Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

die sehr fleißig übten und dann den Lagereinwohnern gegen 
ein niedriges Eintrittsgeld Vorstellungen gaben. Diese 
standen nicht selten auf bewundernswerter Kunsthöhe. Die 
Ausstattung der Spielräume stellten die Kriegsgefangenen 
zum Teil mit einfachsten Mitteln selbst her oder kauften 
sie durch Vermittlung des Lagers. Die Musiker bezogen 
die Tonträger entweder aus der Heimat oder ließen sie in 
Sachsen für eigenes Geld beschaffen. Die Russen allerdings 
verstanden ihre so beliebte Balalaika selbst herzustellen. 
Nicht unerwähnt mag bleiben, daß die bürgerliche Kleidung, 
die in manchem Schauspiel getragen wurde, die Gefangenen 
zu Fluchtversuchen verführte. Zeitweise verbot darum das 
Lager jede Schauspiel- und Musikaufführung. Das wurde 
immer als harte Maßregelung empfunden, denn die Ge- 
fangenen strömten sonst in Haufen zum Musenhause, wie 
auch die Uberschüsse aus den Ein- 
trittsgeldern bewiesen, die in die 
Kasse des Kriegsgefangenen-Hilfs- 
ausschusses flossen. 
Weniger künstlerisch veranlagte 
Gefangene der gelehrten Berufe, wie 
Lehrer, Rechtsgelehrte u. a., er- 
öffneten Unterrichtsgänge, besonders 
zur Fortbildung in den Sprachen, 
oder hielten Vorträge in bestimm- 
ter Sachfolge. Dann richteten sie 
Büchereinen ein, für jedes Volks- 
tum eine, und zwar durch Neu- 
käufe aus dem deutschen Buchhan- 
del, durch Schenkungen aus den 
Heimatsendungen oder durch Über- 
weisung von Büchern durch Für- 
sorgeausschüsseoder Heimatanstalten. 
So sandten die Hochschulen Genf 
und Freiburg in der Schweiz wieder- 
holt leihweise wertvolle wissenschaft- 
liche Bücher für studierende Kriegs- 
gefangene, die durch den Krieg aus 
ihrer Arbeit herausgerissen worden 
waren, und zwar erfolgten diese für- 
sorglichen Sendungen größftenteils auf Grund der geäußerten 
Wünsche. 
Jeitungen allerdings waren anfangs ausnahmslos ver- 
boten, deutsche wie fremdsprachliche; bald aber erschienen 
die von unserer Heeresleitung selbst herausgegebenen, in 
deutschem Sinne wirkenden fremdsprachlichen Zeitungen wie 
Le Bruxellois, La Gazette des Ardennes, Der russische Bote 
u. a. m. Diese kamen zunächst in großer Zahl kostenlos 
zur Verteilung unter die Kriegsgefangenen; später waren 
sie in den Lagerverkaufsstellen für Geld erhältlich und 
wurden auch von den Arbeitsabteilungen regelmäßig bezogen. 
Im weiteren Verlaufe des Krieges erlaubte man in jedem 
Lager eine Anzahl ausgewählter deutscher Zeitungen, die 
vor Aushändigung an die Gefangenen von der Postprüfungs- 
stelle auf ungeeignete Stellen hin durchzusehen waren. Zu- 
letzt durfte jede deutsche Zeitung im Lager Eingang finden, 
allerdings nur durch Vermittelung der zuständigen Lager- 
stelle. Außerdem haben manche Lager den Versuch gemacht, 
eine eigene Zeitung herauszugeben. Er ist aber in jedem 
Falle nach kurzer Zeit gescheitert. 
Bei der Auswahl der Bücher wie Zeitungen spielte die 
Rücksicht auf die Kirchlichkeit und den Glauben der Leser 
eine gewisse Nolle. Die eigentliche Seelsorge begann da 
schon. Sie nahm unter den Maßnahmen der Lager, die 
auf Seelenpflege abzielten, eine hervorragende Stellung 
ein. Das erscheint ganz natürlich dem, der da weiß, daß 
nach Abschnitt 18 des Haager Abkommens jedem Kriegs- 
gefangenen volle Glaubensfreiheit und Teilnahme am 
Gottesdienste zu lassen ist und die Einhaltung dieser Be- 
   
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stimmung innerhalb des Lagerbetriebes äußerst schwierig 
war. Soweit die Offiziersgefangenenlager in Betracht 
kamen, war sie noch am leichtesten auszuführen, wie schon 
früher angedeutet worden ist. Anders in den Mannschafts- 
lagern. 
Hor- traten von Anfang an die kriegsgefangenen Geist- 
lichen selbst als Seelsorger auf, worauf vorübergehend auch 
schon hingewiesen wurde. Unter den Franzosen waren das 
Soldaten. Alle diese Kriegsgefangenen genossen von dem 
Augenblick an, wo sie als Geistliche anerkannt waren, die 
Unterkunft und Behandlung, wie sie sonst nur Offizieren 
zustand, behielten hingegen ihren ursprünglichen Dienst- 
grad, was ja für einen etwa beabsichtigten Austausch wesent- 
lich sein konnte. 6 
Sie beschränkten ihre Tätigkeit nicht bloß auf das Lager, 
Bücherei des Gefangenenlagers Königsbrück 
sondern gingen auch, von einem Zweisprachler begleitet, 
nach den großen Arbeitsabteilungen in Sachsen und ließen 
die vereinzelt arbeitenden Volksgenossen an einem bequem 
zu erreichenden Bereichsmittelpunkt zum Gottesdienste zu- 
sammenkommen. Seit Ende 1917 erlitt dieser Außendienst 
eine merkliche Einschränkung, indem er sich nur noch auf 
die großen Zweig= und Sammellager, wie Großporitsch bei 
Zittau, Olsnitz im Erzgebirge, Altenberg-Geising und aus- 
nahmsweise auf die größten Arbeitsabteilungen, z. B. 
Braunkohlenwerke Hirschfelde bei Zittau, erstrecken durfte. 
Allen Gottesdiensten und sonstigen Seelsorgehandlungen 
wohnte ein deutscher Zweisprachler bei, um Mißbräuchen in 
Form von Verhetzung und anderem üblem Einfluß vor- 
zubeugen oder auf die Spur zu kommen. Eine Ausnahme 
machte die Beichte. Daß solche Vorsichtsmaßregeln not- 
wendig waren, beweist der Umstand, daß kriegsgefangene 
Geistliche ihren Landsleuten zur Flucht verholfen, in den 
Arbeitsabteilungen zu hetzen versucht und zwischen diesen 
und dem Stammlager Nachrichten vermittelt hatten. Die 
Lagerkirche, die während des ganzen Tages geöffnet war, 
ist sogar in einem Falle zu unerlaubten Versammlungen, 
in einem anderen zur Vorbereitung auf Flucht benützt 
worden. Aus diesen Gründen mußte man bei der Auswahl 
der fremden Geistlichen vorsichtig verfahren und die Wander- 
seelsorge ihnen ganz entziehen. Diese wurde bald nur noch 
durch deutsche und am Kriege nicht beteiligte Geistliche 
auögeübt, die der fremden Sprache genügend mächtig waren. 
Die Franzosen erbaute der von ihnen hochgeschätzte Schweizer 
Pfarrer Nicole, der in Berlin amtierte, die übrigen Ge-
	        
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