Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

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Sachsen voran auf dem Wege der Kriegerheimstätten 
Von Professor Dr. H. Propst 
Vorbemerkung 
Verfasser war bemüht, die Unterlagen als Zeugnisse aus 
einer wichtigen Zeit möglichst selbst sprechen zu lassen, 
meinend, daß nur so das vielfach zerstreut im Druck Er- 
schienene vereinigt zu einer Gesamtwirkung gebracht werden 
könnte. Nur Unkenntnis der Dinge kann ver- 
kennen, daß tatsächlich Bedeutendes geleistet wor- 
den ist, sie zu beheben, zugleich aber auch dem Leser alles 
Erforderliche an die Hand zu geben, sollte der Dienst sein 
für die große Sache. 
Allen denen, die durch Bereitstellung von Unterlagen 
und Erteilung von Auskunft es ermöglichten, den Gegen- 
stand vielseitig zu beleuchten, nicht zuletzt der Verlagsbuch= 
handlung, die die Anregung gegeben, sagt der Verfasser im 
Interesse der Sache seinen aufrichtigsten Dank. 
Nur wo der deutsche Mensch Land sein eigen 
nennt, wo seine Kräfte in Berührung mit dem 
Lande sich stählen und erneuern — nur dort kann 
er auf die Dauer gedeihen. Hans Ostwald. 
A. Der Kriegerheimstättengedanke 
1. Das Wesen der Heimstätte an Hand der 
Geschichte 
Das Wort, der Name, der Begriff Kriegerheimstätte hat 
einen guten Klang, er ist seit dem Weltkriege in aller 
Munde, und es ist gut so, daß dies der Fall ist. Nur be- 
steht freilich eine Gefahr, groß genug, um ernster Abwehr 
zu bedürfen, die Gefahr, der ein anderes ähnlich bedeut- 
sames Wort anheimgefallen — zum Schlagwort zu 
werden. Hervorgegangen aus den Folgen des gesteigerten 
Industrialismus der jüngsten Gegenwart hatte als bewußte. 
Abkehr von der gedrängten Wohnweise in Massenmiet- 
häusern der Großstädte mit dem bekannten Wohnelende um 
die Wende des Jahrhunderts eine Bewegung, von Eng- 
land herkommend, eingesetzt und rasch an Boden auch in 
Deutschland gewonnen —: die Gartenstadtbewegung. 
Das Wesen einer Gartenstadt besteht ja gewiß nicht einfach 
darin, das man Gruppen von Landhäusern errichtet — als 
ob jedwede Villenkolonie eine Gartenstadt wäre — vielmehr 
ist eine Gartenstadt im strengen, genauen Sinne des Wortes 
nach der Satzung der „deutschen Gartenstadtgesellschaft“ 
eine planmäßig gestaltete Siedlung auf wohlfeilem Gelände, 
das dauernd iimn Obereigentum der Gemeinde erhalten wird 
derart, daß jede Spekulation mit dem Grund und Boden 
dauernd unmöglich ist. Sie ist, wie es weiter heißt, ein 
neuer Stadttypus, der eine durchgreifende Wohnungsreform 
ermäöglicht, für Industrie und Handwerk vorteilhafte Pro- 
duktionsbedingungen gewährleistet und einen großen Teil 
seines Gebietes dauernd dem Garten= und Ackerbau sichert. 
Neben der baulichen Form weiträumiger Siedlungsweise ist, 
wie die angeführte Begriffsbeslimmung zeigt, die wirtschaft- 
liche Seite dabei nicht zu übersehen, ja sie ist die eigent- 
liche Grundlage und Grundbedingung. Erst wenn man dies 
beachtet, wird man dem gerecht, was die Gartenstadt- 
bewegung erstrebt. 
Wir beginnen mit dem Hinweise auf diese Bewegung ein- 
mal, um anzudeuten, daß auch bei dem Wesen der Krieger- 
heimstätte es nicht mit einem schlagwortartigen Begriff sem 
Bewenden haben kann — eine Kriegerheimstätte ist nicht 
jede beliebige für einen Krieger errichtete Wohngelegen- 
heit —, sodann aber, und vor allem deshalb, weil die Idee 
der Gartenstadt in ihrem wesenhaften Sinne in enger Be- 
ziehung zu dem Gedanken der Kriegerheimstätte steht. 
