Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

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unter ihm Sachsen ebensowenig, wie unter seinem Sohne 
Christian II. (1591—1611), der erst 1601 selbst die Regie- 
rung übernahm, teil, obwohl bereits in seinen letzten Jahren 
die politische und religiöse Spannung zwischen den Mächte- 
gruppen im Reiche, den katholischen, protestantischen und 
reformierten Reichsständen, sich immer bedrohlicher ge- 
  
Grabdenkmal des Kurfürsten Christian I. von Sachsen im Dom zu 
« Freiberg 
staltete, von denen die Reformierten und ein Teil der 
Protestanten sich 1608 unter der Führung von Kurpfalz 
zur „Union“ mit defensiven Zielen zusammenschlossen, wäh-— 
refid die Mehrzahl der Katholiken sich in der „Liga“ 1609 
vereinigte. Diese gewitterschwüle Atmosphäre führte in ver- 
schiedenen Gebieten zu Versuchen besserer Ausgestal- 
tung der heimischen Wehrkraft, um nicht lediglich 
auf Soöldnertruppen angewiesen zu sein. 
Söldnerwesen. Defensionswerk 
Bereits für das 14. Jahrhundert ist darauf hingewiesen 
worden, daß auch die Wettiner neben ihrem Vasallen- 
aufgebot und der Landfolge kleine Söldnertrupps 
für besondere Kriegsfälle in Dienst nahmen. Im 15. Jahr- 
bundert steigerte sich die Notwendigkeit der Söldnerheere 
immer mehr und der Soldmangel schädigte manche Unter- 
nehmung und vereitelte mehr als einmal eine kräftige 
äußere Politik Sachsens; im Bruderkriege spielten die Söld- 
ner eine Hauptrolle, die niederländisch-friesischen Kämpfe 
Albrechts wurden vorwiegend mit Söldnern geführt und 
Albrecht mußte wiederholt die Unzuverlässigkeit dieser kost- 
spieligen und schwierig zu behandelnden Truppen kennen 
lernen, ebenso wie sein großer Enkel Moritz, dem sogar 
ihr unbotmäßiger wilder Trotz gefährlich wurde. Die zu- 
nehmende Entwöhnung des Adels vom ernsten Reiterdienste, 
sowie die der Städte, deren Wehrhaftigkeit höchsteno noch 
für die Bewachung und Verteidigung ihrer Mauern mit 
in Betracht kam, vom Waffendienst im Felde als Fußpvolk 
nötigten an Ersatz zu denken, um nicht ausschließlich auf 
die Söldner angewiesen zu sein und von deren Laune, Will- 
kür und unverschämten Forderungen abzuhängen, die sie 
ihrem Herren gerade in schweren Notlagen abzutrotzen 
pflegten, wo er sie nicht entbehren konnte. Man griff des- 
halb auf die alte Wehrpflicht des Volkes zurück und 
errichtete Defensionswerke, die ersten schon zu Beginn 
des 17. Jahrhunderts, in Sachsen und Brandenburg 1613. 
Fast überall sind es die Landesherrn, die diese An- 
gelegenheit betreiben, die geldbewilligenden Stände sind 
meist das hemmende oder herabmindernde Element. Die 
Anregung in Sachsen erfolgte bereits 1600 unter Kurfürst 
Christian II. Der Oberst Centurius Pflugk arbeitete 
verschiedene Entwürfe aus, aber erst unter Johann Georg I. 
(lô##—165) bewilligten die Stände auf dem Torgauer 
Landtage das Defensionswerk mit 13000 Mann; 
doch blieb die Verpflichtung zum allgemeinen Aufgebot be- 
stehen, jeder Gutsherr, Amtsvorsteher usw. soll seine Unter- 
tanen „mit Wehren also gefast halten, das auff Erfordern 
ihr zum persönlichen Zuzug wohlgerüst erscheinen und euer 
geliebtes Vaterland mit Ruhm defendiren möget“. 
Das Defensionswerk. knüpfte an Vorhandenes an, sein 
Bestand sollte ein Ausschuß der gesamten Wehrpflichtigen 
des Landes sein; die 9360 Mann Fußvolk waren der 
zehnte Teil der ganzen wehrhaften Mannschaft der Städte 
und Dörfer in 18 Fähnlein zu je 520 Mann. Zwei Fähn- 
lein wurden der Festung Dresden zugewiesen, die 16 an- 
deren in 2 Regimenter mit je 4160 Mann zu je 8 Kom- 
pagnien gegliedert, die nach den Kreisen oder Quartier= 
städten benannt waren, zum Beispiel das Meißnische, Hay- 
nische (das heißt Großenhainer) und andere Fähndel oder 
Kompagnie. Des Obersten eignes Fähnlein hieß die Leib- 
fabne; jedes Regiment besaß 1 Obersten, 1 Oberstleutnant, 
die zugleich je eine Kompagnie führten, 6 Hauptleute, dazu 
Wach-, Quartier-, Wagenmeister, Auditeur, Sekretär usw. 
Jede Kompagnie besaß 1 Hauptmann, 1 Fähnrich, 1 Leut- 
nant, 8 Unteroffiziere, 10 Trommler und Pfeifer, 10 Ron- 
dassierer mit Hellebarde und bleinem runden Stahlschild 
(rond acier), die als Handgranatenwerfer dienten, 45 Helle- 
bardiere mit Harnisch, Sturmhaube und Hellebarde, 210 
Langspießer (Pikeniere) mit Harnisch, Sturmhaube und 
langem Spieß, 255 Musketiere mit Luntenmuskete nebst 
Gabel, Bandelier und Munition. Außerdem gehörten zu 
jedem Regiment etwa 750 Schanzgräber, die die Grafen 
und Herren und der Adel stellten. Die beiden Dresdner 
Festungsfähnlein dienten auch mit zur Besetzung Freibergs 
und der Erzgebirgspässe; in Dresden kamen noch die schon 
vorher bestehenden Bürgerfahnen unter ihren eignen Offi- 
zieren hinzu mit 2570 Mann aus der Festung Dresden 
(das heißt der Altstadt), den Vorstädten und Altdresden 
(der Neustadt), und 61 Büchsenmeister. Die Waffen lieferten 
die Städte und Amter, oft durch Vermittlung des kurfürst- 
lichen Zeughauses; Munition gab unentgeltlich das Zeug- 
haus, eine einheitliche Uniform wurde angestrebt: grauer 
Nock mit roten Aufschlägen, kurze Hose von Tuch oder 
Leder, rote Strümpfe, runder, schwarzer Hut mit gelbem 
Band. Die Ausbildung erfolgte gruppenweise an bestimmten 
Exerziertagen; für sie und für die Musterungstage wurde 
Auslösung gewährt. Die Aushebung erfolgte durch das 
Los, die Dienstpflicht des Gelosten dauerte so lange, wie 
seine Diesttauglichkeit. 
Die Reiterei des Defensionswerkes bildeten die Nitter= 
pferde des mittelalterlichen Lehnwesens; insgesamt für das 
ganze Kurfürstentum etwa 1600 Ritterpferde, eingeteilt in 
2 Regimenter zu je 6 Kornets oder Fähndel. Die Mann- 
schaft bestand aus den Adligen mit ihren Knechten; auch
	        
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