Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

Befriedigung auf die zahlreichen erbeuteten Landsknechts- 
fähnlein und Reiterbanner, die man ihm als Siegeszeichen 
brachte. Er litt schwer, hegte aber zunächst noch Hoffnung 
und schrieb selbst an seine Freunde über die Schlacht, so 
noch am Schlachttage an Bischof Albrecht von Würzburg: 
„Als wir bei diesem Zusammenstoß (das heißt als die 
Hoffahne in den Kampf verwickelt wurde) vor unserer Ab- 
teilung Stellung genommen hatten, traf uns eine Büchsen- 
kugel nahe an der Lende, die durch den Körper ging; in- 
folgedessen fühlen wir große Schwäche, aber wir haben 
uns Gott dem Allmächtigen empfohlen; er wird nach seinem 
gütigen Willen mit uns verfahren. In Wahrheit aber 
können wir rühmen, daß das, was wir gegen den wilden 
Landverwüster und seines Unrechts Genossen unternommen 
haben, aus besonderem Eifer, den wir für das heilige 
Reich hegen, geschehen sei, damit in ihm Friede und Ruhe 
erhalten bleiben könne und seine Stände nicht so elend ge- 
plagt und zu Grunde gerichtet würden.“ Die anfängliche 
Hoffnung auf seine Rettung entschwand aber leider bald, 
die Kugel hatte innere Teile zerrissen; qualvoll lebte er 
noch zwei Tage, ordnete gefaßt seine Angelegenheiten und 
verschied am 11. Juli früh kurz nach 8 Uhr. Sein von der 
Kugel durchbohrtes Wams, seine blutbefleckte Feldbinde 
und die tödliche Kugel bewahrt als teure Erinnerungsstücke 
an einen der wackersten sächsischen Helden das Historische 
Museum zu Dresden auf (siehe Abbildung Seite 256). Mit 
ihrem Fürsten waren zahlreiche treue Sachsen gefallen, 
fast 150 sächsische Edelleute starben den Heldentod, darunter 
Angehörige der alten rühmlichen Geschlechter Dieskau, 
Haubitz, Pflugk, Miltitz, Schleinitz und andere. Mit Moritz 
sank der größte Sohn des Hauses Wettin, ein tüchtiger 
Kriegsmann und trefflicher Regent, einer der bedeutendsten 
Fürsten seines Jahrhunderts, in ein allzufrühes Grab; sein 
Tod beendete die Siegesbahn des Protestantismus, der sich 
bünftig dem Katholizismus gegenüber in die Verteidigung 
gedrängt sah. Wenn auch in bescheideneren staatlichen Aus- 
maßen und bei geringeren Machtmitteln als bei Friedrich 
dem Großen und Napoleon zeigt sich doch auch bei Moritz 
schon der in den neueren Jahrhunderten unverkennbar aufs 
stärkste hervortretende Gewinn, der darin liegt, daß die 
oberste Heerführung und die Leitung der Politik in einer 
Hand liegen oder wenigstens Hand in Hand gehen; wie 
unheilvoll ihr Auseinanderklaffen selbst bei großartigen 
Einzelleistungen wirken muß, zeigten zu Deutschlands Fluch 
die letzten zwei Jahre deo Weltkrieges. In militärischer 
Hinsicht tritt auf das stärkste die kampfesfrohe, fast toll- 
kühne Tapferkeit, das rücksichtslose Einsetzen der eigenen 
Person hervor, das wir ebenso schon bei seiner ersten 
Kampfbeteiligung vor Pest wie noch in seinem letzten 
Kampfe finden; fast könnte es Tadel herausfordern, denn 
des obersten Heerführers und Landesherrn Pflicht kann 
nicht sein, selber Feinde zu erlegen, wenn schon die mäch- 
tige Einwirkung des persönlichen Beispiels auf die Um- 
gebung, besonders auch auf den gemeinen Soldaten nicht 
verkannt werden darf. Auch bei andern Gelegenheiten gab 
Moritz wiederholt Proben kaltblütiger Unerschrockenheit; 
mehr als einmal war sein Leben inmitten von wüsten 
Haufen Sold fordernder, meuternder Landsknechte bedroht. 
