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nicht nur uralte Männer bis zu 70 und mehr Jahren 1), son-
dern auch Hinkende und Lahme in Uniformen. Wo der
Soldat Berufssoldat war, ging eben sein Streben dahin,
mäöglichst lange seinen Erwerb beibehalten zu können, und
die Militärverwaltung hatte ebenfalls ein Interesse daran,
die Werbekosten für neue Soldaten und die Abdankungs-
und Gnadengelder für die alten zu sparen. So verfolgte
man den Grundsatz, die alten Krieger, „die noch einiger-
maßen brauchbar waren, auf eine für sie gemächliche und
für den Staat vorteilhafte Art zu unterhalten“. Zu dem
Zwecke wurden auch in Sachsen im Jahre 1726 nach einem
eingehenden Vorschlag von Flemming) die Invaliden=
kompagnien errichtet. Aus dem Invalidengeldabzug von einem
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Groschen sechs Pfennigen sollte „eine eigene Kasse formiert,
davon die Garnison zu Wittenberg nebst den mit der Zeit
zu errichtenden Halb= und Ganzinvalidenregimentern, K Kom-
pagnien und Garnisons unterhalten, monturiert, ihre ganzen
Bedürfnisse samt Wohnungen und derselben Aptierung be-
stritten werden. Jedoch solle, was die jetzige Wittenbergische,
Pleißenbergische, Kössig- auch Sonnenstein- und Stolpische
Kompagnien dermahlen kosteten, bei Veränderungen dieser
Garnisonen als ein Zuschuß aus der General-Kriegskasse
zur Invalidenkasse gezahlt und damit kontinuiert werden.
Auch sollte bei künftiger Delogierung der Invalidenkom=
pagnien zunächst Königstein, Sonnenstein und der Pleißen-
burg, hauptsächlich auf Senftenberg, Torgau, Kolberg,
Meißen, Freiberg, Chemnitz, Zwickau, Hein, Friedenstein,
Langensalza, Zeitz, Werda und Waldheim reflektiert werden“.
Ein Teil dieser in Aussicht genommenen Orte wurde jeden-
falls nicht mit Kompagnien belegt, andere zurückgezogen.
1728 finden wir in einer Repartitionstabelle „sechs Inva-
liden-Kompagnien“ angeführt, „die im Lande annoch Dienste
1) Noch 1816 ist 40 jährige Diensizeit Voraussetzung für Pen-
sionierung! |
*) Generalfeldmarschall Jakob Heinrich Graf von Flemming, Prä-
sident des Geheimen Kriegsratskollegium.
zu tun vermögend sind“: nämlich Eisleben, Hubertusburg,
Torgau, Moritzburg, Sedlitz, Meißen, mit je 116 Mann
belegt. Von Torgau aus wurden nach Pretsch und Lichten-
berg, von Moritzburg nach Übigau, von Sedlitz nach Pill-
nitz, von Meißen nach Waldheim Leute „detachiert“. Später
haben die Einrichtungen wiederholt gewechselt. 1764 wur-
den die Garnisonkompagnien aufgelöst, dafür je eine Halb-
invaliden-Kompagnie in Barby und Gommern errichtet.
Auch Liebenwerda und Eisleben (1769) und Colditz (170°5)
erhielten Halbinvaliden-Kompagnien. 1821 wurden die noch
bestehenden Halbinvaliden- Kompagnien (Waldheim und Col-
ditz) aufgelöst und daraus eine Garnisondivision für die
Festung Königstein gebildet, die schließlich 1841 aufgehoben
wurde. Bis zu dieser Zeit zog sich also jene Invaliden=
versorgungs-Art hin, ja noch im Invalidenversorgungs-
Gesetz von 1871 sind die Invalidenkompagnien als eine
freilich im Aussterben begriffene Fürsorgeeinrichtung er-
wähnt.
Je nach der Zahl der vorhandenen Invaliden wurden die
Garnisonen nicht voll belegt und die überschüssigen Gelder
angesammelt, um bei Uberfüllung oder in Notfällen wieder
verwandt zu werden. Der eigentliche Zweck dieser Kom-
pagnien war, die Leute wenigstens noch den in jener Zeit
recht vielseitigen Garnisonsdienst versehen zu lassen, der
sich großenteils mit dem Ordnungsdienst deckte, den heute
Grenzaufseher, Polizei, Rentamtsleute, Gerichtsvollzieher
usww. versehen, namentlich auch im Postenstehen an den
Toren der Städte, an Brücken, bei Zeug= und Jollhäusern,
auf Schleichtwegen und bei der Beaufsichtigung der arbei-
tenden Sträflinge bestand. Das hohe Alter, das die Leute
hatten und die Leiden, die sie invalid gemacht, ohne daß
sie den Militärdienst aufgeben sollten und wollten, machte
indes diesen Dienst vielfach unmöglich. Das erhellt sinn-
fällig aus einer Musterliste vom 20. August 1738, wonach
von 142 Köpfen nur 54 als „Schildergäste“ (d. h. zum
Postienstehen) fähig, die übrigen vollständig dienstunbrauch=
bar waren. Ec erscheint nicht recht verständlich, warum
man an diesen Invalidenkompagnien unter solchen Um-
ständen recht zäh festgehalten hat. Sie ist nur erklärlich
aus der Abneigung der bürgerlichen Bevölkerung gegen die
Soldaten, aus der gegenseitigen Entfremdung, und auch
daraus, daß viele Ausländer in der Armee dienten, die
keine Heimat hatten und allzu leicht dem Bettel und dem
Elend anheim fielen, wenn man sie mit dem geringen Ren-
tengeld in die ihnen besonders fern stehende Bevölkerung
überzuführen suchte.
Die Überladung mit gebrechlichen Leuten in den Kom-
pagnien mag in Sachsen auch noch größer als sonst gewesen
sein, da hier nie ein Invalidenhaus errichtet worden ist.
Ee ist das eine Erscheinung, die uns heute, wo wir keinen
besonderen Wert mehr auf solche Invalidenhäuser legen,
ja vor allem darauf bedacht sind, den Invaliden wieder in
seinen Familienkreis zu bringen und wo irgend möglich,
ihn auch einem Tätigkeitskreis zuzuführen, den selbst der
Bettlägerige noch mit Hilfe seiner Umgebung einigermaßen
auszufüllen vermag, nicht im mindesten absonderlich dünkt.
In der damaligen Zeit aber war es etwas Ungewöhnliches.
Denn das Beispiel Ludwig XIV., der 1674 das noch bestehende
große und prunkvolle Invalidenhotel in Paris gründete,
war damals, wo Heereseinrichtungen, wie alle Kultur, aus.
Frankreich ihre maßgebenden Einflüsse erhielten, ein Ansporn
für die übrigen europäischen Fürsten, den gleichen Gedanken
zu verwirklichen. Das Interesse war so groß, daß Lud-
wig XIV. in einem Prachtwerk Bau und Einrichtungen
des Invalidenhotels bis ins einzelne sehildern ließ. Nach
diesem Muster erstanden dann, teils in enger Anlehnung
an die Pläne, teils in Nachahmung des Gedankens
eines zentralisierten Heimes für die Invaliden, die großen
Invalidenhäuser in Chelsea (1682), Kilmainham, Green-