Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

inneren Dienst geeignet, als stubenkrank oder als kranken- 
hauslägrig. Das fiel ihm nicht immer leicht, denn unter 
den Kriegsgefangenen spiegelten viele nicht selten Krank- 
heiten vor, um sich unangenehmen Arbeiten zu entziehen 
oder die Wege für späteren Austausch zu ebnen. Dafür 
sprachen zahlreiche in den Heimatsendungen vorgefundene 
Heil= und Kräftigungsmittel. Darum behielten die Lager 
alle solche Arzeneien inne. Sie gewährten dafür die zur 
Heilung notwendigen unentgeltlich, es sei denn, daß Kriegs- 
gefangene Sonderwünsche aussprachen. Als verantwortlich 
für die Verabreichung galt allein der zuständige Arzt. 
Lungen-, Gicht= und Gelsteskranke vereinigte man je in 
einem besonderen Lager, die ersten in Sprottau, die zweiten 
in Colberg, also außerhalb Sachsens, die dritten aber in 
Arnsdorf bei Dresden. 
Auch für die Zahnbehandlung der Kriegsgefangenen sorgte 
das Lager hinreichend. 
Den rein gesundheitlichen Maßregeln gingen die Sauber- 
keitsmaßnahmen zur Seite. Den größten Wert legte das 
Lager auf wiederholte Durchsäuerung der Kleider und 
Wäsche, auf peinliche Entlausung und allgemeine Sauber- 
keit. Es ordnete darum Kleiderdurchsichten an und ließ 
die Leute regelmäßig zum Bade führen. Kein Kriegs- 
gefangener, der von einer Arbeitsabteilung zurückkehrte, 
durfte sich unter die Lagerbewohner mischen, ohne daß seine 
Bekleidung durchsäuert und entlaust war, keiner auf Arbeit 
gehend das Lager verlassen, ohne sich der gleichen Behand- 
lung unterworfen zu haben. 
Nicht einfach erschien die Reinhaltung der Aborte, und 
doch mußte ihr die größte Bedeutung beigemessen werden, 
wie jede Haushaltung und jedes Gemeinwesen weiß. Erst 
im Laufe der Fgeit ließ sich hier ein Musterzustand er- 
reichen, aber auch nur in den größten Lagern, wo eine 
sachgemäße Behandlung der Abwässer möglich war. 
Die Fürsorge der Heeresverwaltung für die Gesundbeit 
der Gefangenen erstreckte sich aber nicht nur auf die Gegen- 
wart, sie dachte auch auf die Zukunft. In Dienstbeschädi- 
gungslisten legte man alle Vorkommnisse, die der Gesund- 
heit der Leute abträglich gewesen waren, und auf Grund 
deren diese bei ihrer Heimatobrigkeit Versorgungsansprüche 
erheben konnten, peinlich genau fest. Der Verletzte erhielt 
nach seiner Genesung über seinen Unfall einen Ausweis zu 
seinen Papieren, die er ja im Falle des Austausches oder 
der allgemeinen Heimbeförderung mitnahm. Allerdings 
händigte man ihm diesen Ausweis nicht aus, wenn eine 
teilweise oder völlige Erwerbslosigkeit nicht mehr vorlag. 
Die Entscheidung darüber wurde durch ein gewissenhaftes, 
darum oft umständliches Verfahren herbeigeführt. 
Wie die Unfälle in die genannten Listen, so wurden alle 
Krankheiten oder Erkrankungen genau in die Krankenblätter 
eingetragen, die dem Stammlager verblieben. Endlich führte 
dieses auch Arbeitsverwendungskarten ein, die den Kriegs- 
gefangenen auf alle Fahrten begleiteten. Darin stand, in 
welchem Grade jeder arbeitsverwendungsfähig war. Mit 
dieser Einrichtung verfolgte es neben andern vor allem den 
Zweck, die Kriegsgefangenen vor gesundheitsschädlichen Ar- 
beiten, d. h. hier vor überanstrengenden Leistungen zu be- 
wahren. Der Grad ihrer Leistungsfähigkeit wurde in ge- 
wissen Zeitabständen erneut durch den Arzt festgestellt. 
Weiter bann eigentlich die Sorge um die Gesundheit eines 
Menschen nicht reichen. So ist manch einer gesund in die 
Heimat zurückgekehrt, der vor Jahren krank und elend im 
sächsischen Kriegsgefangenenlager eintraf. 
