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Dr. Krug v. Nidda und von Falkenstein stehen zur
Durchführung der bedeutenden Aufgabe neben den Beamten
der Landessiedlungsstelle die Geschäftsführer der L.-S.-G.,
die Herren Regierungsräte Dr. Rusch und Dr. Stock-
hausen sowie ein von der Regierung berufener beratender
Ausschuß zur Seite.
Bald genug ergab sich als erste wichtige Obliegenheit die
Herausarbeitung eines festen Gefüges für den zu errichten-
den Bau. Es galt die Einzelaufgaben abzuwägen und ab-
zugrenzen, es galt die Einzelbefugnisse der nachgeordneten
Behörden und die Beziehungen zu den sonstigen Behörden zu
gestalten, so zu gestalten, daß einerseits der Landessiedlungs-
stelle als regelnder, organisatorisch leitender und beratender
Jentralstelle, als dem eigentlichen Träger der Ansiedlung
tatsächlich der völlige und klare ÜUberblick über das Werk
gewahrt, ihr maßgebender Einfluß gesichert blieb, daß an-
dererseits eine Arbeitsteilung erfolgte, welche den bestehen-
den Sonderrechten und Sonderpflichten der einzelnen Or-
gane, der Kreditinstitute, der Baugenossenschaften, der Ver-
waltungsbehörden, letzterer im Rahmen der revidierten
Städteordnung, der Stadt= und Landgemeindeordnung Rech-
nung trug. Diese großzügige Gestaltung ist in ihren Grund-
zügen erstanden und steht im großen ganzen als abgeschlossen,
als fertig vor uns. Sie hat ihren Ausdruck gefunden vor
allem in der
Anleitung für die bei der Ansiedlung von
Kriegsteilnehmern mitwirkenden Behörden
vom 3. Mai 1917.
Wir heben nur ihren Hauptinhalt hervor.
Nach §& 1 ist von sämtlichen Stadt= und Landgemeinden
eine allgemeine Umfrage bei den Gemeindeangehörigen zu
veranstalten darüber, in welcher Größe, zu welchem Preise
und von welchen Flurstücken sie bereit sind, Land zur An-
siedlung von Kriegsteilnehmern von ihrem Eigentum ab-
zugeben. Ebenso ist von den Gemeindevertretern ein Beschluß
wegen Abgabe von dem im Gemeindeeigentume befindlichen
Lande herbeizuführen. Auch ist von den Amtshauptmann-
schaften eine Umfrage im vorstehenden Sinne an die Eigen-
tümer der in ihrem Verwaltungsbezirke liegenden selbstän-
digen Güter zu richten.
Nach #& 2 werden diese wie alle sonstigen Angebote sei es
von Siedlungsland, sei es etwaiger fertiger Heimstätten
nach erfolgter Prüfung in Verzeichnissen abschriftlich den
Bezirbsverbänden und den bezirkbsfreien und revidierten
Städten zur Einsichtnahme für Siedlungswerber übersandt,
können aber auch in der Landecesiedlungostelle eingesehen
werden.
§3 und 4 handeln von der Prüfung der gestellten Ge-
suche um Erlangung einer Heimstätte, §9 5 und 6 von den
Bedingungen der Anerkennung von Siedlungsgesellschaften,
Baugenossenschaften und Bauvereinigungen als Ausfüh=
rungsorganen der Ansiedlung. Sie müssen bereit sein, den
Gesetzen über das Ansiedlungswesen, den Ausführungs-
bestimmungen und Anweisungen sich zu unterwerfen, nur
solche Personen anzusiedeln, die ihrerseits sich gleichfalls
diesen Gesetzen usw. unterwerfen, es ist ferner erforderlich,
daß Bezirksverbände bzw. die bezirbsfreien Städte, die sich
ihrer bedienen, sich an ihnen finanziell beteiligen, und daß
sie selbst der Landessiedlungsgesellschaft mit einem Mindest-
anteil von looo Mark beitreten. Nach 6# 7 gilt als Maß
für die Beteiligung der Bezirksverbände bzw. der Städte
ein Beitrag von mindestens 10 Pfennigen auf den Kopf
ihrer Bevölkerung. Als „angemessener Einfluß“ wird bei
neuen Unternehmungen der Vorsitz des Vorstandes der Ver-
waltungsbehörde im Aufsichts= oder Verwaltungsrate und
die Mitgliedschaft einiger Vertreter im Aufsichtsrate (Be-
zirkoausschuß, Stadtrat, Stadtverordnete) anzusehen sein.