Wollen wir genau wissen, was Kriegerheimstätten ihrem 
Wesen nach sind, so ist auszugehen vom Wesen der Heim- 
stätte überhaupt, von der die Kriegerheimstätte ja nur ein 
besonderer, freilich besonders wichtiger und zeitgemäßer 
Fall ist. 
Auch der Gedanke der Heimstätte ist wie der der Garten- 
stadt — vom Auslande, vom feindlichen Auslande zu ung 
gekommen, er ist als solcher an sich älter und ursprüng- 
licher als die Idee der Gartenstadt, er stammt — aus 
Amerika, wo in den 40er Jahren des vorigen Jahr- 
hunderts die Anfänge der Heimstättensiedlung sich zeigen. 
Amerika, dieses Land der unbegrenzten Möglichkeiten, dieser 
Kontinent mit einst ungeheurem Neuland, das durch den 
Farmer besiedelt und dadurch der Kultur erschlossen wurde, 
bot diesem den Boden, die Grundlage seiner Erxistenz, an- 
fangs nahegu bostenlos dar. Ungezählte Scharen Siedlungs- 
lustiger fanden sich aus aller Herren Ländern ein und be- 
gründeten so sich eine zweite Heimat. Aber so blieb es nicht. 
Bald genug bildeten sich Spekulationsgesellschaften, die das 
Land aufkauften und unter reicher Ausbeutung ihrerseits den 
freien Zugang zu Grund und Boden je länger je mehr ver- 
binderten. 
Gegen dieses Vorgehen richtete sich die ameribanische 
Heimstättengesetzgebung, namentlich das Bundesheim- 
stättengesetz der Vereinigten Staaten von Nord- 
amerika vom 20. Mai 1862. Es geiährt, wie uns das 
Handbuch der Staatswissenschaften darüber belehrt, jedem 
Bürger die rechtliche Möglichkeit zu fast unentgeltlicher 
Niederlassung auf einem bestimmten Ausmaße noch un- 
bebauter öffentlicher Ländereien. Es war bereits eine Fort- 
bildung des vorberigen Vorkaufsrechts der Erstbegründer 
und Selbstbewirtschafter von Farmen gegen Zahlung der 
jedesmaligen Mindestpreise. 1891 wurde das Gesetz dahin 
geändert, daß bei Zahlung eines vorausbestimmten geringen 
Kaufschillings der Erwerb des Eigentums an der Heim- 
stätte schon nach 14 Monaten eintritt, und daß gegen Miß- 
brauch eidlich zu versichern ist, daß der Heimstättner weder 
Agent einer Gesellschaft noch einem Dritten gegenüber sein 
Besitzrecht aufzugeben gezwungen noch auch ein Strohmann 
sei. Nach der Eigenart des Gesetzes haften die Farmer für 
so geschaffene Farmen in keiner Weise für Schulden, welche 
vor Ausstellung des Eigentumstitels kontrahiert worden 
sind. Dadurch wurde die Erlangung von Betriebskredit aller- 
dings erschwert. Dem trug die Rechtsprechung aber da- 
durch Rechnung, daß sie eine unterpfändliche Belastung der 
Heimstätten auch schon fünf Jahre vor Ausfolgung des Eigen- 
tumotitels als zulässig erklärte. 
Die Wirkung des Gesetzes bestand in erfolgreicher Ein- 
dämmung der Macht des Großkapitals bei Landverteilung 
und Besiedlung und in einer Förderung des wirtschaftlichen 
Aufschwunges des Westens. — 
Wir beabsichtigen nicht, eine Geschichte der Ausbreitung 
des Heimstättengedankens in Europa zu geben, erwähnen 
vLielmehr nur, daß solche in zwei Abschnitten verlief, einem 
älteren Zeitraume, in erster Linie durch die Agrarkrise der 
80er Jahre charakterisiert, in dem sich der Gedanke auf die 
Schweiz, auf Österreich-Ungarn und ganz wesentlich auch 
auf Deutschland erstreckte — in Deutschland war es seit 
1800 Freiherr von Niepenhausen, dessen un Reichs- 
tage eingebrachter Entwurf eine lebhafte Heimstättenagitation 
hervorrief, die 1004 zur Annahme desselben in überarbeiteter 
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