„In dem Maße, als die Wohnungsverhältnisse un-
genügend sind, wird die allgemeine körperliche Leistungs-
und Widerstandsfähigkeit geschwächt, der Ausbruch oder
die Verbreitung gewisser schwerer Krankheiten, insbeson-
dere von Typhus, Schwindsucht und Syphilis, gefördert,
Sittlichkeit und Zufriedenheit untergraben, die geistige Aus-
bildung unterbunden, damit aber auch das wurtschaftliche
Fortkommen des einzelnen und die allgemeine Volks-
wohlfahrt gefährdet und geschädigt,“
sie hat — in der Verordnung vom 12. Januar 1914
am Schlusse — es betont,
„daß je besser die Wohnungsverhältnisse der breiten
Volkoschichten sich gestalten, desto mehr das Bedürfnis
nach Gefängnissen, Kranken= und Irrenhäusern sinken,
die nationale Wehr= und Arbeitskraft aber steigen muß,
und daß im Wettbewerbe der Nationen unter sonst gleichen
Verhältnissen schließlich diejenige das Feld behaupren wird,
die am besten wohnt,“
sie hat endlich — in der Verordnung von 1913 — es
ausgesprochen:
„Wie an der Wohnungsfrage alle Stände bis herauf
in den Mutelstand lebhaft beteiligt sind, so wird auch
das notwendige Zusammenwirken um so gedeihlicher sein,
je mehr sich die Uberzeugung befestigt, daß auf dem Ge-
biete des Wohnungswesens wirtschaftliche, konfessionelle
oder parteipolitische Gegensätze irgendwelcher Art die zum
Wohle des Vaterlandes notwendige gemeinsame Arbeit
nicht zu hindern brauchen.“
An ihr, an der Regierung, liegt es, sagten wir, nicht,
wenn noch keine idealen Zustände herrschen, es liegt vor
allem mit daran, so fügen wir noch hinzu, daß die
Überzeugung von der grundlegenden Bedeu-
tung der Wohn= und Siedlungsfrage noch
immer nicht hinreichend Gemeingut aller Klas-
sen, Stände und Schichten unsres Volkes ge-
worden ist, ein Erfordernis, ohne das das beste
Wollen nur unvollkommen sich verwirklichen
kann.
Die mit der Staatsumwälzung vom 9. November 1918
erfolgte Neuordnung brachte die Schaffung eines dem Mini-
sterium des Innern unterstellten Landeswohnungs-=
amtes, zu dessen ersten Leiter Geh. Regierungsrat Dr.
Vollmer ernannt wurde, dem als Landeswohnungs-
inspektor Oberregierungsrat Dr. Rusch angehört. Eine
Hauptaufgabe dieses Amtes, dem für Bodenfragen ein be-
sonderer Ausschuß zur Seite steht, ist zurzeit die Erledigung
der Bezuschussungsfrage. Auf Grund dahingehender
Anregungen der dem Amte angegliederten Sächsischen Zentral-
sielle für Wohnungsfürsorge hat das Landeswohnungsamt
zwei äußerst wichtige Verordnungen erlassen. Die eine der-
selben ermöglicht eine wesentliche Vereinfachung und also
Beschleunigung des Beihilfeverfahrens durch Einführung
eines Vorbescheides auf Grund eines summarischen Kosten-
überschlags, die zweite stellt eine Erhöhung des Staats-
zuschusses der Uberteuerungskosten für besonders leistungs-
schwache Gemeinden bis auf drei Achtel in besonders zu be-
gründenden Fällen in mögliche Aussicht. Damit ist der
Dringlichkeit der Erfüllung des Wohnbedürfnisses in weitest-
gehendem Maße Rechnung getragen. Neben dieser zurzeit
dringendsten Aufgabe liegt dem Amte aber überhaupt die
Bearbeitung der sozialen und wirtschaftlichen Angelegen-
heiten der Wohnungsfürsorge ob, sein Arbeitögebiet erstreckt
sich auf Wohnungsaufsicht und Wohnungspflege,
Wohnungsstatistik und Wohnungsnachweis,
Förderung des Bauens von Klein= und Mittel-
wohnungen, bevölkerungspolitische und sozial-
politische Maßnahmen im Wohnungswesen, ge-
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meinnützige Bautätigkeit, Siedlungswesen,