Außerdem wird von den Bezirksverbänden und bezirksfreien
Städten eine Beteiligung an der Landessiedlungsgesellschaft
mit einem Mindestbeitrage von 10 Pfennigen auf den Kopf
ihrer Bevölkerung erwartet, der auf 20 Pfennige zu be-
messen ist, wenn sich der Bezirksverband oder die bezirks-
freie Stadt keiner örtlichen anerkannten Unternehmung,
sondern nur der Landessiedlungsgesellschaft bedienen will.
Sehr wichtig sind die Bestimmungen des § 11, welcher
lautet:
„Mit dem Auftrage zur Fortstellung des Siedlungs-
geschäfts wird dem Bezirksverband bzw. der anerkannten
Siedlungsgesellschaft gleichzeitig die Entschließung der
Landessiedlungsstelle bekanntgegeben, ob und in welchem
Umfange die Heimstätte mit einer die Weiterveräußerung
oder die Verschuldung beschränkenden Bestimmung zu be-
lasten ist. Als eigentümerähnliche Stellung im Sinne
der Ausführungsbestimmungen gilt in erster Linie der
Schutz vor Mietsteigerung und vor willkürlicher Kün-
digung.“
Die Landessiedlungsstelle hat nicht unterlassen, zur Be-
lehrung der Krieger und ihrer Angehörigen ein
Merkblatt
zu verfassen, das unter anderem auf Anregung des Landes-
verbandes der Bodenreform den Aufklärungsdienststellen
durch das bisherige Kgl. Kriegsministerium als Material
übersandt wurde. Insbesondere ist zu erwähnen, daß, wer
eine ihm passend erscheinende Siedlungsgelegenheit gefun-
den zu haben glaubt, in einem an die Kreishauptmannschaft
Dreeden zu richtenden Gesuche, das auch bei der zuständigen
Amtshauptmannschaft oder Stadtbehörde, dem Stadtrate
einer revidierten Stadt, eingerescht werden kann, um An-
siedlung einzukommen hat. Das Merkblatt gibt an, was
in dem Gesuche vor allem zu erwähnen ist — voller Name,
Geburtsjahr und -ztag, der frühere und gegenwärtige Beruf
und Wohnort, Familienstand, Zahl und Alter der Kinder,
das Militärverhältnis, namentlich ob Kriegsbeschädigter,
Höhe des verfügbaren Kapitals, Höhe der Militärrente und
gegebenenfalls Stand des Kapitalabfindungsverfahrens, et-
waige Wünsche wegen des Baues der Heimstätte. Auch
auf die Gütervermittlungsstelle beim Landeskulturrat in
Dresden, Sidonienstraße, wird hingewiesen. Gewarnt
wird vor Abschließung bindender Kaufverträge ohne Mit-
wirkung der Siedlungsbehörde — selbstverständlich, aus
naheliegendem Grunde.
Die Einfachheit und Klarheit des Inhaltes dieses Merk-
blattes ist der beste Beweis dafür, daß der Grundgedanke
der Einrichtung des Siedlungswesens scharf durchdacht ist.
Das schließt natürlich nicht aus, daß dazwischen noch eine
Unmenge zum Teil äußerst schwieriger Fragen besteht und
zu lösen gewesen.
Es dürfte interessieren, daß trotz der erheblichen allge-
meinen und besonderen Schwierigkeiten gleichwohl Sied-
lungsanträge in beachtlichem, stetig wachsendem Umfange
erledigt worden sind. Laut Jahresbericht der Landessied-
lungsgesellschaft auf das Jahr lol8 wurden in der Zeit
vom November 1916 bis 31. Dezember 1918
Anträge auf Kapitalabfindung gestellt 1027
bewilligt 555
in Gesamtsumme von M. 2545892 und zwar für
a) Wirtschaftsheimstätten
93 m. Ges.-Summe von M. 506274
b) Wohnheimstätten 250 „, „ „ „ 1186 421
JPc) Stärkung eignen
Grundbesitzes 200 » ,,»853197
555 M. 2545·892
Von den Bewerbern hatten sich mit eigenem Vermögen
bis Ende März 1919 gemeldet 384 Siedler und zwar