abteilung, über die Sicherstellung des Heeresbe-
darfes, die weitgehend eingriff in das private Bestimmungs-
recht und die Produktionsweise, sowie in die Verfügungsfrei-
heit über die Rohstoffe, erschien am 24. Juni 1915) noch
viel Bewegungsfreiheit gestattete. Die Industrie genoß in
dieser Zeit noch in großem Umfange die Vorzüge einer
freien Wirtschaft. Am 27. Juli lo#5 erschien die Ver-
ordnung des Bundesrates gegen übermäßige Preis-
steigerung, am 15. Juli die wegen der Über-
wachung des Handels mit Gegenständen des täg-
lichen Bedarfes und die Verfügung der stellvertretenden Ge-
neralkommandos gegen den Wucher, zwei Gesetze, die
später die Grundlage sehr weitgehender Eingriffe in die
freie Wirtschaft wurden, in dieser dritten Periode der Kriegs-
wirtschaft aber noch geringere Wirkung ausübten, auch noch
nicht in der Schärfe angewendet wurden, die später ange-
ordnet worden ist.
Ihr besonderes Gepräge erhielt diese Periode aber durch
die Einstellung der Industrie auf die Heeres-
lieferungen. Der Bedarf des Heeres schwoll zu einem
Umfange an, den niemand vorausgesehen hatte. Nicht nur,
daß, um der Ubermacht der feindlichen Koalition zu be-
gegnen, die Truppenzahlen auf Millionenziffern gebracht
werden mußten, wodurch der Bedarf an Ausrüstungs= und
Bewaffnungsgegenständen für diese Truppen auf Milliarden-
beträge stieg, nicht nur, daß durch die moderne Krieg-
führung eine Menge neuer, bis dahin noch nicht hergestellter
Artikel aufkamen (Flugzeuge, Schützengrabenausstattung
und -bewaffnung, U-Boots-, Telephon-, Telefunkenanlagen,
Kampfgase, Gasabwehr usw.), es erforderte auch die
Unterhaltung und Verpflegung des Heeres und
der Marine tausende von Artikeln in ungeheuren Mengen,
und die private Liebestätigkeit, die sich in Millionen von
Feldpostsendungen mit Liebesgaben äußerte, suchte den
Kämpfern ihr schweres Los zu erleichtern. Die Hauptsache
aber waren doch die Heeresaufträge, zu deren Be-
schaffung die bestellenden Behörden den Kreis der ursprüng-
lichen Lieferanten weit überschreiten mußten, während an-
dererseits die von ihrer bisherigen Produktion durch die
Kriegsverhältnisse abgeschnittenen Fabrikanten Ersatz für die
fehlenden Privataufträge durch Heeresaufträge suchten. In
vielen Fällen war hierzu jedoch eine Umstellung der Be-
triebe notwendig, die für viele sächsische Betriebe besonders
schwierig war, weil eben die sächsische Industrie, als ver-
arbeitende, Verfeinerungs= und teilweise Luxusindustrie,
weniger auf schwere und widerstandsfähige Artikel als auf
solche eingerichtet ist, bei denen Leichtigbeit, Eleganz, Anpas-
sung an Spezialwünsche maßgebend waren. So mußten viel-
fach die Betriebseinrichtungen ergänzt oder völlig
umgeändert werden; an Stelle leichter Drehbänke und
Stanzen traten schwere, für gröbere Artikel eingerichtete.
Die Art der zu verarbeitenden Rohstoffe änderte sich, statt
feinerer Leder und Garne z. B. mußten gröbere Sorten ver-
arbeitet werden. Es galt, die Arbeiter und Angestellten auf
diese neue Betriebsweise einzurichten, die zum Heeresdienst
Einberufenen waren zu ersetzen, neue Arbeitskräfte, nament-
lich Frauen, wurden angelernt; der Unternehmer mußte sich
auf rasche Lieferung und auf die sehr scharfen Lieferungs= und
Abnahmebedingungen der Militärbehörden einrichten, Zeich-
nungen entwerfen, Muster beschaffen, Nohstoffe in der ge-
forderten Qualität einkaufen, Verhandlungen mit den be-
stellenden Behörden führen, sich über Art, Herstellungs-
weise, Beschaffenheit, Konstruktion der herzustellenden
Heeresartikel unterrichten und seine Arbeitsweise darauf ein-
stellen, die Arbeiterschaft dazu anlernen, seine bisher geübte
Art der Tätigkeit auf eine oft ganz neuartige, ungewohnte
umstellen, namentlich auch geeignetes Aufsichtspersonal her-
anziehen und instruieren. Oft konnten die umfangreichen
Aufträge nur in einem Teile der Fabrik ausgeführt werden,
sischen
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und man mußte daher neue Räume mieten oder Erweite-
rungen der Fabrik vornehmen, neue Maschinen, Betriebs-
mittel, Betriebseinrichtungen in größter Schnelligkeit be-
schaffen und aufstellen, ohne daß man Sicherheit dafür
hatte, daß alle diese neuen Einrichtungen sich auch bezahlt
machen würden; denn in dieser Periode des Krieges rechnete
noch niemand miteiner so langen Dauer, wie sie nachher eintrat.
