Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

fangenen, soweit das der Stoff= und Ledermangel zuließ, 
ausbesserten. 
Wir sehen, die deutsche Heeresverwaltung hat es auch 
hier an nichts fehlen lassen, um den Kriegsgefangenen den 
Aufenthalt im feindlichen Lande so erträglich wie möglich 
zu machen. 
2. Die Ernährung 
Wichtiger fast als die Frage nach der Wohnung war die 
nach der Verpflegung. Das ist richtig sowohl vom Stand- 
punkte der Gefangenen als von dem des Ernährers aus ge- 
sehen. Die Aufgaben, die diesem infolge der ungeheuren 
Zahl der fremden Esser und der unerwarteten Länge des 
Krieges erwuchsen, sind der JZahl nach unübersehbar und 
im Hinblick auf ihre Schwierigkeit zeitweise beinahe un- 
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oder Zelthäuserstädten, für die Verpflegungsgeräte in 
so großem Umfange und in der kurzen zeit zu beschaffen 
beim besten Willen nicht möglich erschien. Da mußten die 
Gefangenen zunächst aus den benachbarten Truppenküchen, 
die infolge der kriegsstarken Truppenteile auch schon über- 
lastet waren, gespeist werden. Kamen sie nachts an, so 
stand allerdings das erste Mahl sogleich bereit; aber da 
nicht selten 5—6000 Mann darauf warteten, so galt es 
für die letzten Hunderte dieser ausgehungerten Gesellen, 
eine schwere Geduldsprobe zu bestehen. Die erschien be- 
sonders den Russen furchtbar, die an Magenerweiterung zu 
leiden schienen, denn sie gebärdeten sich sogar nach dem ersten 
Nachtmahle wie hungrige Wölfe, als ihnen nicht ein ganzes 
Brot, sondern nur zwei bis drei Pfund davon verabreicht 
  
  
    
  
Gefangenenlager Zwickau 
lösbar gewesen. Stellte man sie alle wohlgeordnet neben- 
einander mit ihren mehr oder weniger gelungenen Lösungen, 
mit den nötigen Untersuchungen und Versuchen, mit den 
unzähligen Verordnungen und Anweisungen, so erhielte man 
nicht nur eine fesselnde, weil erstaunlich reichverschlungene 
Entwicklung des Ernährungswesens in den deutschen Kriegs- 
gefangenenlagern, sondern eine ganz neue Wissenschaft. Es 
kann hier nicht darauf ankommen, beides auch nur in den 
Grundzügen darzustellen. Aber die Vielgestaltigkeit der 
Schwierigkeiten, die Riesensumme der Arbeit, die deutsche 
Gewissenhaftigkeit sollen im allgemeinen und an einzelnen 
Beispielen gezeigt werden, damit der Leser sieht, wir können 
selbst auf diesem Gebiete nicht nur mit bestem Gewissen, 
sondern auch mit greifbaren Beweisen vor unsere einstigen 
Feinde treten und sagen: „So handelte ein ritterliches und 
gebildetes Volk trotz aller bittersten Entbehrungen am 
eigenen Leibe.“ 
Als Ende August 1914 die ersten Züge mit Kriegs- 
gefangenen in Sachsen eintrafen und diese nach den vor- 
bereiteten Lagern geführt wurden, da gab es zwar keine 
Schwierigkeiten der Verpflegung in den dafür in Frage 
kommenden Truppenhallen, weil hier schon in Friedenszeiten 
alle für eine Massenspeisung notwendigen Einrichtungen 
vorhanden waren, wohl aber in den neuerrichteten Holz- 
werden bonnten; ja ihr Magen war so leistungsfähig, daß 
später eimmal 60 Mann, die Kartoffeln und Rüben zu- 
bereiteten und als Lohn für ihre fleißige Arbeit zur 
Mittagskost die Menge vorgesetzt erhielten, die für etwa 
500 Mann berechnet war, den Inhalt dieser Kübel rest- 
los aufzehrten, am Nachmittage aber bereits wieder an 
grünen Rüben kauten. Am lichten Tage, wo die Küchen auch 
für die überzahlreichen deutschen Wehrleute zu sorgen 
hatten, zog sich die Verpflegung der Gefangenen sehr in 
die Länge, manchmal über den ganzen Tag bin. Es kam 
die ersten Tage vor, daß man vormittag um 10 Uhr die 
letzten Russen mit den Kaffeeimern durchs Lager ziehen 
sah, streug bewacht von deutschen Landsturmleuten. 
Nach und nach verschaffte sich das Kriegsgefangenenlager 
selbst die nötigen Einrichtungen zur Verpflegung seiner 
Insassen. Diese wurde von der Heeresverwaltung in 
der Zeit vom August 1014 bis Frühjahr lols in die Hände 
von Unternehmern gelegt. Sie erhielten als Verpflegungs- 
satz auf Kopf und Tag o,60 Mark und hatten dafür die 
volle Tagesverpflegung außer Brot zu liefern, d. h. das 
Gleiche wie die Heeresverwaltung für ihre Truppen im 
Lande zu leisten. Die Kost sollte ztwar einfach, aber sättigend 
sein und sowohl die Arbeitsleistungen als auch die Heimat- 
gewohnheiten der Gefangenen berücksichtigen. Es war
	        
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