Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

zahlt wurden, 15 v. H. niedriger sich stellten als die des 
Großhandels und sich um 50 v. H. unter denen des Klein- 
handels hielten. Nicht immer freilich haben sich die Formen 
des Zwischenhandels ausschalten lassen. Die menschliche 
Selbstsucht hat auch hier ihre Opfer gefordert. 
Den Lagern nun, insonderheit den großen, erwuchsen 
durch die Einführung der Eigenwirtschaft auf dem Gebiete 
der Ernährung sowie durch die straffe Vereinheitlichung in 
dieser Hinsicht bedeutende Aufgaben, denen gegenüber die 
Lieferungen durch das Kriegsministerium nicht allzusehr 
ins Gewicht fielen. Ihre Lösung im allgemeinen lag der 
Küchenverwaltung ob, die in jedem Lager einzurichten war. 
Sie bestand aus dem Verpflegsoffizier, dem Lagerarzt und 
dem Zahlmeister. Diese Männer hatten darüber zu wachen, 
daß die von der Wissenschaft und der Verwaltung auf- 
gestellten Grundsätze in der Küche auch wirklich durchgeführt 
wurden. 
Diese war im Laufe der Zeit erstaunlich zweckmäßig ein- 
gerichtet worden. In der Regel hatte jedes große Lager 
soviel Küchen, als es getrennt voneinanderliegende Teile 
aufwies, etwa eine für Franzosen, eine für NRussen, eine 
für die übrigen Gefangenen. Jede Küche befand sich in 
einem geräumigen lichten Holzhause, in einer Wehrhalle 
oder auch in einem andern Gebäude. Darin sind je nach 
der Größe des Raumes und nach der Zahl der zu ver- 
pflegenden Gefangenen zwei oder mehr Kessel aufgestellt, 
deren jeder etwa 500 Liter fassen kann und an eine Wasser- 
leitung angeschlossen ist. Elektrische Lichtanlagen sorgen für 
Beleuchtung während der Nacht. Die übrige Ausstattung 
besteht aus zahlreichen Blechgefäßen, hölzernen Bottichen, 
Maschinen aller Art, die zur Vorbereitung der Rohstoffe, 
wie des Fleisches, der Kartoffeln, des Gemüses notwendig 
sind, aus Bänken und Tischen. Der Wochenspeiseplan, von 
dem wir ein Beispiel kennen, hängt, vom Lagerbefehlshaber 
und dem Verpflegsoffizier unterschrieben, an einer auf- 
fallenden Stelle, damit sich jeder Gefangene davon über- 
zeugen kann, wieviel ihm an Nahrungsmitteln in rohem 
Zustande zusteht. 
In der Nähe der Küchen liegen die Keller und übrigen 
Vorratsräume. Überall arbeiten die Männer fleißig. An 
den Kesseln stehen die kriegsgefangenen Köche, von denen 
viele Meister in ihrem Berufe sind und in ihrer Heimat 
einen Ruf genossen. In den Kellern und anderen Vorrats- 
gelassen arbeiten andere Gefangene; sie schaffen die Roh- 
stoffe herbei, die der Bearbeitung harren. Gegen 60 Mann. 
schälen Kartoffeln Tag für Tag. So leisten die Kriegs- 
gefangenen selbst die Hauptküchenarbeit für ihre Kameraden. 
Dieser Umstand flößt den Kostgängern großes Vertrauen 
ein und gibt ihnen die Gewißheit, daß aus den Nährmitteln 
eine gute Mahlzeit bereitet wird. 
Die Aufsicht führt ein deutscher Küchenunteroffizier, von 
dessen Reinlichkeitssinn, Ordnungsliebe, Rechtlichkeit und 
Gewissenhaftigkeit das leibliche Wohl seiner Pflegebefoh- 
lenen zu einem guten Teile abhängt. Ihm unterstehen 
auch der kleine Herd, auf dem Tunken hergestellt und Fette 
ausgebraten werden, und die Probierküche, in der neue 
Gerichte nach Art, Menge und Preis ausgeklügelt werden 
können. 
Zu den einzelnen Mahlzeiten — morgens, mittags und 
abends — kommen die Kriegsgefangenen der einzelnen 
Häuser oder Zelte mit großen Eimern oder Kübeln zur 
Küche und holen die für sie bestimmten Mengen ab. Die 
Verteilung erfolgt dann in der Unterkunft durch die 
Altesten. An langen Tischen nehmen die Gefangenen das 
Mahl ein. Schüssel, Löffel, in vielen Fällen sogar Messer 
und Gabel, sind ihre Eßbestecke. Nicht immer mundet das 
Dargebotene, und nicht alle sind damit zufrieden. Die 
Feinschmecker greifen dann in ihre Kisten und Kasten und 
holen Gaben heraus, die ihnen die Heimat gespendet. 