Es ist daher begreiflich, daß anfänglich mancher Unter-
nehmer gerade in Sachsen gezögert hat, diese Umstellung,
die oft mit großen technischen Schwierigkeiten ver-
knüpft war, vorzunehmen, um so mehr, als ja alle die neuen
Einrichtungen auch nicht so schnell hergestellt werden konnten
und man daher oft nicht wußte, ob die neue Einrichtung noch
rechtzeitig kam, um mit ihr Heereslieferungen in so großer
Menge herzustellen, daß die Anschaffungen sich rentierten.
Häufig waren auch die Aufträge der Heeresverwaltung so
kurzfristig, daß man angesichts der hohen Strafen, die auf
nicht ausreichende oder fristgemäße Fertigstellung der über-
nommenen Aufträge gesetzt waren, zögerte, solche Aufträge
anzunehmen. Die Heeresverwaltung gewährte zwar teil-
weise Vorschüsse für Betriebsumstellungen, aber da man in
dieser Zeit mit Recht annehmen konnte, daß man in nicht
allzulanger Zeit auf die frühere Fabrikation zurück-
gehen könnte, hielt man sich vielfach doch zurück. Trotzdem
haben viele Betriebe auch in Sachsen diese Umstellung schon
Ende 1914, Anfang 1915, vorgenommen, und es ist er-
staunlich, was in dieser Richtung von Unternehmern, An-
gestellten und Arbeitern an Anpassungsfähigkeit, Opfer-
willigkeit in der Arbeit, im Versucheanstellen, in der Aus-
dehnung der Produktion auf das Höchstmaß der Leistungs-
fähigkeit, geleistet worden ist. Auch die Berichte der säch-
Gewerbeaufsichtsbeamten sprechen mit
größter Hochachtung von diesen Leistungen der sächsischen
Industrie. Sie sind um so höher anzuschlagen, als es meist
durchaus nicht bei einer Umstellung sein Bewenden hatte,
vielmehr in Wochen und Monaten mehrfach umgestellt
wurde. Denn die Bedürfnisse der Heeresverwal-
tung wechselten mit den Erfahrungen im Felde, es wur-
den Anderungen an den Modellen angebracht, neue Her-
stellungsweisen, neue Artikel oder weitgehende Anderungen
bestehender gefordert, und diese Arbeiten wurden durch den
Mangel an gelernten Facharbeitern und die Notwendigkeit,
Rohstoffe zu sparen, oder durch Ersatzstoffe zu ersetzen, noch
besonders erschwert. „Die gesamte gewerbliche und indu-
strielle Tätigkeit während des Krieges war,“ so heißt es in
den Berichten der Gewerbeaufsichtsbeamten, „ein fortge-
setzterr Kampf gegen wechselnde aber niemals geringer
werdende Erschwernisse, der große Anforderungen an
die Arbeiter und Angestellten, Meister, Betriebsleiter, Fabrik-
inhaber und Handwerksmeister stellte. Für die Tatkraft
und das Pflichtgefühl, mit denen die sich immer erneuern-
den Hindernisse überwunden wurden, gebührt allen Be-
teiligten ehrende Anerkennung. Die Anstrengungen auf ge-
werblichem Gebiete gegen die erdrosselnde Absperrung
Deutschlands hätte einen besseren als den ihnen beschiedenen
Erfolg verdient.“
Die Möglichkeit der Umstellung war bei den verschiedenen
Industriezweigen verschieden. Ain schnellsten konnte sich die
Maschinenindustrie und vielfach auch die Metallver-
arbeitung unstellen, da bei ihnen die Einrichtungen für
die Verarbeitung der Rohstoffe und auch eine gewisse Er-
fahrung schon vorhanden waren, und so ist denn auch die
Metallindustrie im weitesten Sinne im Laufe des Krieges
zu einer reinen Rüstungsindustrie geworden. Sie war
beteiligt an der Herstellung von Granaten und deren Teilen
sowie Zündern, Teilen für Geschütze, Kriegswagen, Flug-
zeuge, Automobile, für U-Boote usw. Daneben hatte sie bei
der Einrichtung von Werkstätten für die Kriegs-
industrie mit Lieferung von Maschinen, Apparaten und Me-