Eingänge nach den bestehenden Gefangenengemeinschaften zu
sammeln und sie diesen im ganzen zur Auszahlung zu über-
weisen. Sodann errichtete man im Lager für jeden Gefangenen
ein Guthaben, auf das ihm ein Eingang überschrieben
wurde. Damit verfolgte man den Zweck, die Barschaft des
Empfängers in besiimmten Grenzen zu halten. Die bis
dahin noch immer übliche Jahlung in deutscher Währung
erwies sich nicht zweckmäßig, denn dadurch entzog man eine
große Summe Hartgeldes, besonders Nickel= und Kupfer-
geldes, dem Verkehre und konnte nicht verhindern, daß
die Gefangenen nach und nach doch durch große Sparsamkeit
größere Beträge deutscher Zahlungemittel anhäuften und
diese zu Bestechungs-, Kundschafter= und Fluchtversuchen
bemitzten.
Um diesen Nachteilen zu begegnen, führten die Lager
eignes Geld, sogenanntes Lagergeld, ein 1). Von da ab durfte
kein Kriegsgefangener mehr im Besitze von Bargeld sein.
Das konnte auf diese Weise wieder in Umlauf kommen. Wie
groß die Summe gewesen ist, geht daraus hervor, daß
am 1. Juli 1918 in sämtlichen sächsischen Lagern für
2652 139,00 Mark Lagergeld umlief. Diese Summe er-
höhte sich um die Lagerguthaben der Gefangenen, die am
genannten Tage weit über 1 Million Mark betrugen.
Auch die Entlöhnung der Kriegsgefangenen durch den
Arbeitgeber sollte nur durch Lagergeld erfolgen. Dies war
kein öffentliches JZahlungomittel, sondern fand nur im Ver-
kehre zwischen Gefangenen und den zuständigen Stellen
Verwendung. Es mag vorgekommen sein, daß sich Un-
befugte im Besitz solcher Werte setzten, aber der Miß-
brauch konnte den hohen Wert des Verfahrens nicht in
Zweifel ziehen.
Viele der arbeitenden Kriegsgefangenen wollten ihren
recht ansehnlichen Verdienst den Angehörigen in der Heimat
zugute kommen lassen. So entwickelte sich auch ein Geld-
verkehr nach den von uns besetzten feindlichen Gebieten.
Die Franzosen und Russen namentlich haben nicht un-
bedeutende Summen nach Hause geschickt.
Es könnten hier noch viele einzelne Züge angeführt
werden, um noch deutlicher zu beweisen, welches Riesenmaß
von Arbeit der Deutsche nur geleistet hat, um den Kriegs-
gefangenen den Verkehr mit der Außenwelt, mit der Heimat,
zu ermöglichen und zu erleichtern. Aber der Raummangel
zwingt uns dazu, uns an den dargestellten Hauptzügen
gemigen zu lassen. Es ist hier wie in Hinsicht auf Unter-
kunft, Ernährung, Bekleidung und Körper= wie Seelen-
poflege nichts unterlassen worden, was das Leben der Kriegs-
gefangenen in den Lagern hätte menschenwürdiger gestalten
können.
6. Die Einbeitlichkeit der Verwaltung
Daß alle Maßnahmen der Lager auf das Wohl der
Kriegsgefangenen abzielten, wie eben behauptet wurde, dar-
über wachte eine einheitliche Verwaltung. Die Notwendig-
keit der Einrichtung einer solchen ergab sich aus folgenden
Umständen: in Sachsen entstanden in wenig Monaten nach
Kriegsbeginn zehn Gefangenenlager, nämlich injedem Haupt-
wehrkreise fünf, und zwar in dem von Leipzig die Mann-
schaftslager Chemnitz, Golzern, Jwickau und die Offiziers-
lager Döbeln und Annaberg, in dem von Dresden ent-
sprechend drei von der ersten Art: Bautzen, Großporitsch und
Truppenübungsplatz Königsbrück, sowie ztwei von der anderen:
Bischofswerda und Festung Königstein; in dem einen wie
in dem andern wuchs die Fülle der Aufgaben unheimlich
rasch; damit trat die Möglichkeit in Sicht, daß in unserm
Vaterlande die Zahl der Lösungen sich mit der der Lager
deckte. Das konnte aber leicht gegen die Belange der Ge-
fangenen wie die unseres Volkes gehen. Um dies zu ver-
hindern, veranlaßte die Heeresverwaltung die Gründung
1) Abbildungen hiervon siehe Band! Seite 352
355
einer „Inspektion“, einer Aufsicht der Kriegogefangenen-
lager jedes Hauptwehrbereiches, in Sachsen einer einzigen
für beide Kreise.
