst von
seinem Mut und seinen Taten sprechen mag, darüber aus-
geschwiegen, aber die Kunde verbreitete sich bald und der
bebannteste Meistersinger dieser Zeit, Nürnbergs berühmter
Dichter und Schuhmacher Hans Sachs, verherrlichte den
Kampf in einer Strophe: „Herzog Moritz, der theuer
Fürst — Der wehrt' sich als ein kühner Held, — Wurd'
von der Türken Meng“ gefällt. — Jedoch einer seiner
Trabanten — Von Adel ist ihm beigestanden — Hat auch
darob sein'n Leib verlorn — Doch ward errett't der wol-
geborn.“ Nachdem noch ein hitziger Sturm auf eine Bresche
von den Türken tapfer und mit großem Verlust der
Christen am 7. Oktober abgewehrt worden war, brach man
die Belagerung ab und zog zurück. Durch seine Abreise
am 8. Oktober entging Moritz einer neuen Gefahr, denn
am 9. Oktober kam es mit den nachrückenden Türken zu
einem heftigen Kampfe, bei dem diese zwar verlustreich
253
zurückgeschlagen wurden, aber viele vornehme Deutsche
fielen, so daß Carlowitz an Landgraf Philipp schrieb, es
sei gut, daß sein Herr schon weggewesen sei, denn wer
sich zu weit hervorgetan habe, was er (Moritz) dann schwer-
lich gelassen hitte, sei geblieben.
Hatte dieser Feldzug dem damaligen Erbfeind im Osten
gegolten, so der des nächsten Jahres im Heere des Kaisers
Karl V. selbst dem alten, ewigen Erbfeind im
Westen, den Franzosen. Der Krieg führte 1543 den
Herzog in belgische und nordfranzösische Ge-
biete, die im großen Weltkrieg oft als Stitten deutschen
Waffenruhms genannt wurden; es ist im Hinblick auf die
Bestrebungen der deutschen Verwaltung in Belgien zur
Hebung des Vlamentums bemerkenswert, daß in den
Briefen jener Zeit, auch in Moritzens Schreiben, die Orte
fast alle mit ihren alten deutschen, beziehentlich vlämischen
Namen auftreten, Mons heiß: Berga im Hennegau, Löwen
(Louvain) — Lauen, Le Quesnoy = Kenau, Cambray —
Camerich. Moritz weilte im Oktober und November da-
selbst, doch hatten die Sachsen beinen Am#aß sich aus#zu-
zeichnen. Für das Jahr 1544 wurde Moritz die Führung
seines Kontingents von lo00 Reizern übertragen. Da die
Bistümer Metz, Toul und Verdun damals noch nicht von
Frankreich geraubt waren, auch das Herzogtum Lothringen
noch zum Deutschen Reiche gehörte, konnte der Stoß von
Anfang an tief nach Frankreich hinein geführt werden.
Die Franzosen beschränkten sich im wesentlichen auf die
Behauptung der Marnelinie St. Dizier, Vitry, Chalono,
Reims. Moritz wurde mit seinen Neitern und einer Ab-
teilung von Spaniern gegen Vitry-le-Francof-o (süd-
östlich von Chalons) entsendet, das er am 24. Juli er-
stürmte; ein eigentümliches Schicksal ließ also dasselbe Vitry,
das in den herrlichen ersten Septembertagen von 1914 von
sächsischen Regimentern besetzt wurde, vor 370 Jahren auch
in die Hand des Sachsenherzogo fallen. Bei der Einnahme
waren der Sgadt die zeitüblichen Greuelszenen nicht erspart
geblieben und man hatte die Schuld Moritzens Leuren zu-
geschoben; da verwahrte er seine und seiner Leute Kriegs-
ehre sehr entschieden in einem unmittelbaren Schreiben an
seinen obersten baiserlichen Kregöherrn Karl V. und be-
wies in einem beigelegten längeren Bericht, daß er und
die Seinen das meiste geleistet hatten beim Kampfe, die
Ausschreitungen hingegen den Welschen zur Last fielen. Sehr
anschaulich schildert dieser ausführliche Heeresbericht des
sächsischen Heerführers die Vorfälle, so daß er hier im
Wortlaut beigegeben sein möge.
„Mir kommt vertraulicher geheimer Weis fur, wie Eure
Nomische Kaiserliche Majestat Bericht entpfangen, daß in
jungst mit den Franzosischen ergangner feindlicher Hand-
lung meine Reuter die Stadt Vitry geplundert,
angezundet, Weib und. Kind erschlagen, weg-
gefuhrt und sonst ungebuhrlicher Gestalt ge-
handelt, auch vor den Feinden etwas gestutzt und nicht
nachgedruckt haben sollten, han ich in Ansehung meiner und
der Meinen Unschuld und daß mir solchs von meinen wider-
wertigen Misgonnern ohn allen bestendigen Grund der
Wahrheit unbilliger Weis auferlegt wird, mit Beschwerd
meines Gemueths vernommen, verhoff auch nicht, daß
E. Rom. Kais. Majestat noch jemands anders solcher Ge-
stalt zu gebaren mich erkannt haben.“ Er habe am liebsten
die ganze Sache mit Stillschweigen übergehen wollen, habe
aber solche ehrliche Männer von Stand und sonst gute
Leute unter seinem Befehl, die um der Ehre und um des
Kaisers willen am Kriege teilnähmen, die sich dadurch be-
schwert fühlten und es nicht passieren lassen würden. Der
Kaiser möge deshalb nicht dem ungerechten Bericht, son-
dern seiner (Moritzens) schriftlichen beiliegenden Anzeige
Glauben schenken. Er sei auch bereit, sich den Verleumdern
persönlich gegenüberzustellen und zu verantworten. Der