Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

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Einheit vollenden sollte. Zehn Tage später begannen die 
Abmärsche der Sachsen. 29 Bataillone, 24 Schwadronen, 
96 Geschütze, zusammen 31000 Mann rückten ins Feld. 
Zunächst ging es nach Wiesbaden, dann über Mainz, wo 
am 29. Kronprinz Albert den Oberbefehl übernahm, durch 
die Pfalz an die französische Grenze, die am 11. August 
unter dem begeisternden Eindrucke der ersten Siege über- 
schritten wurde. Südlich von Metz, bei Pont-à-Mousson, 
ging das Korps über die Mosel und erreichte am Tage nach 
dem gewaltigen Kampfe das Schlachtfeld von Mars-la= 
Tour. Nach einem schlimmen Nachtlager wurde am Morgen 
des 18. August der Vormarsch angetreten und gegen Jarny, 
dann rechts abbiegend auf St.-Marie-aux-Chênes und Non- 
court vorgegangen, die beide genommen wurden. Von dieser 
neuen Stellung aus, die den rechten Flügel der Armee 
Bazaines, das Korps Canrobert, umfaßte, griffen die 
Sachsen nach einer mächtigen Artillerievorbereitung das 
festungsähnliche Dorf St. Privat von Norden her an, wäh- 
rend die Garde von Westen her anstürmte. Nach hartem 
Kampfe wurden sie Sieger. Dieser Ruhmestag kostete den 
Sachsen 106 Offiziere und 2100 Mann. 
Bereits am folgenden Tage übernahm Prinz Georg das 
XII. Korps. Kronprinz Albert trat an die Spitze der soeben 
gebildeten 86 000 Mann starken Maasarme (Garde, IV. 
und XII. Korpo), mit der er zunächst nach Westen, dann, 
als in der Nacht zum 26. die große Rechtsschwenkung be- 
schlossen wurde, nach Norden marschierte. Mac Mahon, 
der Führer der französischen Armee, hatte auf Weisungen 
aus Paris seinen Rückzug nach Westen unterbrochen und 
den Versuch gewagt, im großen Bogen um den deutschen 
rechten Flügel herum nach Metz zu gelangen. Bereits am 
27. August nahmen die sächsischen 3. Reiter (zuletzt Kara- 
binierregiment) die Fühlung mit dem Gegner bei Busancy 
wieder auf, am 29. wurde bei Nouart gefochten. Am 
30. gelang es, den unvorsichtigen Gegner bei Beaumont zu 
überraschen und über die Maas zu werfen. Nach großen 
Märschen langte das Korps am Abend des letzten August- 
tags bei Doucy an und ging in der angenehmen Aussicht 
auf einen Rasttag zur Ruhe über. Allein der 1. September 
brachte etwas ganz anderes: blutigsten Kampf auf dem öst- 
lichen Teile des Schlachtfeldes von Sedan und herrlichsten 
Sieg, Kaiser Napoleon wurde mit seinem Heere gefangen. 
Dem Schlachttage folgten angenehme Mirsche in kleinen 
Verbänden bei guter Verpflegung und prächtigem Herbst- 
wetter, aber nicht heimwärts, wie man nach der fürchter- 
lichen Niederlage der Franzosen allgemein geglaubt hatte, 
sondern gegen Paris. Am 19. September rückte das Korps 
in seinen Bereich östlich der Festung zwischen Ourcq-Kanal 
und Marne ein. Der Abschnitt war 9½ Kilometer lang. 
Rechts schloß er an das Gardekorps, links an die Württem- 
berger an. Die Forts Nogent, Rosny, Noisy und Romain= 
ville lagen etwa 7 bis 8 Kilometer vor der Front. Im 
Zwischengelände, anfangs als neutral betrachtet, lag der 
Mont Avron. Bis Mitte November blieb es an der sächsi- 
schen Front ruhig, dann deuteten starke Bewegungen auf 
neue Kämpfe. Ein Entsatz von Paris wurde von den Fran- 
zosen in großem Stile geplant. Von Süd und Nord sollten 
Feldarmeen dabei mitwirken, während die eingeschlossenen 
Truppen einen Ausfall und Durchbruch unternähmen. 
Mit der Besetzung des Mont Avron und seiner Bestückung 
mit 30 schweren Geschützen leiteten die Franzosen am 
29. November den Kampf ein. 
Am 30. November gelang es dem Gegner, sich unter 
starken Verlusten auf dem linken Marneufer festzusetzen. 
Zwei Tage später aber wurde er trotz seiner drei= bis vier- 
fachen Ubermacht von der 23. Diviston bei Brie und Vil- 
liers aufgehalten. Der Durchbruch war vereitelt. 