Sie trat bereits im Anfange des Jahres 1915 in Kraft und
hatte ihren Sitz auf dem Truppenübungsplatze Königsbrück.
Generalmajor Stark leitete die Verwaltungsgeschäfte von
Anfang an bis Ostern 19190. Obwohl Berufssoldat, arbeitete
er sich rasch und sicher in das neue Gebiet ein. Dabei kam
ihm zustatten, daß er bereits das Gefangenenlager am Orte
verwaltet hatte und Befehlshaber des Truppenübungsplatzes
war. Ein echt deutscher Mann von unermüdlicher Arbeits-
kraft, musterhafter Vorurteilslosigkeit gegen jedermann,
vorbildlichem Gerechtigkeitssinn, peinlichster Ordnungsliebe
und Pünktlichkeit, richtete er all sein Sinnen und Denken
darauf, das Gefangenenwesen unseres Vaterlandes meister-
haft zu gestalten. Das ist ihm gelungen. Ich darf das
sagen, weil ich seine Arbeit über 3 ½ Jahre aus nächster
Nähe verfolgt habe und darum beurteilen kann. Das
werden ihm auch die Gefangenen selbst bestätigen. Eine
große Stütze fand er in seinem Gehilfen, dem Rittmeister
Schieck, der als sächsischer Verwaltungsbeamter und Rechts-
kundiger eine reiche Erfahrung in der Erledigung auch der
verwickeltsten Geschäfte mitbrachte. Ihm verdankte er ror
allem auch die Auswahl tüchtiger Mitarbeiter und Hilfs-
kräfte und die rechtzeitige Entfernung der Leute, die sich
im Laufe weniger Wochen als ungeeignet erwiesen.
Diese Verwaltung der Sächsischen Kriegsgefangenenlager
hat sich glänzend bewährt und würde noch wirkungsvoller
gewesen sein, wenn nicht die obersten Befehlsstellen der
beiden Hauptwehrkreise in ihre Geschäfte geredet hätten,
und sie nicht gezwungen gewesen wäre, nur über die voll-
ständig überflüssige Stelle des sächsischen Kriegominisie-
riums mit der höchsten Reichsbehörde zu verkehren.
Wie setzte sich aber die Aufsichtsbehörde zusammen? Nach
einer kurzen Entwicklung etwa so. Die Abteilung J regelte
alle Angelegenheiten, die sich auf Volkstum, Glauben, Aus-
tausch, Flucht, Strafmaßnahmen, Unfälle, Verkehr usw.
der Gefangenen bezogen. In jedem Lager befand sich eine
entsprechend arbeitende Abteilung. Das galt auch von den
folgenden, nämlich der Abteilung III, die im allgemeinen
alles ordnete, was die deutschen Mannschaften und Offi-
ziere in den dagern anging, der Abteilung IV, die die Ab-
rechnungen der Lagerkassen und Arbeitsabteillngen prüfte
und das Bekleidungswesen überwachte, die Abteilung V,
der die ganze Verpflegung unterstand, der Abteilung Gericht,
vor der die Straftaten der Gefangenen zur Aburteilung ge-
langten, soweit sie von den Stammlagern nicht gefühnt
werden durften, und der Abteilung II, die die Kriegs-
gefangenenbeschäftigung in richtige Bahnen lenkte. Sie
ist volkswirtschaftlich betrachtet bei weitem die wichtigste
Seite der Oberaufsicht gewesen.
An sie richteten die Arbeitgeber ihre Anträge auf Be-
schäftigung von Kriegsgefangenen zur Prüfung. Das hatte
zwar anfangs nicht viel zu bedeuten, wo es noch genügend
freie Arbeiter gab und man Gefangene aus irgendeinem
Grunde, nur nicht aus dem der Notwendigkeit beschäftigte,
entwickelte sich indes bald zu einer schwierigen Massenarbeit,
da durch die Einziehung der Männer zum Heeresdienste in
kurzer Zeit fast alle Volkswirtschaftsgebiete von Arbeits-
kräften entblößt wurden und die Arbeitgeber die Kriegs-
gefangenen als Ersatz für diese anforderten. Da galt es,
vor der Genehmigung der Anträge wichtige Feststellungen
über die Art der Betriebe, die Notwendigkeit der Arbeit, die
Eignung der Unterkunfteräume, die Sicherheit der Ver-
oflegung u. a. m. treffen, die gewünschten Gefangenenberufe
bereilhalten und die Arbeitsbedingungen vereinbaren zu lassen.
Bevor die Gefangenen ihre Arbeit aufnahmen, hatte ihr
Stammlager mit dem Arbeitsberrn einen umfassenden Ver-
trag abzuschließen. Eine Abschrift davon erhielt die Ab-
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