Fragen der Bodenpolitik, des Grundkredit-
wesens und der Ubergangswirtschaft, insbeson-
dere Mieterschutz, Baukostenzuschüsse, Bau-
kostenbeschaffung, sonstige Bekämpf ung der
Wohnungsnot. Mit der Schaffung dieses Amtes ist
der Grundsatz zur Verwirklichung gekommen, daß das
Wohnungswesen eine öffentliche Angelegenheit
sei und ganz allgemein zu einer Gesundung der weitest-
gehenden staatlichen Fürsorge bedürfe. Betr. der Baukosten-
zuschüsse werden künftig dem Vernehmen nach im Sinne der
Vorschläge Dr. Kampffmeyers die Bauenden die Über-
teuerungskosten auf dem Wege des Kredits zu beschaffen
haben. Die Verzinsung und Tilgung erfolgt dann durch die
öffentlichen Gewalten aus Mitteln, die durch Aufschlag auf
die Mieten der alten Wohnungen aufgebracht werden. Bis
zur Beschreitung dieses Weges stehen nochmals für Sachsen
12 Millionen Reichszuschuß zur Verfügung.
In Gemäßheit der Reichzverordnung zur Beschaffung
von landwirtschaftlichem Siedlungslande vom 29. Januar
1919 (N.-G.-Bl. S. 113) hat das Wirtschaftsministerium
unter dem 25. Juni lolo (s. G.-V.-Bl. S. 127/8 Nr. 68)
vorläufige Ausführungsbestimmungen erlassen, deren In-
halt bei Behandlung der Tätigkeit der Landessiedlungsgesell-
schaft „Sächsisches Heim“ zu erwähnen ist, hier sel nur
noch hervorgehoben, daß in Gemäßheit der Reichsverord-
nung zur Beschaffung von Siedlungsland ein Landliefe-
rungsverband Sachsen gegründet wurde, dessen
Satzung im G.-u. V.-Bl. 1919 unrer Nr. 105 veröffent-
licht wurde, während Nr. 100 ebenda die Ordnung für die
Wahlen zum Beirat dieser Körperschaft enthält.
Nur Unkenntnis dessen, was in Hinsicht der
Wohnungsfürsorge verhandelt, beschlossen und
eingerichtet ist, verbunden mit Unfähigkeit, die
ganze Schwere und Tragweite des Gegenstandes
zu ermessen und zu würdigen, kann die Bedeu-
tung der dargelegten Leistungen der Regierung
und der Volksvertretung verkennen, sie weithin
schätzen zu helfen ist die besondere Ausführlichkeit nicht ge-
scheut worden.
7. Das Siedlungswerk.
Landessiedlungsstelle und Landessiedlungs-
gesellschaft „Sächsisches Heim“
Die bisher dargelegte vielseitige umfang= und inhaltreiche
Tätigkeit für die Förderung des Wohn= und Siedlungswesens
läßt erkennen, in welch hohem Maße Verständnis und fester,
ernster Wille vorhanden ist, das große Werk der Krieger-
siedlung, der Schaffung von Kriegerheimstätten als einen
würdigen Bau großen Stiles erstehen zu lassen. Gleich-
wohl handelt es sich dabei doch immer nur erst um Vor-
arbeit. Sie bliebe wirkungslos, es fehlte die Hauptsache,
das Kernstück, entbehrten diese Bestrebungen des festen,
de# Kristallisationspunktes, der sie einheitlich erfaßt, zu-
sammenfaßt, gestaltet, zusammenhält und damit die Ge-
währ der Verwirklichung in den Grenzen und nach Maßgabe
des Menschenmöglichen bietet.
Solch fester Punkt ist die in dem Gesetz vom 5. Mai
1916 eingesetzte
Landessiedlungsstelle.
Als solche ist in diesem Gesetze für Sachsen die Kreis-
hauptmannschaft Dresden in ihrer Eigenschaft als Landes-
amt für Grundstückszusammenlegungen (bisher als General-=
kommission für Ablösungen und Gemeinheitsteilungen) ein-
gesetzt. Sie steht in enger Verbindung mit der am 9. Juni
1917 errichteten Landessiedlungaogesellschaft „Sächsisches
Heim“. Ihrem Vorsitzenden, Herrn Kreishauptmando