Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

Der Türkenkrieg 1737—1739. 
Noch einmal sollten aber im 18. Jahrhundert die Sachsen 
auch gegen einen Feind ins Feld rücken, dem sie schon 
wiederholt seit Moritzens Feldzug von 1543 entgegengetreten 
waren: den Türben; denn seit 1736 focht ein sächsisches 
Hilfskorps zusammen mit den Österreichern auf dem ser- 
bischen Kriegsschauplatz. Seit dem Frieden von 
Passarowitz 1718 besaßen die Österreicher einen Teil Ser- 
biens und der Walachei mit den Festungen Belgrad und 
Orsova; 1737 drangen sie zuerst siegreich vor und eroberten 
Nisch. Die 8000 Sachsen unter dem Oberbefehl des Grafen 
August Joseph Sulkowski, die großenteils auf monate- 
langen, erschöpfenden Märschen durch Mähren und Ungarn 
bis Semlin gelangt waren, wurden außser zwei in Belgrad 
bleibenden Regimentern dem Korps des Feldmarschalls 
Grafen Khevenhüller zugeteilt, das die Festung Widdin 
an der Donau erobern sollte. Ernährungsschwierigkeiten 
und Krankheiten schwächten aber das christliche Heer, Un- 
geschicklichkeit der obersten Führung lähmte die Tatkraft 
und rechte Verwendbarkeit der Truppen, die sich vor den 
rührigen, kräftig andrängenden Türken über den Timok, 
der nördlich von Widdin der Donau zufließt, zurückzogen. 
Hier bei Radujewatz, nahe der TDimokmündung, wollte 
Khevenhüller standhalten, und die sächsischen Regimenter 
Nochow-Infanterie und Haxthausen-Grenadiere unter Oberst 
von Helffreich waren am 28. September beordert, den 
llbergang der Türken an der Mündung selbst zu hindern. 
Vier Stunden hielten diese Mannschaften, die die Schiff- 
brücke der Türken glücklich zerstört hatten, stand, bis sie 
von der Ubermacht auf mehreren Seiten bedroht, den schon 
sehr gefährdeten Rückmarsch zum Hauptheere bewerk- 
stelligten. Die sich bald nach dem Flußübergang der Türken 
entspinnende Schlacht am Timok brachte diesen zwar 
keinen Sieg, aber Khevenhüller wagte es dennoch nicht, das 
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Lager von Radujewatz zu behaupten. Beim Abmarsch nord- 
wärts nach Orsova deckten die Sachsen unter dem Befehle 
des Generals Grafen Friedrich August Rutowok(eines 
Sohnes Augusts des Starken) als Arrieregarde den Rück- 
zug, Sulkowski war vorher heimgekehrt. Trotdem ihr Be- 
stand auf weniger als die Hälfte zurückgegangen war, 
schlugen sie die ungestim zur Verfolgung sich anschickenden 
Türken bei Praovo (närdlich von Negotin) am 29. Sep- 
tember braftvoll zurück, wobei die schwache sächsische Ar- 
tillerie brav ihre Schuldigkeit tat; der österreichischen Armee 
wurde dadurch die Möglichkeit weiteren gesicherten Rück- 
marsches gewährt, da die Türken seitdem sich vorsichtiger 
zurückhielten. Viele Offiziere und Mannschaften erlagen 
dann noch den durch schlechte Verpflegung und Unter- 
bringung überhandnehmenden Seuchen, bis Rutowolk sein 
Korps nach Ungarn in die Winterquartiere bei Kaschau 
führte. Im folgenden Jahre 1738 war die kriegerische 
Tätigkeit des wiederhergestellten sächsischen Hilfskorps ge- 
ring. Die Österreicher hatten ganz Serbien aufgeben müssen, 
nur Belgrad wurde noch behauptet; beim glücklichen Ent- 
satz der Festung Racsa (am linken Saveufer, westlich 
von Mitrovitza) wirkten am 17. Oktober 1738 auch Sach- 
sen mit, bezogen aber dann Winterquartiere nordöstlich von 
Preßburg. Auch der Feldzug von 1730 verlief ohne Er- 
folge, Osterreich verlor durch die Unfähigkeit seiner Heer- 
führer, der Grafen Wallis und Neipperg, selbst Belgrad 
und ruhmlos kehrten trotz ihrer Pflichterfüllung die Sach- 
sen vom ungarischen Kriegsschauplatze, der früher Zeuge 
mancher schönen Erfolge gewesen war, zu Beginn des 
Jahres 1740 heim, des Jahres, das bestimmt war, einen 
Wendepunkt in den Geschicken Mitteleuropas herbeizuführen 
durch die Thronbesteigung des Königs Friedrich II., des 
Großen, von Preußen, einen Wendepunkt auch in der 
Machtstellung Sachsens innerhalb Deutschlands. 