Die lang ersehnte Beschießung des Mont Avron begann 
am 27. Dezember. Daran beteiligten sich auch zwei eben 
eingetroffene sächsische Kompagnien Festungeartillerie. Be- 
reits am nächsten Tage verließ der Feind die Stellung. 
Die nun überall beginnende Beschießung der Festung 
Paris brach den Rest der Widerstandskraft. Am 28. Ja- 
nuar 1871 wurde der Waffenstillstand abgeschlossen. 
Noch unter dem Donner der Geschütze war am 18. Ja- 
nuar in Versailles die Wiederaufrichtung des deutschen 
Kaisertums verkündet. Heller Jubel erfüllte die Herzen der 
Krieger, wie er die Heimat zu begeisterter Freude fortriß. 
Ein sehnsuchtsvoller deutscher Traum war erfüllt. 
Am 11. Juli 1871 zogen die Kampftruppen bis auf die 
in Frankreich zur Besatzung zurückgebliebene 24. Division 
in Dresden ein. 
Dieser glückliche und seit 1740 erste völlig erfolgreiche 
Krieg hatte dem sächsischen Heere 301 Offiziere und 6534 
Mann gekostet, das sind 27% der Ausrückstärke bei den 
Offizieren, 11,60% bei den Unteroffizieren und Mann- 
schaften. 
Auf dem langen Wege, den das Heer seit 1740 zurück- 
legte und der es von der Ostsee bis nach Ungarn, von 
Flandern und Holland bis Moskau und Wolhynien führte, 
war viel Mühsal, Not und Elend in seinem Gefolge, selten 
lachte ihm die Sonne des Ruhms und das Glück. des Sieges. 
Aber immer war es tapfer. 
Oft war es das Werkzeug einer fehlerhaften Staats- 
kunst. Obersachsen, das dem deutschen Volke so viele Ge- 
lehrte, Künsiler, Dichter und Musiker, Erfinder und Han- 
delsherrn geschenkt hat, war immer arm an bedeutenden 
Staatsmännern. So finden wir Land und Heer zumeist 
auf der falschen Seite, erst das Jahr 1866 brachte darin 
nach schmerzlichster Erfahrung entschiedenen Wandel. 
Alle Schicksale, die ein Heer treffen können, erfültten sich 
am sächsischen. Es erlebte Sieg und Niederlage, es mußte 
das schwerste über sich ergehen lassen, das der Soldat er- 
leiden kann, die Entwaffnung und Untersteckung unter die 
feindlichen Fahnen — 1756, und ihm blühte höchstes Glück, 
Gefangennahme der Streitmacht des Gegners samt seinem 
Kaiser und ein von Anfang bis zum Ende siegreicher Krieg, 
— 1870/71. 
In Sieg und Unglück bewahrte es unerschütterliche Treue 
seinem Fürsten und seinem Vaterlande. In stolzer Er- 
innerung werden uns die Helden bleiben, die Leib und Leben 
für ihr schönes Vaterland opferten. Mit Nührung und 
Bewunderung gedenben wir derer, die, zum Dienste im 
feindlichen Heere gezwungen, durch alle Gefahren sich furcht- 
los durchschlugen, um aufs neue für ihre Heimat fechten 
zu können, und derer, die, von Gewissensnot gepeinigt, selbst 
die Schmach des Uberlaufens im Kampfe auf sich nahmen, 
um nicht länger dem Fremden zu fronen; und auch die 
wollen wir nicht vergessen, die ihre Treue zu Meuterei und 
Aufruhr verführte, sie irrten nicht aus Selbstsucht, sie trieb 
heiße Liebe zum Sachsenlande. . 
Viermal brach das sächsische Heer seit 1740 völlig zu- 
sammen, 1756, 1796, 1806 und 1812/13. Jedesmal stand 
es nach bkurzer Zeit wieder kampffähig im Felde. 
Heute ist das sächsische Heer wieder einmal aufgelöst, nach 
einem Kampfe, so riesengroß, wie ihn die Welt noch nicht 
sah, und so ruhmvoll, wie ihn noch kein Heer gegen eine ge- 
waltige Übermacht geführt hat. Wie eines großen geliebten 
Toten denken wir seiner, in tiefer Wehmut, mit trauerndem 
Stolze, galt doch von ihm allezeit das Wort, das König 
Johann 1866 den geschlagenen Truppen zurief: „Das 
sächsische Heer wird unter allen Verhältnissen dem säch- 
sischen Namen Ehre machen.“ . „⅛ 
Gott gebe ihm eine fröhliche Urständ! Denn „ein Volk, 
sagte Jahn in trübsten Zeiten, „das mit Lust und Liebe die 
Ewigkeit seines Volkstunis auffaßt, kann zu allen Zeiten 
sein Wiedergeburtofest und seinen Auferstehungstag feiern“-
	        
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