Daß aber zu dieser soldatischen Tugend des Mutes auch 
die Befähigung als Führer trat, hat er bei kleineren gut 
durchgeführten Unternehmungen, wie bei der Einnahme von 
Vitry und in den Türkenkriegen gezeigt, und die höhere 
strategische Begabung als Leiter eines großangelegten Feld- 
zugs läßt die rasche programmäßige Durchführung des 
Feldzugs gegen Karl 1552 erkennen. Nicht bloß auf die 
Kriegfuͤhrung im Felde hatte sich des Kurfürsten Moritz 
militärische Betätigung beschränkt, sondern auch für andere 
militärische Fragen hatte er Interesse; so trat er für die 
Sicherung seines Landes durch Festungsbauten ein. Er be- 
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gann 1548 mit der Einbeziehung von Altdresden (der heu- 
tigen Neustadt) in den Befestigungsgürtel der Hauptstadt; 
ihm verdankt die heutige Altstadt die Anlage des neuen 
Mauerrings nach Antwerpener und Genter Art, die er bei 
seinem Feldzuge 1843 selbst bennengelernt hatte, mit seinen 
festen und zugleich künstlerisch geschmückten, jahrhunderte- 
lang berühmten Torbauten 1846—1551; auch das Haupt- 
zeughaus (Albertinum) in Dresden und die Leipziger Be- 
festigungen unter der Leitung des Oberzeugmeisters Kaspar 
Voigt und des Leipziger Baumeisters Hieronymus Lotter 
(Pleißenburg) entstanden damals. 
Auf Moritz folgte sein jüngerer Bruder August (r# #8#3 
bis 1586), den das Volk später den „Vater August“ nannte, 
ein trockner, nüchterner, politisch und religiös mißtrauischer 
und deshalb gelegentlich selbst von Bösartigkeit nicht frei- 
zusprechender Mann mit vorwiegend wirtschaftlich prakti- 
schen Interessen. Er hat zweifellos bedeutende Verdienste 
und die innere Entwicklung Sachsens verdankt ihm (und 
teilweise auch seiner gleich gesinnten Gemahlin, der däni- 
schen Königstochter Anna, „Mutter Anna“) viel, er legte 
den Grund zu der wirtschaftlichen Blüte des Kurstaates, 
die Sachsen selbst die Nöte des Dreißigjährigen Krieges leid- 
lich überstehen ließ; aber sein Wesen und Wirken entbehrt 
bei aller Nützlichkeit jeder Größe und Genialität. Er war 
ohne militärische Neigung und Begabung, ohne staats- 
männisch weiteren Blick, ohne jedweden heroischen Zug, der 
Moritz augzeichnet, vor allem ohne die trotz gut evangelischer 
Gesinnung bei Moritz lebendige geistige Freiheit in Glaubens- 
sachen. Das Historische Museum zu Dresden besitzt schöne 
Rüstungen Augusts und, wie seine Turnierbücher zeigen, 
war er ein eifriger Lanzenbrecher im Noßturnier, aber dem 
Ernste des Kampfes hat er seine eigne Person nicht aus- 
gesetzt; unter ihm hatten seine Sachsen keine Gelegenheit, 
kriegerische Lorbeeren zu ernten. Als vorsichtiger Fürst 
förderte er die Vollendung der Dresdner und 
andrer Festungsbauten, wobei ihm besonders der 
„welsche Baumeister“ Graf Rochus von #ynar zur Seite 
stand, der kurfürstlicher Oberbaumeister und zugleich Ober- 
zeugmeister war und sich um die sächsische Artillerie durch 
den Guß neuer Geschütze verdient machte. August ließ 
interessante Schießversuche anstellen und Lynar be- 
richtete als etwas Erfreuliches, aus dem langen Stücke 
habe man 18 mal gefeuert, die 4 Drachen (Name von Ge- 
schützen) seien probeweise je 3 mal abgeschossen mit 16, 20 
und 24 Pfund Pulver und die Ladung mit 16 Pfund habe 
die beste Weitwirkung erzielt. Der einzige bemerkenswerte 
Feldzug Augusts war die Vollstreckung der Reichsacht gegen 
Herzog Johann Friedrich den Mittleren von Sachsen und 
seine Genossen Wilhelm von Grumbach, Mandelsloh und 
andere in Gotha, die sogenannte Grumbachsche Fehde. 
Gotha und sein festes Schloß, der Grimmenstein, 
fielen nach tapferer Gegenwehr vom Dezember 1966 bis 
April 1567 in die Hände der überlegenen Belagerer, und 
August befleckte den militärisch nicht allzu rühmlichen Sieg 
durch die scheußliche Hinrichtung der Hauptführer der Gegen- 
partei. 1586 folgte ihm sein Sohn Christian I., ein ge- 
rader, ehrlicher Charakter ohne des Vaters religiöse Eng- 
herzigkeit, ein Freund ritterlicher Kampfspiele und mit 
soldatischen Neigungen, mehr seinem großen Oheim nach- 
artend. Unter ihm tritt zum ersten Male im sächsischen 
Heere der Name einer späteren rühmlichen Truppe auf, der 
Karabiniers, die 1500 als besondere adelige Leibwache 
zu Roß formiert, aber nach seinem Tode aufgelöst wurden; 
die Festungsbauten zu Dresden und am König- 
stein wurden fortgesetzt und erweitert, die Jungfernbastei 
(die spätere Brühlsche Terrasse) errichtet, auch zur Siche- 
rung der Verteidigung der Hauptfestung Dresden 1588 
eine genaue Musterung der streitbaren Mannschaft durch- 
geführt und Getreidemagazine angelegt. An Kriegen nahm 
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