Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

dem Marxistischen Satze stehen geblieben ist, daß das 
moderne revolutionäre Proletariat erst zur richtigen Ent- 
faltung kommen bann, dadurch, daß die Nabelschnur zer- 
rissen wird, welche den Arbeiter der Vergangenheit an den 
Grund und Boden knüpft. Es bedarf also weitgehender 
Aufklärungsarbeit. Die äußerste Linke hat aus dem Staats- 
sozialismus, der ja jetzt alle gesetzgeberischen Maßnahmen 
durchtränkt, noch nicht gefolgert, daß jetzt ganz neue Ver- 
hältnisse vorliegen. 
Aber, meine Herren, die zweite Voraussetzung ist das 
Land. Hier stoßen wir auf neue Schwierigkeiten. Alle die- 
jenigen, die sich mit der Siedlungsfrage beschäftigt und sie 
schon praktisch durchgeführt haben — und deren sind es 
mehr im Deutschen Reiche, als man gemeinhin ahnt — 
haben die Erfahrung gemacht, daß es zwar ganz leicht ist, 
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kaufsrecht dahingehend einräumt, daß sie sich bei Zwangs- 
versteigerungen durch das Vorkauforecht geeigneten Grund 
und Boden schaffen können. Der furchtbare Krieg wird 
wohl als eine an sich beklagenswerte Folgeerscheinung eine 
weitgehende Mobilisierung des Grund und Bodens beson- 
ders in der Nähe großer Städte mit sich bringen. Wenn 
auch die Schutzgesetzgebung jetzt verhindert, JIwangsverstei- 
gerungen in großem Maße infolge rückständiger Hypotheken- 
zinsen durchzuführen, so ändert sich das doch sofort mit 
dem Friedensschluß. Die aufgelaufenen Zinsen wie die ge- 
kündigten Kapitalien werden fällig. Soll dann nun aus dem 
Ruin zahlreicher Einzelexistenzen lediglich das private Spe- 
kulationskapital, dem der Gemeinsinn doch fehlt, Nutzen 
ziehen? Es wäre hier meines Erachtens die Füglichkeit ge- 
geben, auf diesen Trümmern Neues aufzubauen zum Wohle 
  
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Sächsische Kriegersiedlung Auenhain-Cröbern bei Leipzig 
einige Heimstätten anzulegen, sobald wir aber daran gehen 
wollen, diese zu erweitern, stoßen wir auf ganz über- 
triebene Forderungen für Grund und Boden, auf Schwierig- 
keiten, die früher nicht geahnt worden sind. 
Ein rheinischer Industrieller, der jetzt im Felde fiel, hinter- 
ließ eine bedeutende Summe zum Zwecke der Heimstätten- 
gründung in seinem Heimatorte. Die Ausführung scheiterte 
daran, daß sofort nach Bekanntwerden seines Testamentes 
die Forderung für Grund und Boden auf das Siebenfache 
des ursprünglichen Wertes stieg. 
Ich selbst bin vorläufig mit meinem Vorhaben, Heim- 
stätten anzulegen, an den ganz übertriebenen Forderungen 
gescheitert, die sofort, nachdem meine Absicht bekanntgegeben 
worden war, für geeignetes Land gefordert wurden. Und so 
findet man überall dieselbe Schwierigkeit. 
Meine Herren! Da bedarf es doch wohl einer weiteren 
Revision unfres Rechts am Grund und Boden. Wir revi- 
dieren ja eigentlich dauernd dieses Recht. Auch das Kohlen- 
gesetz ist eine solche Revision. Es bedarf meiner Ansicht nach 
auch einer neueren Durchsicht des Enteignungsrechts und 
insbesondere einer Erweiterung des Begriffes der Voraus- 
setzung für die Enteignung. 
Ein von mir als verhältnismäßig leicht angesehener 
Schritt ließe sich zunächst wohl dahin tun, daß man öffent- 
lichen Körperschaften, Gemeinden oder gemeinnützigen Or- 
ganisationen, welche Siedlungszwecke verfolgen, ein Vor- 
des Volksganzen, indem man billiges Land und damit die 
Vorauosetzung schafft für die ganze Durchführung der Heim- 
stättengesetzgebung und für die Errichtung von Heimstätten, 
in denen nicht nur heimlose und damit leicht heimatlose 
Mietskasernenproletarier wohnen, sondern freie deutsche Bür- 
ger auf einem eigenen deutschen Stück Erde, auf dem sie 
nach der Geist und Seele tötenden Arbeit, zu der das Ma- 
schinenzeitalter die Massen tagsüber doch zwingt, Gelegen- 
heit haben, sich auf ihr Menschentum zu besinnen und in 
eigener schöpferischer Tätigkeit die dankbare deutsche Erde 
zu bearbeiten. Ich glaube, daß viele Rätsel der sozialen 
Fragen dadurch ihre Erledigung finden könnten.“ 
Zweifellos ist in dieser Rede mit dem Hinweise auf die 
Landfrage und im Zusammenhange damit auf die Revision 
der rechtlichen Bestimmungen über das Enteignungorecht 
wie auch betreffs des Gesetzes über ein staatliches Vorkaufs= 
recht eine überaus wichtige Anregung gegeben, der 
nachzugehen Aufgabe dazu berufener Organisationen wäre, 
falls nicht der Staat selbst Schritte dazu tut. 
ec) Die Verhandlungen zwecks Anderung des Gesetzes über die 
Landeskulturrentenbank 
Weil gleichfalls in engem Zusammenhange mit der Sied- 
lungsfrage stehend, schließen wir hieran die Verhandlungen 
über den erweiterten Ausbau der Landeskulturrenten- 
bank an. Um diese dem Kleinwohnungsbau dienstbar zu
	        
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