Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

darum, so gut es eben ging, damit, daß sie zur Anfertigung 
der Oberkleidung das freie Handwerk heranzogen und die 
Stoffe im Handel aufzukaufen suchten. Später traten die 
Kriegsbekleidungsämter als Lieferstellen mehr und mehr 
in den Vordergrund, und die Sicherstellung der Rohstoffe 
erfolgte einheitlich für das ganze Reich durch das Be— 
kleidungsbeschaffungsamt des Preußischen Kriegsministe- 
riums in Berlin. Die Besehlagnahme der Web-, Wirk= und 
Strickwaren, die durch den Mangel an Nohstoffen not- 
wendigerweise eintreten mußte, führte dazu, den Lagern den 
Eriverb von Bekleidungsstücken im regelrechten Handel zu 
verbieten, ebenso den Arbeitgebern den Ankauf von Kriegs- 
gefangenen-Arbeitskleidung. Die außerhalb der Heeresbe- 
stände vorhandenen Vorräte sollten eben ganz und gar der 
auch schon notleidenden Bevölkerung zugute bommen. Die 
Lager hatten dafür ihren Bedarf an Kriegsgefangenenklei- 
dung bei den Kriegsbekleidungsämtern anzumelden. Diese 
sorgten für rechtzeitige und genügende Lieferung, so daß 
die Gefangenen allenthalben mindestens ebenso sich kleiden 
konnten wie die deutsche Bevölkerung. 
Viele erhielten ja außerdem, wie schon angedeutet, Be- 
kleidungsstücke als Liebesgaben. Das war schon immer 
zulässig. Dagegen verbot die Heeresverwaltung wiederholt 
Einzel= und Sammelsendungen der feindlichen Regierungen, 
weil sie sich nicht nachsagen lassen wollte, sie vernachlässige 
die im Haager Abkommen festgelegte Verpflichtung, für die 
Bekleidung der Kriegsgefangenen zu sorgen. Die Not der 
Jeit aber zwang sie dazu, auch dies Verbot aufzuheben. Die 
übersandten Bekleidungsstücke mußten, soweit Oberkleidung 
in Frage kam, entweder vorschriftsmätige Wehranzüge des 
sendenden feindlichen Staates sein oder aus Rock und Hose 
von schwarzem oder dunklerem Stoffe bestehen, die beide 
dann mit den vorschriftsmäßigen Abzeichen zu versehen 
waren. Erklärte sich der Empfänger mit dieser Maßnahme 
nicht einverstanden, so erfolgte die Aufbewahrung oder 
Jurücksendung der Stücke. 
Ganz besondere Aufmerksamkeit verwendete die Heeres- 
verwaltung auf die Beschaffung der Fußbekleidung für 
Gefangene. Diese wurde von den Ersatztruppenteilen und 
vom Juli 1016 ab von dem in Chemnitz errichteten Be- 
kleidungs-Instandsetzungsamte geliefert und bestand in Stie- 
feln und Schnürschuhen, die für Heereszwecke nicht mehr 
tauglich schienen. Da ihre Zahl bald nicht mehr ausreichte, 
so griff man zu Holzschuhen und Zweischnallern, d. h. zu 
Schuhen mit Holzsohle und ledernem Oberteile. Diese ver- 
wendeten die Gefangenen dort, wo sie Lederschuhwerk nicht 
unbedingt brauchten, und als zweites Paar Schuhe. Die 
Lieferung des gesamten Bedarfes an Holzschuhen für die 
Heeresverwaltung übernahm schon 1916 das Bekleidungs- 
Beschaffungsamt. 3u gleicher Zeit richtete man in Duisburg 
ein Holzschuhlager als Abnahmestelle ein. 
Freilich all diese Vorkehrungen genügten nicht, wenn man 
der wachsenden Zahl der Gefangenen und dem zunehmenden 
Bedarfe des deutschen Heeres gerecht und der rasch fort- 
schreitenden Lederknappheit Herr werden wollte. Man mußte 
auf die Beschaffung von Ersatzstoffen sinnen. So kamen 
die Holzsohlen und die Papierstoffgewebe auf. Oaraus 
liessen die Kriegsbekleidungsämter einen Einheitsschnürschuh 
für Gefangene herstellen. Der bestand aus Holzsohle, Pa- 
pierstoffgewebe und Lederabfällen. Diese dienten nur als 
Besatz, Einfassung und Unterlage. Neben dem von der deut- 
schen Heeresverwaltung gelieferten Schuhwerke durften die 
Giefangenen auch ihr eigenes tragen. 
Die Kosten für die gesamte Bekleidung der Kriegs- 
gefangenen teug die deutsche Heeresverwaltung, auch die für 
Beschaffung der Arbeitsbleidung auflaufenden, denn diese 
wurden zwar von den Arbeitgebern zunäehst bestritten, ihnen 
dann aber in Teilbeträgen von höchstens 30 Pfennigen für 
Kopf und Arbeitstag zurückerstattet. Die Deckung sollte 
ihre Tragezeit wesentlich zu verlängern. 
