Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

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nicht nur uralte Männer bis zu 70 und mehr Jahren 1), son- 
dern auch Hinkende und Lahme in Uniformen. Wo der 
Soldat Berufssoldat war, ging eben sein Streben dahin, 
mäöglichst lange seinen Erwerb beibehalten zu können, und 
die Militärverwaltung hatte ebenfalls ein Interesse daran, 
die Werbekosten für neue Soldaten und die Abdankungs- 
und Gnadengelder für die alten zu sparen. So verfolgte 
man den Grundsatz, die alten Krieger, „die noch einiger- 
maßen brauchbar waren, auf eine für sie gemächliche und 
für den Staat vorteilhafte Art zu unterhalten“. Zu dem 
Zwecke wurden auch in Sachsen im Jahre 1726 nach einem 
eingehenden Vorschlag von Flemming) die Invaliden= 
kompagnien errichtet. Aus dem Invalidengeldabzug von einem 
  
  
   
   
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Groschen sechs Pfennigen sollte „eine eigene Kasse formiert, 
davon die Garnison zu Wittenberg nebst den mit der Zeit 
zu errichtenden Halb= und Ganzinvalidenregimentern, K Kom- 
pagnien und Garnisons unterhalten, monturiert, ihre ganzen 
Bedürfnisse samt Wohnungen und derselben Aptierung be- 
stritten werden. Jedoch solle, was die jetzige Wittenbergische, 
Pleißenbergische, Kössig- auch Sonnenstein- und Stolpische 
Kompagnien dermahlen kosteten, bei Veränderungen dieser 
Garnisonen als ein Zuschuß aus der General-Kriegskasse 
zur Invalidenkasse gezahlt und damit kontinuiert werden. 
Auch sollte bei künftiger Delogierung der Invalidenkom= 
pagnien zunächst Königstein, Sonnenstein und der Pleißen- 
burg, hauptsächlich auf Senftenberg, Torgau, Kolberg, 
Meißen, Freiberg, Chemnitz, Zwickau, Hein, Friedenstein, 
Langensalza, Zeitz, Werda und Waldheim reflektiert werden“. 
Ein Teil dieser in Aussicht genommenen Orte wurde jeden- 
falls nicht mit Kompagnien belegt, andere zurückgezogen. 
1728 finden wir in einer Repartitionstabelle „sechs Inva- 
liden-Kompagnien“ angeführt, „die im Lande annoch Dienste 
  
1) Noch 1816 ist 40 jährige Diensizeit Voraussetzung für Pen- 
sionierung! | 
*) Generalfeldmarschall Jakob Heinrich Graf von Flemming, Prä- 
sident des Geheimen Kriegsratskollegium. 
zu tun vermögend sind“: nämlich Eisleben, Hubertusburg, 
Torgau, Moritzburg, Sedlitz, Meißen, mit je 116 Mann 
belegt. Von Torgau aus wurden nach Pretsch und Lichten- 
berg, von Moritzburg nach Übigau, von Sedlitz nach Pill- 
nitz, von Meißen nach Waldheim Leute „detachiert“. Später 
haben die Einrichtungen wiederholt gewechselt. 1764 wur- 
den die Garnisonkompagnien aufgelöst, dafür je eine Halb- 
invaliden-Kompagnie in Barby und Gommern errichtet. 
Auch Liebenwerda und Eisleben (1769) und Colditz (170°5) 
erhielten Halbinvaliden-Kompagnien. 1821 wurden die noch 
bestehenden Halbinvaliden- Kompagnien (Waldheim und Col- 
ditz) aufgelöst und daraus eine Garnisondivision für die 
Festung Königstein gebildet, die schließlich 1841 aufgehoben 
wurde. Bis zu dieser Zeit zog sich also jene Invaliden= 
versorgungs-Art hin, ja noch im Invalidenversorgungs- 
Gesetz von 1871 sind die Invalidenkompagnien als eine 
freilich im Aussterben begriffene Fürsorgeeinrichtung er- 
wähnt. 
Je nach der Zahl der vorhandenen Invaliden wurden die 
Garnisonen nicht voll belegt und die überschüssigen Gelder 
angesammelt, um bei Uberfüllung oder in Notfällen wieder 
verwandt zu werden. Der eigentliche Zweck dieser Kom- 
pagnien war, die Leute wenigstens noch den in jener Zeit 
recht vielseitigen Garnisonsdienst versehen zu lassen, der 
sich großenteils mit dem Ordnungsdienst deckte, den heute 
Grenzaufseher, Polizei, Rentamtsleute, Gerichtsvollzieher 
usww. versehen, namentlich auch im Postenstehen an den 
Toren der Städte, an Brücken, bei Zeug= und Jollhäusern, 
auf Schleichtwegen und bei der Beaufsichtigung der arbei- 
tenden Sträflinge bestand. Das hohe Alter, das die Leute 
hatten und die Leiden, die sie invalid gemacht, ohne daß 
sie den Militärdienst aufgeben sollten und wollten, machte 
indes diesen Dienst vielfach unmöglich. Das erhellt sinn- 
fällig aus einer Musterliste vom 20. August 1738, wonach 
von 142 Köpfen nur 54 als „Schildergäste“ (d. h. zum 
Postienstehen) fähig, die übrigen vollständig dienstunbrauch= 
bar waren. Ec erscheint nicht recht verständlich, warum 
man an diesen Invalidenkompagnien unter solchen Um- 
ständen recht zäh festgehalten hat. Sie ist nur erklärlich 
aus der Abneigung der bürgerlichen Bevölkerung gegen die 
Soldaten, aus der gegenseitigen Entfremdung, und auch 
daraus, daß viele Ausländer in der Armee dienten, die 
keine Heimat hatten und allzu leicht dem Bettel und dem 
Elend anheim fielen, wenn man sie mit dem geringen Ren- 
tengeld in die ihnen besonders fern stehende Bevölkerung 
überzuführen suchte. 
Die Überladung mit gebrechlichen Leuten in den Kom- 
pagnien mag in Sachsen auch noch größer als sonst gewesen 
sein, da hier nie ein Invalidenhaus errichtet worden ist. 
Ee ist das eine Erscheinung, die uns heute, wo wir keinen 
besonderen Wert mehr auf solche Invalidenhäuser legen, 
ja vor allem darauf bedacht sind, den Invaliden wieder in 
seinen Familienkreis zu bringen und wo irgend möglich, 
ihn auch einem Tätigkeitskreis zuzuführen, den selbst der 
Bettlägerige noch mit Hilfe seiner Umgebung einigermaßen 
auszufüllen vermag, nicht im mindesten absonderlich dünkt. 
In der damaligen Zeit aber war es etwas Ungewöhnliches. 
Denn das Beispiel Ludwig XIV., der 1674 das noch bestehende 
große und prunkvolle Invalidenhotel in Paris gründete, 
war damals, wo Heereseinrichtungen, wie alle Kultur, aus. 
Frankreich ihre maßgebenden Einflüsse erhielten, ein Ansporn 
für die übrigen europäischen Fürsten, den gleichen Gedanken 
zu verwirklichen. Das Interesse war so groß, daß Lud- 
wig XIV. in einem Prachtwerk Bau und Einrichtungen 
des Invalidenhotels bis ins einzelne sehildern ließ. Nach 
diesem Muster erstanden dann, teils in enger Anlehnung 
an die Pläne, teils in Nachahmung des Gedankens 
eines zentralisierten Heimes für die Invaliden, die großen 
Invalidenhäuser in Chelsea (1682), Kilmainham, Green-
	        
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