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Eine der größten Sorgen bereitete der Lagerverwaltung 
die Zubereitung des Brotes, das im Laufe von reichlich 
vier Jahren mannigfacher Anderung in bezug auf Menge 
und Güte unterworfen gewesen ist. Das wundert uns 
nicht. Der Vorgang erklärt sich aus den gleichen Gründen, 
aus denen auch jedem Deutschen im Kriege der Brotkorb 
allmählich höher, ja sehr hoch gehängt werden mußte. Den 
Lagern überließ man gegen Bezahlung Mehl. Daraus 
stellten sie in eigenen oder in der Nachbarschaft gelegenen 
leerstehenden Bäckereien Brot her. Auch hier leisteten die 
Kriegsgefangenen selbst die Arbeit unter Aufsicht von 
Deutschen. 
Um sich in mancher Hinsicht unabhängiger vom Lebens- 
mittelmarkt zu machen, gingen die Lager dazu über, selbst 
Nahrungemittel zu erzeugen. Sie pachteten in ihrer Um- 
gebung größere oder kleinere Güter und trieben darauf 
Landwirtschaft, Gemüsebau und Viehzucht. Wo die richtigen 
Männer am rechten Platze gestanden, d. h. wo Fachleute 
die Betriebe geleitet haben, dort sind bedeutende Erfolge 
erzielt worden; im andern Falle hat es an Mißwirtschaft 
nicht gefehlt. 
Denn es war keine Kleinigkeit, in mustergültiger Weise 
die Flächen zu bebauen und einen zweckentsprechenden Vieh- 
bestand zu beschaffen und zu erhalten. Die Facharbeiter 
dafür fand man unter den Kriegsgefangenen, besonders 
den Russen und Serben. Sie haben da gelernt, was es 
heißt, zum Teil dürftigem Boden Schätze abzugewinnen. 
Weite Flächen haben sie bestellt, um Roggen, Gerste und 
Hafer hineinzusäen oder Kartoffeln hineinzulegen. Die 
Ernten waren wie alle Kriegsernten nicht immer mittel- 
mäßig. 
In den Lagern oder auf den Gütern hielt man große 
Hühnervölker, um Eier für die Kranken oder andere Zwecke 
zu gewinnen, und Gänseherden, um den deutschen Mann- 
schaften wenigstens zu Weihnachten einen Braten bescheren 
zu können. Wichtiger aber erschien die Schafzucht und die 
Pflege der Rinder und Schweine. Diese ergab von selbst 
die Einrichtung der Milchwirtschaft, der Molkerei, Käserei 
und Schlachtanstalt. Dadurch gelang es, die deutschen 
Truppen, die übrigen Lagerbewohner und die Gefangenen 
bis zu einem gewissen Grade zu ernähren, ohne dem be- 
nachbarten Gemeindeverband zur Last zu fallen, und alle 
Küchenabfälle, die bei einer solchen Massenverpflegung sehr 
reichlich immer vorhanden waren, am sinngemäßesten zu 
verwenden. Man denke nur an eine Kleinigkeit, an die 
Verarbeitung der Knochen. Wieviel Fett ergab sie zur Be- 
reitung der Margarine und wieviel Knochenmehl zur 
Düngung der Felder. So entwickelten sich einzelne Lager 
zu einem ganz selbständigen Ernährungsbereiche. 
Freilich reichten all die Erzeugnisse der Landwirtschaft, 
der Gärtnerei und Viehzucht bei weitem nicht aus, um 
die größte Zahl der Lagerinsassen vollständig zu ernähren. 
Kartoffeln, Gemüse und Mehl mußten nach wie vor von 
auswärts bezogen werden. 
Aber selbst bei sorgsamster Lagerverpflegung hatten viele 
Gefangene das Bedürfnis, diese nach ihrem Geschmacke zu 
ergänzen. Dazu dienten einmal die Liebesgaben, die ihnen 
die Heimat oder irgendein Ausschuß der gegen uns ver- 
bündeten Länder spendete, und zwar in ungeheuren Massen, 
das andere Mal die Verkaufsstellen, die in jedem Lager ein- 
gerichtet worden waren und besonders 1914—17 auch 
Nahrungemittel feilhielten. 
Auch diese Lagerläden waren im ersten Halbjahre in 
den Händen der Unternehmer und wurden später von der 
Lagerverwaltung übernommen. Sie boten den Gefangenen 
alles, was sie zum Leben brauchten; besonders in den ersten 
beiden Jahren des Krieges glichen sie Großstadtwaren= 
häusern, nicht allein in Hinsicht auf die Reichhaltigkeit der 
Lager, sondern auch in bezug auf den Verkehr, der sich
	        
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