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vornehmlich aus den Ersparnissen an Verpflegungogeldern 
und der Pacht von Verkaufssiellen erfolgen, dann aber 
auch aus den Summen, die zur Bestreitung der Neben- 
bedürfnisse der Gefangenen — 3 Pfennige auf Kopf und 
Tag — diente. Dies Verfahren erwies sich jedoch als 
unzweckmäßig, weil dabei die Ubersicht über die einzelnen 
Kassen verloren ging, und weil die verfügbaren Mittel nicht 
ausreichten. Es blieb nichts anderes übrig, als die gesamten 
Kosten auf den Kriegshaushaltplan, und zivar auf den 
Teil des Gefangenenwesens, zu übernehmen. 
Neben der Beschaffung der Kleidungsstücke spielte auch 
deren Ausbesserung nach Gebrauch eine große Nolle. Jedes 
Lager richtete darum Schneider= und Schuhmacherwerk- 
stätten ein, die im Laufe der Zeit sich zu wahren Un- 
getümen auswuchsen. Die Arbeit leisteten auch hier die 
Kriegsgefangenen als Berufsarbeiter unter deutscher Auf- 
sicht selbst. So wurden in jedem der sächsischen Mann- 
schaftslager je nach ihrer Größe 40—6"5 Arbeiter in dieser 
Weise beschäftigt und monatlich 2000—8000. Bekleidungs- 
stücke ausgebessert oder umgearbeitet. Sogar die großen 
Arbeitsabteilungen, die in den verschiedensten Orten Sachsens 
entstanden waren, richteten solche Flickstuben ein. Die klei- 
neren und kleinsten gaben die ausbesserungsbedürftigen 
Stücke, soweit sie nicht von den Gefangenen selbst wieder 
bergestellt werden konnten, an das Stammlager oder an 
das nächstgelegene große Arbeitslager ab. Die Ausbesse- 
rungöstoffe lieferte die Heeresverwaltung durch die Kriegs- 
bekleidungsämter, die Truppenplatzverwaltungen und in ver- 
einzelten Fällen durch Händler. Über die Verwendung 
herrschte strengste Aufsicht. Durch all diese Maßnahmen 
gelang es, die Bekleidungsstücke rechtzeitig auszubessern und 
Der allmählich 
eintretende Mangel an Flickstoffen und Nähzwirn hob leider 
die Wirkung teilweise wieder auf. 
Auch die Kosten der Instandhaltung aller Gefangenen= 
kleidung bestritt die Heeresverwaltung. Nur in Sachsen be- 
stand in dieser Beziehung eine Ausnahme insofern, als die 
Arbeitgeber, die Kriegsgefangene ohne Bewachung beschäf- 
tigten, die Ausbesserungsarbeiten auf ihre Kosten ausführen 
lassen mußten zum teilweisen Auögleich dafür, daß sie die 
Zulagen an die Wachtleute und als landwirtschaftliche Arbeit- 
geber die Unterbringung und Verpflegung der Posten er- 
sparten. Die Kleiderreinigungskosten für die im Stamm- 
lager sich aufhaltenden Kriegsgefangenen wurden aus dem 
erwähnten Fünfpfenngstock bestritten, während sie von den 
auf Arbeit gehenden aus ihrem Verdienste gedeckt werden 
mußten. 
Besondere Bestimmungen regelten die Bekleidung der 
als Bürger Gefangenen, der Deutschrussen und der kriegs- 
gefangenen Offiziere. 
Jene hatten für ihre Kleider selbst zu sorgen und sie vor 
allem selbst zu bezahlen. Nur wenn ihnen hierfür die 
Mittel fehlten, und ihre Kleidungsstücke unbrauchbar ge- 
worden waren, bleidete sie die Heeresverwaltung wie die 
Kriegsgefangenen ein. Da die beiden Voraussetzungen in 
den meisien Fällen vorlagen, so erhielten sie ihre Beklei- 
kleidung eben aus den Beständen der Stammlager. Erst 
seit Einführung des Bezugscheinverfahrens war das nicht 
mehr statthaft; die Beschaffung der notwendigen Kleidung 
hatte vielmehr auf dem Wege des Ankaufes ium freien Handel 
zu erfolgen. Den Bezugschein stellte die Behörde des Be- 
reiches aus, zu dem das Stammlager gehörte, in dem 
sich der Gefangene aufhielt, und zwar nur, wenn die un- 
bedingte Notwendigkeit der Beschaffung durch den Lager- 
befehlshaber bescheinigt war. 
Auch die einzeln untergebrachten oder in einer reinen 
Deutscheussenakteisum arbeitenden deutschrussischen Kriege- 
gefangenen hatten sich ihre Kleidung auf dem gleichen Wege 
zu beschaffen. Allerdings erbielten sie dazu von der Heeres-
	        
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