Ansicht waren, daß der König inmitten der französischen
Umgebung nicht freier Herr seines Willens sei, glaubten
am richtigsten zu handeln, wenn sie sich von der verlorenen
Sache trennten und hierdurch die Reste der Armee dem
Vaterlande zu erhalten suchten.“ Gegen 4 Uhr führte Oberst
Naabe die gesamte Artillerie, 38 Geschütze, General von
Ryssel die Infanterie zu den Verbündeten hinüber. Vergeb-
lich suchte Reynier selbst sie einzuholen, ein wütendes Ge-
schützfeuer der Division Durutte, mit der sie so lange zu-
sammen im Felde gestanden hatten, folgte ihnen. Die fran-
Johann Adolf von Zezschwitz, geb. 1770, gest. 1845
zösische Kavallerie, die hinter ihnen aufgestellt war, hielt
das Davonjagen der Artillerie und den Abmarsch der In-
fanterie im Laufschritte für einen Angriff und begleitete
die Bewegung mit einem lauten „Vive l’empereur!“
Die Ubergegangenen wurden nach Engelsdorf geführt, an
dem Kampfe nahmen sie nicht mehr teil.
Zeschau gelang es, 24 Offiziere und 303 Mann der Bri-
gade Brause zurückzubehalten und nach Leipzig zu führen.
Im ganzen hatten etwa 4200 Mann zu Fuß und zu
Pferd die Franzosen verlassen. Auf den Gang der Schlacht
hatte das keinen Einfluß mehr. Als Napoleon in Leipzig
dem sächsischen Major von Odeleben erzürnt von Verrat
und Treubruch sprach, antwortete dieser: „Ich will das
Benehmen nicht im geringsten entschuldigen. Aber die fran-
zösischen Soldaten haben sich fast ohne Ausnahme so be-
tragen, daß die ganze Nation ihnen feindlich gesinnt war.
Der Soldat nun, der das Unglück seiner Landsleute vor
Augen hat, läßt sich nicht immer von der Vernunft leiten
und hat sich den Gefühlen der Nache gegen Ihre Armee
bingegeben,“ und der Kaiser schwieg zu dieser treffenden
Antwort. — -
Das II. Bataillon Leibgrenadiergarde war unter Major
Dreßler von Scharffenstein bei der Großen Armee geblieben
und hatte während der Schlacht von Dresden in der Stadt
Wachtdienst getan. Dann hatte es, seit 19. September mit dem
aus Torgau zurückgekommenen I. Bataillon verschmolzen,
den Marsch nach Leipzig mitgemacht und am 18. Oktober
bei Probstheida gestanden. Als der Kaiser sich am 19. vom
Könige im Thomäschen Hause am Markte verabschiedet
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hatte, ritt er an das Bataillon heran und rief ihm zu:
„Gardez bien votre roil“ (Schützt Euern König gutt),
dann wandte er sich an den Reihen der von Zeschau herein-
geführten Soldaten entlang der Hainstraße zu. Das war
sein Abschied von den Sachsen. —
Die Kürassierbrigade, während des Waffenstillstands auf
1300 Mann angewachsen, war mit dem I. Kavalleriekorp#
Latour-Maubourg am 26. August nach gewaltigen Märschen
am Ostragehege in Dresden angelangt. Am folgenden Tage
konnte sie bei strömendem Regen auf den Höhen von Gorbitz
bei der Gefangennahme der Division Mesko mitwirken. König
Murat führte sie dabei selbst. Bei den Verfolgungskämpfen
kamen die Reiter bis Olbernhau, zogen dann nach Görlitz,
dann in die Laubegaster, später in die Grosienhainer, Ende Sep-
tember in die Leipziger Gegend. Während der großen Reiter-
kämpfe bei Wachau gelang es ihnen, in eine russische Batterie
einzudringen. Am 10. Oktober wurden sie, nur noch 200 Mann
stark, in Markranstädt von Napoleon selbst entlassen.
Nach der Leipziger Schlacht wurden die Trümmer des
sächsischen Heeres unter General von Nyssel gesammelt und
zur Belagerung von Torgau verwendet (2.—14. November),
dann bei Merseburg zur Neubildung untergebracht.
Generalleutnant von Thielmann, ein glänzender Soldat,
aber ein vielumstrittener Mann, der im Mai seinen Befehl
in Torgau niedergelegt hatte und in russische Dienste ge-
treten war, wurde von den Verbündeten mit der Neu-
bildung der sächsischen Streitmacht beauftragt. Am 28. Ok-
tober in Leipzig eingetroffen, ging er sofort mit all seiner
Tatkraft und Rücksichtslosigkeit ans Werk. Am 12. De-
zember bereits glaubte er an den Rbein abmarschieren zu
bönnen. Neue Pläne verzögerten aber den Abmarsch, die
Sachsen wurden dem neugebildeten III. deutschen Armeekorps
zugeteilt und zunächst am 18. Dezember in die Querfurter
Gegend verlegt. Am 20. Dezember übernahm Herzog Karl
August von Weimar, der Schützer Goethes, den Oberbefehl;
Chef des Quartiermeisterstabes wurde der früher sächsische,
nun russische Oberstleutnant Aster.
Gleichzeitig errichtet wurde eine Landwehr aus waffen-
fähigen Leuten zwischen 18 und 45 Jahren unter General
von Vieth und ein „Banner der freiwilligen Sachsen“,
Jäger und Bannerhusaren, die sich selbst ausrüsten mußten,
bewaffnen und beritten machen sollten. Von dem Banner,
das 3000 Mann stark sein sollte, sind nur 1593 Mann,
389 Perde ausgerickt.
Am 3. Januar 1814 brach das III. deutsche Armeekorps,
die Sachsen unter Lecoq, auf und marschierte durch West-
falen nach Holland, von da teils unter dem Herzog von
Weimar nach Brüssel, teils unter dem sächsischen General-=
major von Gablenz als Blokadekorp#s gegen Antwerpen.
Zwei Schwadronen wurden dem Kosakenstreiftrupp des
Obersten von Geismar angegliedert. Sie leisteten auf dem
Schauplatze der Flandernschlachten des letzten Weltkriegs, im
Artois und der Pikardie ganz hervorragende Dienste. Namen,
die uns heute ganz geläufig geworden sind, wie Tournai,
Courtrai, Menin, Bailleul, Doulens, Bray, Roye, Noyon,
St. Quentin, Ham, Montdidier usw., sind Zeugen ihrer
ruhmvollen Tätigkeit.
Des Herzogs rechter Flügel kam Mitte Februar nach
Tournai, der linke nach Mons, die Reserve unter Lecoq
nach Leuze zu liegen. Das Hauptquartier war in Ath.
Erkundungen gegen die Festungslime Lille, Condé, Le Ques-
noy und Maubeuge bildete zunächst die Haupttätigkeit. Bei
der ersten Aufklärung gegen Maubeuge drang in einem
kühnen Ritte Leutnant Graf Solms mit 20 Kürassieren
bis Le Cateau Cambrésis vor und behrte ohne Verluste nach
drei Tagen durch den großen Mormalwald zurück. Bei einer
Unternehmung gegen Courtrai sprengte Nittmeister von See-
bach mit drei Husaren mitten durch die vom Feinde besetzte
Stadt. Nach heftigen Gefechten bei Belleghem und Swe-