Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

Augusts und seines neugeschaffenen und neuausgebildeten 
sächsischen Heeres nichts mit unmittelbarer Beteiligung der 
Sachsen an Feldzügen zu tun hat, erschien es doch not- 
wendig, gerade diese militärische Reformarbeit, die viel 
zu wenig bekannt und gewürdigt ist und die doch den 
Grund legte zu der späteren kriegerischen Tüchtigkeit des 
sächsischen Heeres, in Kürze mit zu betrachten, auch mit 
um ein gerechteres Urteil über diesen Fürsien zu ermög- 
lichen, der neben unleugbaren Schwächen und Fehlern auch 
in hohem Maße Eigenschaften und Interessen besaß, die 
sein Andenken gerade in Soldatenkreisen ehrenvoll lebendig 
erhalten müssen. 
Als August der Starke am 1. Februar 1733 in Warschau 
starb, hinterließ er seinem Sohne ein Heer, das wohl an 
Jahl, kaum aber an Güte dem preußischen nachstand; trotz 
der riesigen Geldausgaben, die seine glanzvolle, luxus- 
liebende Hofhaltung und seine kostspieligen persönlichen 
Neigungen verursachten, war Sachsen dank seiner wirt- 
schaftlichen Blüte in der Lage, auch diese beträchtlichen 
Militärlasten zu tragen. Erst die Unfähigkeit des Nach- 
folgers Friedrich August II., als König von Polen 
August III. (1733—1763), und seiner Minister ließ 
dieses brauchbare Werkzeug zur Wahrung und Sicherung 
von Sachsens Bedeutung in Deutschland im Laufe der 
nächsten zwanzig Jahre elend verkümmern. 
Graf Moritz von Sachsen. 
Der Gedanke der allgemeinen Wehrpflicht 
Wir können aber nicht von August dem Starken scheiden, 
ohne noch eines ihm nahestehenden Mannes zu gedenken, 
des Sachsen, der im 18. Jahrhundert den sächsischen Namen 
in militärischer Hinsicht zum höchsten Ruhme bringen sollte: 
seines Sohnes Moritz. Augusts einziger Sehn aus seiner 
Ehe mit Christiane Eberhardine von Balreuth, der regierende 
Kurfürst, war dem Vater geistig so unähnlich wie nur 
möglich; ein um so treueres Ebenbild des Königs war da- 
für sein Sohn auo seiner Verbindung mit der schönen 
Gräfin Aurora Lon Königsmark: Moritz Graf von 
Sachsen, berühmt unter dem Namen des Marschalls 
Moritz. Moralisch mit denselben Fehlern der Zügellosigkeit 
und Genußsucht behaftet, hatte er auch seines Vaters Körper 
und Geist geerbt; begabt mit stattlicher Körperkraft, ein 
unerschrockener Solde“ von größter persönlicher Tapferkeit, 
die gelegentlich an Tollkühnheit grenzte, erfüllt von leb- 
haftestem Interesse für alles Militärische, aber kein bloßer 
Haudegen, sondern ein denkender Offizier, ein Mann von 
selbständigem Blick und Urteil, ein hervorragender Feldherr, 
der vor seinem Vater das Glück und das Geschick voraus- 
hatte, in allen seinen Schlachten Sieger zu sein: so er- 
scheint uns Moritz. Bereits in früher Jugend, als zwölf- 
jähriger Knabe, nahm er an den Kämpfen der sächsischen 
Truppen in den Niederlanden und Nordfrankreich teil, so 
bei Lle 1708, auch am Feldzug in Pommern, trat aber 
1720, da die lange Ruhepause im sächsischen Dienst ihm 
zu wenig Gelegenheit zur Befriedigung seines Ehrgeizes 
bot, in französische Dienste, wo er bald Marschall (maröchal 
de camp, etwa unserm Generalmajorsgrad entsprechend), 
1744 Marschall von Frankreich und 1747 General- 
marschall aller Armeen wurde. 
Im Oezember 1732 erkrankt, schrieb er nach seiner 
eignen Auosage in dreizehn schlaflosen Nächten das geniale 
Werk nieder, das seinem Namen unter den kriegswissen- 
schaftlichen Schriftstellern einen Ehrenplatz verschaffte und 
bei so bedeutenden Beurteilern, wie Friedrich dem Großen, 
dem Prinzen von Ligne, dem Grafen Vorck von Warten- 
burg, hohe Anerkennung fand. Eine Fülle von Ideen 
mutet ganz neuzeitlich an und manches ist teilweise in 
neuester Zeit wieder erneut zur Geltung gekommen, so die 
Verwendung von spanischen Reitern und Erdsäcken im 
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Feldkriege und die stärkere Ausnützung der Feldartillerie; 
die Stellen über die Zugänglichmachung der Offizierslauf= 
bahn für Nichtadelige, die Einrichtung von Militärbiblio- 
theken, die Bekämpfung des Duellmißbrauchs, die Wert- 
schätzung kirchlicher Gebräuche im Heere, zeugen gleichfalls 
von seiner Vielseitigkeit und selbständigen Denkweise. 
„Meine Träumereien oder Abhandlung über die 
Kriegskunst“ betitelte er sein Werk, das natürlich nicht 
in jener kurzen Zeitspanne geistig erzeugt wurde, sondern 
dessen Probleme ihn seit Jahren beschäftigten; nur der 
schriftliche Niederschlag seiner Gedankenarbeit verdankte 
jener unfreiwilligen Mußt seine rasche Entstehung. Das 
  
Graf Moritz von Sachsen 
erste Kapitel des ersten Buches handelt: Über die Art, 
Truppen auszuheben, sie zu bekleiden, zu unterhalten, zu 
bezahlen, einzuüben und für den Kampf zu schulen, und 
in dessen erstem Abschnitt äußert er sich nun, nachdem er 
die in seiner Zeit üblichen Rekrutierungsarten verurteilt 
hat, in der folgenden Weise über die Vorzüge der all- 
gemeinen Wehrpflicht: „Würde es nicht besser sein, durch 
ein Gesetz anzuordnen, daß jeder Mann, von welchem 
Stande er auch wäre, verpflichtet sei, seinem Fürsten und 
seinem Vaterlande während fünf Jahren zu dienen? Dieses 
Gesetz würde nicht gemißbilligt werden bönnen, weil es 
naturgemäß und gerecht ist, daß die Bürger zur Ver- 
teidigung des Staates verwandt werden. Wenn man sie 
zwischen dem 20. und dem Jo. Jahre auswählt, würde 
das keinerlei Unzuträglichkeit mit sich bringen. Es sind 
dies die Jahre der Ungebundenheit, in denen die Jugend 
ihr Glück machen will, sich im Lande umsieht und den 
Eltern wenig Unterstützung gewährt. Das würde auch 
keine öffentliche Bekümmernis verursachen, weil jeder sicher 
sein würde, nach Ablauf der fünf Jahre seinen Abschied 
zu erhalten. Diese Art der Truppenaushebung würde einen 
unerschöpflichen festen Bestand von schönen und guten 
Rekruten ergeben, die nicht der Gefahr der Desertion aus- 
gesetzt wären. In der Folgezeit würde man es sich sogar 
alo Ehre und Pflicht anrechnen, seine Zeit zu dienen. Aber 
um so weit zu kommen, wäre es notwendig, keinen Stand
	        
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