5. Der Verkehr mit der Außenwelt 
Grundsätzlich durften Kriegsgefangene mit der Außen- 
welt persönlich nicht verkehren. Wo es nötig wurde, z. B. 
auf den Einzelarbeitsabteilungen, da geschah es entweder 
unter Aufsicht oder in genau umgrenztem Maße. Diese Ein- 
Sachsen in großer Jeit. Band lII 
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schränkung der persönlichen Freiheit mußten sie, da der 
Mensch nun einmal ein gesellschaftliches Wesen ist, sehr 
hart, ja als seelische Schädigung empfinden. Da eine solche 
aber mit den gesundheitlichen Bestrebungen der Lager in 
Widerspruch gestanden hätte, so trachtete man darnach, sie 
ganz zu verhindern oder wenigstens zu mildern. Aus diesem 
Grunde ersetzte man den persönlichen Verkehr der Kriegs- 
gefangenen mit der Außenwelt durch ihren Briefwechsel mit 
der Heimat. Der forderte eine straffe Regelung und scharfe 
Überwachung. Beides lag der Postprüfungsstelle ob, die 
jedes Lager eröffnete. Sie hat zum Segen der Kriegs- 
gefangenen eine gewaltige Arbeit geleistet. Galt es doch, 
die Riesenzahl der aus= und eingehenden Briefschaften, 
Pakete und Gelder ohne Stockung zu befördern, vor allem 
aber inhaltlich zu prüfen, um das deutsche Vaterland vor 
Schaden zu behüten oder Vorteile für es herauszuschlagen. 
Die wichtigste Voraussetzung für eine glatte Abwicklung 
solcher zahllosen Geschäfte bestand darin, daß aller Post- 
verkehr eines Kriegsgefangenen über sein Stammlager ge- 
geleitet wurde, ganz gleich, ob er sich dort aufhielt oder 
nicht, und eine wesentliche Erleichterung bildete die Fracht- 
freiheit jeder Postsendung, sofern sie den Vormerk „Kriegs- 
gefangenensendung“ trug. Ferner erschien es geboten, die 
Schreibfreiheit der Gefangenen auf ein bestimmtes Maß 
zu bringen, um eine Uberlastung der Post und der Prü- 
fungsstellen zu vermeiden. So sollte jeder berechtigt sein, 
wöchentlich eine Postkarte und monatlich zwei Briefe von 
vier, soweit Mannschaften in Frage kamen, und von sechs 
Achtelseiten, sofern er Offizier war, zu schreiben, und zwar 
anfangs mit Blei= oder Tintenstift, später aber zur Er- 
leichterung der prüfenden Leser und sicheren Erhaltung der 
Schrift mit Tinte und Feder. Ganz verschieden groß waren 
dabei die Karten und Briefe, die die einzelnen Lager zuließen. 
Erst Ende 1017 führte das Preußische Kriegsministerium 
ganz allgemein den ungemein zweckmäßigen Kartenbrief zur 
Verwendung ein, ohne allerdings die Zahl der Zeilen an- 
zugeben, die infolgedessen in den Lagern verschieden blieb. 
Für die eingehende Post kamen natürlich derlei Einschrän= 
kungen, einheitliche Formen usw., nicht in Betracht. 
Um einen Begriff von der unglaublichen Jahl der Post- 
sendungen, die im Laufe des Krieges in den sachsischen 
Lagern aus= und eingingen, zu bekommen, muß man sich 
einmal die eines einzigen Monats vergegenwärtigen. Ich 
greife den Monat Juli 1018 heraus, der wahrscheinlich eine 
Höchstleistung darstellt, und berücksichtige nicht nur, wie 
eigentlich zu erwarten, den Brief-, sondern vorgreifend zu- 
gleich auch den Geld= und Paketverkehr, um das Gesamt- 
bild nicht zu zerreißen, und zwar getrennt nach Mannschafts- 
und Offizierslagern, nach Eingängen und Ausgängen, in 
beiderlei Hinsicht geordnet nach der Herkunft der Kriegs- 
gefangenen, weil der kundige Leser daraus allerhand fesselnde 
Schlüsse ziehen kann: 
A. Mannschaftslager 
1. Eingang 
- : Post= Postan= Betrag Brief- 
berkunft Briefe karten weisungen Mark Pakete päckchen 
Franzosen. k 46933 1526 — 20501,40 73587 3476 
0) 
Belgier K 7 3 — — — — 
Engiänder. 9695 4220 148 = 1273,20 26040 1831s 
Russen. 544 5210 882 = 22700,41 2272 — 
(4170) 
Serben 157 2222 15— 990,32 232 — 
(118) 
Rumänen — 300 1— 10,00 37 — 
Ftaliener 1071 58641 1130 22062.65 16042 — 
(11157) 
Die in der Briefreihe geklammerten Zahlen bedeuten Briefe und 
Karten des Lagers Bautzen. 
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