Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

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davon auszunehmen, in diesem Punkte streng zu sein und 
darauf zu halten, daß dieses Gesetz vorzugsweise auf die 
Edelleute und die Reichen Anwendung fände; niemand 
würde darüber murren; dann würden die, welche ihre Zeit 
gedient hätten, mit Geringschätzung auf die berabsehen, die 
dem Gesetz zuwiderhandelten, und ganz unmerklich würde 
es zu einer Ehre werden, zu dienen: der arme Bürger 
würde sich trösten können mit dem Beispiele des reichen, 
und dieser wieder würde nicht wagen, sich zu beklagen, 
wenn er auch den Adligen dienen sähe. Der Krieg ist eine 
ehrenvolle Tätigkeit. Wie viele Fürsten haben die Muskete 
getragen!“ 
Das Hauptgewicht ist also auf die völlige Ausnahms- 
losigbeit gelegt; bein Stand soll befreit sein. Dieser Stand- 
punkt ist der Grundpfeiler der allgemeinen Wehrpflicht. 
Dienstpflicht hatte es in gewissem Sinne zuch noch im 
16. bis 18. Jahrhundert gegeben, die Lehnsfolge der Va- 
sallen war nie aufgehoben, die übrigen Einwohner waren 
teilweise zum Dienst bei den Defensionern, bei Schützen- 
kompagnien und andern Einrichtungen verpflichtet. Aber 
nirgends gab es eine Organisation, die alle Bevölkerungs- 
kreise gleichmäßig umfaßte und erfaßte, die dem An- 
gehörigen der oberen Gesellschaftsschichten und dem Reichen 
es unmöglich machte, sich dem Dienste des Vaterlandes zu 
entziehen. Mit seiner eignen Person sollte jeder einstehen; 
verständnisvoll betont Moritz dabei, daß dann keiner mehr 
Anlaß habe, sich beschwert zu fühlen; gleiches Recht für 
alle war sein Grundsatz. Besonderes Feingefühl verrät der 
Hinweis, wie der anfängliche Zwang sich bald zur Ebren- 
sache herausbilden werde. Die Entwicklung im 19. Jahr- 
hundert hat ihm durchaus recht gegeben, wenn er sagte, 
daß der gediente Mann sich dem ungedienten überlegen vor- 
kommen werde, eine Wahrnehmung, die man besonders auf 
dem Lande stets machen kann; denn nicht bloß in seinen 
eignen Augen fühlt sich der ehemalige Soldat, „der Re- 
servemann, der treu gedient hat seine Zeit“, herausgehoben 
aus der übrigen Bevölkerung, sondern auch in den Augen 
jener andern selbst, vor allem der Frauen und Mädchen. 
Mit dem Begriff des Nichtgedienthabens verbindet sich ja 
leicht und unwillkürlich, besonders im Gedankengang der 
einfachen Leute, die leise Vorstellung, daß da etwas nicht 
recht in Ordnung sein müsse, mag es nun in gesundheit- 
licher oder anderer Hinsicht sein. 
Moritz war aber nicht nur ein selbständiger Beurteiler 
militärischer Fragen und ein geistvoller Schriftsteller, son- 
dern bewies seine kriegerische Befähigung auch praktisch 
in der besten und wirksamsten Weise, im Kriege und auf 
dem Schlachtfeld. Die glänzendsten Siege, die das damals 
mit Friedrich dem. Großen gegen England und Österreich 
verbündete Frankreich im ganzen 18. Jahrhundert errang, 
sind an seinen Namen geknüpft: Fontenon 1745, Raucour 
1746, Laffeld 1747. Auch die Einnahme zahlreicher fester 
Plätze (Tournai, Gent, Audenarde, Ostende, Brügge, Namur, 
Antwerpen, Bergen op Joom) gelang unter Moritzens 
Oberbefehl und die Statthalterschaft der Niederlande mit 
dem Sitz in Brüssel bildete 1743 den Abschluß dieses 
Wirkens. Näher ist hier auf diese Kämpfe nicht einzugehen, 
da es nicht sächsische Truppen waren, die sie ausfochten; 
unvergessen aber in der sächsischen Kriegsgeschichte soll es 
bleiben, daß ein Sachse es war, der zielbewußt vor Scharn- 
borst und vor dem Grafen Wilhelm von Schaumburg- 
Lippe für die allgemeine Wehrpflicht eintrat, und daß der- 
selbe Sachse einer der glänzendsten Heerführer seines Jahr- 
bunderts wurde, dem selbst ein Friedrich der Große höchste 
Anerkennung zollte; als Moritz 1750 starb, ehrte er ihn 
durch eine berühmte Ode, wie alle Dichnngen Friedrichs 
in französischer Sprache, die mit den Worten beginnt: 
