Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

C. Mit der Wohnungsfürsorge für die Kriegsteilnehmer 
soll zugleich das Kleinbauerntum und die Hausgartenwirt- 
schaft gefördert werden. Vor allem sollen für die Kriegs- 
beschädigten, die gezwungen sind, ihren Beruf zu wechseln, 
Wirtschaftsheimstätten geschaffen werden. 
D. Das Reich soll rechtzeitig einheitliche, gesetzliche Be- 
stimmungen treffen für die Einrichtung von Kriegerheim- 
stätten und es sollen den einzelnen Bundesstaaten Reichs- 
mittel zugeführt werden. Beim Bundesrate in dieser Rich- 
tung einzuwirken, soll Aufgabe der sächsischen 
Staatsregierung sein. 
E. Staat und Gemeinde sollen zwecks Schaffung 
von Kriegerheimstätten Grund und Boden zu gün- 
stigen Bedingungen zur Verfügung stellen und die 
gemeinnützige Bautätigkeit hinlenken auf die Be- 
schaffung solcher Heimstätten.“ 
Vom Berichterstatter wurden die einzelnen Sätze 
eingehend begründet. Er führte aus zu 
A. daß die Bevölkerung Deutschlands, insbeson- 
dere die Industriebevölkerung und die Bevölkerung 
in den Städten, noch immer stark wachse. Es würde 
Wohnungsnot, namentlich Mangel an Kleinwoh-- 
nungen eintreten. Die schnell wachsende Industrie 
der letzten Jahrzehnte habe die Landbevölkerung 
mit Aussicht auf besseren Verdienst und bessere 
Lebenshaltung in die Städte hineingesaugt. Dadurch 
steige der Bodenwert, und vielfach wachse sich 
der Grundbesitz zu einer Macht aus, die bei 
weiterer Entwicklung der Städte in Hinsicht des 
Kleinwohnungsbaues geradezu gefährlich würde. 
Sobald Gewinnsucht hinzukomme, würden die 
Bodenwerte ins Uferlose wachsen müssen. So 
hätten namentlich in den großen Städten die 
Bodenwerte innerhalb 40 Jahren um das 400= 
bis 600 fache des ursprünglichen Ackerwertes zu- 
genommen! Bei solchen Bodenwerten müßten 
Mietskasernen entstehen, damit nur einigermaßen 
eine Verzinsung herauskomme, und das Land würde 
ausgenütßzr bis auf das kleinste Stück. Dazu kämen 
noch die Belastungen durch Bauverordnungen, Bau- 
kosten, der mangelnde oder unsichere Realkredit und 
anderes mehr, kurzum, die Kleinwohnungen hätten 
immer kostspieliger werden müssen. Gegen diese 
Übelstände sei schon vor dem. Kriege angekämpft 
worden, aber sie würden nach dem Kriege noch 
größer werden, weil durch die starke Nachfrage nach 
Kleinwohnungen in dieser Richtung Kleinwohnungs- 
teuerung kommen werde. Deshalb würden viele 
Familien, deren Ernährer im Felde stehe, bei Rück- 
kehr derselben kleinere Wohnungen aufzusuchen ge- 
zwungen sein. Dazu komme die erhebliche Zahl 
der Kriegswitwen, die wohl zum großen Teil 
kleinere Wohnungen beziehen müßten; weiter die 
ansehnliche Zabl der Kriegsgetrauten, die nach 
Rückkehr des Mannes eigene Wohnung nehmen würden. 
Als unsere Krieger 1871 aus Frankreich zurückgekehrt 
seien, habe sich bald eine gewaltige Wohnungsnot ein- 
gestellt. Grund und Boden wäre maßlos teuer geworden, 
und diejenigen, welche in die Städte zurückgekommen 
seien, hätten als Dank dafür, daß sie das Vaterland gegen 
Jerstörung und Brandschahung verteidigt hatten, unglaublich 
teuere Wohnungen vorgefunden. Viele Landwehrleute mit 
starker Familie seien auf die Straße gesetzt und in Baracken 
untergebracht worden, weil man die vorhandenen Woh- 
nungen „besser“ vermieten konnte als an sie. Es sei be- 
kannt, daß diese Zustände damals große Erbitterung hervor- 
gerufen haben, deren Wirkungen unser öffentliches Leben 
lange Zeit unheilvoll beeinflußt. Deshalb sei es dringend 
nötig, für die Heimkehrenden geeignete Wohnungen bereit- 
Z#sSgeschess. 
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zustellen oder nachzuweisen, um so mehr, als die Mieten 
steigen würden und auch das Bauen viel teurer werden 
würde. Es seien Erwerbs= und Baukosten in Hinsicht auf 
die gesteigerten Baustoffpreise und Löhne gewaltig gewachsen. 
Von großem Interesse seien zu dieser Frage die Mittellungen, 
wie solche in Nr. 12 des ersten Jahrganges der Zeitschrift 
„Heimatdank“ vom 15. Dezember 1918 gegeben werden: 
„Die Bevölberung Sachsens wächst jährlich um rund 
50 000 Köpfe, und wenn nun nach der Berechnung des Sta- 
  
Schnitt 
     
c. * 
Siedelung in Auenhain-Cröbern, entworfen von J. 8 R. Koppe, Alrchitekten, Leipzig 
tistischen Landesamtes laut dessen Mitteilung im 59. Jahr- 
buch 1013 2. Heft fast genau auf eine Wohnung vier Köpfe 
kommen, so müßten für den zuwachsenden Bedarf jähr- 
lich neu gebaut werden — ohne den erforderlichen Ersatz 
für unbrauchbar gewordene alte Wohnungen — etwa 12 300 
Wohnungen. 
Die Kleinwohnungen bis zu vier Räumen machen rund 
75% der Wohnungen überhaupt aus, so daß der Bedarf 
an neu zu erstellenden Kleinwohnungen sich auf jährlich 
9375 beläuft, in den 1 ½ Kriegsjahren auf rund 14 o0. 
Die Zahl der in dieser Zeit gebauten Kleinwohnungen 
wird auf höchstens 2000 geschätzt, und es verbleibt mithin 
eine Lücke auf dem Wohnungsmarkt, die in diesem Um- 
fange noch vor Rückkehr der Kriegsteilnehmer 
unbedingt ausgefüllt werden muß, wenn nicht als- 
20“
	        
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