Die Sachsen in früheren Kriegen 
von 1740 bis 1871 
Die Schlesischen Kriege 
In kunstvollem Ränkespiel, mit allen Kniffen fein- 
berechnender Staatskunst hatte Kaiser Karl VI. versucht, 
seiner Tochter Maria Theresia durch eine Reihe offener 
Verträge und heimlicher Abmachungen, die man unter 
dem Namen der pragmatischen Sanktion zusammenfaßt, 
die Nachfolge in den habsburgischen Ländern ohne Kampf 
zu sichern. Als er aber am 20. Oktober 1740 kummervoll 
die Augen schloß, da zeigte es sich wieder einmal, daß 
große Fragen letzten Endes nicht am grünen Tisch, sondern 
auf blutigem Nasen entschieden werden. Ein gewaltiges 
Ringen begann. Die jugendschöne Fürstin mußte um ihr 
Gesamterbe, zugleich aber auch um ein wertvolles Einzel- 
stück daraus, Schlesien, viele Jahre lang kämpfen. 
Am letzten Maitage des gleichen Jahres hatte auch Fried- 
rich Wilhelm von Preußen sein an Bitternissen wie an 
harter Arbeit reiches Leben beschlossen. „Hier steht einer, 
der mich rächen wird!“ hatte er einst, vergrämt über 
kaiserliche Unbill, ausgerufen. Nun trat dieser Rächer, 
Friedrich II., kampflustig und entschlossen an die Spitze 
eines wohlgeordneten Staates und sorgsam ausgerüsteten, 
zuchtgewohnten Heeres. Der Tod des Koaisers brachte ihm 
bald den erlauerten günstigen Augenblick zum Losschlagen. 
Auch in Warschau, am kursächsisch-königlich polnischen 
Hofe, hielt man die Zeit für reif zu gewaltigen Plänen. 
Wie in Potsdam sah man auch hier brennenden Auges 
auf Schlesien, das Polen und die sächsischen Stammlande 
verbinden sollte zu einem großen, machtvollen Staate. 
Sachsen in großer Zeit. Band 11I 
Allein, was König Friedrichs Stärke war, was ihm frohe 
Zuversicht und hohes Selbstvertrauen gab, Ordnung und 
Zucht, daran fehlte es dem Grafen Brühl. Die Geldwirt- 
schaft war zerrüttet, das Heer den Großmachtsplänen nicht 
gewachsen. So mußte denn eine verzwickte Bündnisbünste- 
lei ohne Treue und Klarheit aushelfen. Die bommenden 
Jahre lassen Sachsen aus einem Lager ins andere gehen, 
der Feind von gestern wurde der Verbündete von heute 
und drohte bereits wieder als Gegner des nächsten Kampfes. 
In der Unklarheit lag die Stärke; und man sieht mit 
Staunen, wie geschickt, wie ausdauernd und unermüdlich, 
wie zielbewußt trotz allen Mißgeschicks und wie gewissen- 
los Graf Brühl jahrzehntelang nach solchen Grundsätzen 
den sächsischen Staat leitete. Daß schließlich einmal das 
auf Arglist, halbgehaltenen Versprechungen und völliger 
Untreue aufgebaute Luftschloß zusammenbrechen mußte, 
kümmerte den Minister wenig. Für ihn war die Staats- 
kunst ein Wagespiel wie jeder Waffengang, man konnte 
verlieren, man konnte aber auch Unmeßbares gewinnen, 
für sich und sehließlich auch für das Land. 
So hebt für das Werkzeug einer solchen Staatskunst, 
das kursächsische Heer, eine Zeit an, die reich an Last 
und Mühe, arm an Freude und Ruhm werden mußte. 
Für wen und warum man focht, das wußte kaum der 
Führer, geschweige denn der Soldat. Bald ging es mit 
dem Franzmann gegen die Weißröcke Habsburgs, bald 
mit den Kroaten gegen König Friedrich, bald mit den 
blauen Preußen vereint wider den Doppeladler. Die Freudig- 
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