„Er ist nicht mehr, dieser Sachse, der Held .. der das 
Gleichgewicht des hochmütigen Engländers erschütterte, der 
den erschreckten Belgier in seinen Schilfniederungen be- 
- 
Der polnische Thronfolgekrieg 
In den ersten Regierungsjahren von Augusts des Starken 
Nachfolger August III. überwog in der Leitung der sächsi- 
schen Staatsgeschäfte noch nicht der Einfluß des persönlich 
trotz boher Militärwürden unkriegerischen Premierministers 
Grafen Brühl, sondern der des alten Feldmarschalls Grafen 
Wackerbarth (der aber schon 1734 starb) und des Grafen 
Alerander Joseph Sulkowoki, der als General unbedeutend 
war, aber doch genügendes Interesse für das Militärwesen 
besaß, um die sehönen Ergebnisse der Ausbildungstätigkeit 
Augusts des Starken nicht zu verwahrlosen; auch trug der 
alobald ausbrechende Kampf um die polnische Thronfolge, 
den August IlII. gegen seinen Nebenbuhler Stanislaus 
Leozezynski und dessen Schützer, die Franzosen, führte, 
dazu bei, demn sächsischen Heere die gebührende Beachtung 
zu sichern. Die sächsischen Truppen in Polen befehligten 
Herzog Johann Adolf II. von Sachsen-Weißen- 
fels und Graf Baudissin. Zu größeren Schlachten 
kam es zunächst nicht; die Entscheidung drängte sich um 
Danzig zusammen, worin Stanislaus mit einem Teile 
seiner Anhänger und geringer französischer Unterstützung 
sich festgesetzt hatte. Seit Februar 1734 belagerte ihn hier 
ein schwaches russisches Heer unter General Lacy, dann 
unter Feldmarschall Münnich mit wenig Erfolg; ein Sturm 
auf den Hagelsberg am 9. Mai, um die Stadt vor dem 
Eintreffen der Sachsen allein zu erobern, brachte den 
Russen eine schwere Niederlage und große Verluste. Die 
Heranbringung schwerer Artillerie aus Sachsen und die 
Verstärkung der Belagerer durch die sächsischen Truppen 
ermöglichten einen besseren Fortgang der Kämpfe, auch 
russische Verstärkungen kamen heran. Die Sachsen, acht 
Bataillone Infanterie und 21 Schwadronen Kavallerie, 
lagerten westlich der Stadt bei Oliva und Langfuhr. Weißen= 
fels führte die Einschließung energisch durch und ver- 
schärfte die Beschießung; eine russische Flotte sperrte die 
Verbindung mit der Ostsee. Am 24. Jum ergaben sich die 
Franzosen in Fahrtasser und die Besatzung der Hafen- 
festung Weichselmünde an die Russen und Sachsen; Sta- 
nislaus floh nächtlich aus Danzig, das am gH. Juli kapitu- 
lierte und August als König huldigte. 
Im Jahre 17385 hatten kleinere sächsische Truppenkörper 
in Polen wiederholt durch Uberfälle und Einschließungen 
seitens größerer Scharen von Anhängern des Gegenkönigs 
zu leiden, erwehrten sich ihrer aber aufs tapferste und mit 
großem Verlust der Polen, so am 10. und 18. Februar 
bei Konopnice, wo der Major O Byrn mit Promntitz- 
Kürassieren, und bei Warta (zwischen Kalisch und Lodz), 
wo Generalleutnant von Birkholz und unter ihm besonders 
Oberstleutnant von Maffey mit Chevalier-de-Sare-Dra- 
gonern sich sehr wacker schlugen. Rühmlich war auch die 
Verteidigung von 260 Mann des Iufanterieregiments 
Nochow unter Major von Watzdorf im Schlosse zu Karge 
(das ist Unruhstadt südwestlich von Posen) am F*. und 
6. März gegen eine Übermacht von mehreren tausend Polen; 
zwei Tage hielt sich die kleine Schar gegen alle Angriffe 
und schließlich mußten ihr die Polen freien Abzug mit 
klingendem Spiel gestatten. Eine gemischte Abteilung von 
400 Sachsen und 250 Russen unter dem Generalmajor 
von Spybilski schlug und zersprengte einen polnischen Haufen 
von fast 8o0o Mann am 20. März bei Lissa (in der Pro- 
vinz Posen). Gleichzeitig nahmen am Rheinfeldzug 
des Reichsheeres gegen Frankreich auch Sachsen unter 
dem Generalleutnant Freiherrn von Friesen teil und be- 
währten ihren alten Ruf, doch verlief der Feldzug ohne 
wesentliche Erfolge und wurde durch den Wiener Vertrag 
im Oktober 17338 beendet, der Augusts III. polnisches König- 
tum sicherte.
	        
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