zeichnissen lieferfähiger Fabriken, gewendet hätten. Die säch-
sischen, Aufträge vergebenden Stellen, die Artilleriewerkstatt
und die Feldzeugmeisterei, die Bekleidungsämter usw. haben das
zwar getan, aber die maßgebenden Stellen in Preußen,
namentlich in Berlin, hatten von der Vielseitigkeit und der
Produktionsfähigkeit der sächsischen Industrie nicht die min-
deste Vorstellung, wenigstens nicht in der ersten Zeit des
Krieges, wo die Heeresaufträge in so ungeheueren Mengen
vergeben werden mußten und die Vermehrung des Heeres
und der Flotte, desgleichen auch die Bedürfnisse der Bundes-
genossen die stärksten Anforderungen auch an die in du-
strielle Leistungsfähigkeit Deutschlands stellten.
Späterhin, leider für Sachsens Industrie viel zu spät, wurde
eine gewisse Besserung in diesen Verhältnissen herbeigeführt,
indem man Maßnahmen traf, um die Zwischenhändler aus-
zuschalten. Noch später richteten die Bundesstaaten Ver-
tretungen in Berlin ein, welche darauf achteten, daß die
Aufträge nach der Leistungsfähigkeit der Bundesstaaten ver-
teilt wurden. Aber es war bezeichnend, daß auch bei dieser
Einrichtung die sächsische Industrie nicht wie erforderlich
vertreten war. Die verantwortliche Abteilung des sächsischen
Kriegsministeriums hielt es trotz des Einspruches des Ver-
bandes Sächsischer Industrieller für ausreichend, daß an
dieser wichtigen Stelle ein Offizier die Vertretung Sachsens
führte, der seinem Beruf nach Professor der Kunst-
geschichte und mit den sächsischen industriellen Verhält-
nissen keineswegs durch persönliche Erfahrung vertraut war.
Diese Unmöglichkeit, die sächsische Industrie dauernd an
Heereslieferungen so zu beteiligen, wie es der Leistungs-
fähigkeit entsprochen hätte und den sächsischen Fabrikanten
Heeresaufträge dort zu erteilen, wo sie vergeben wurden,
hat dazu geführt, daß eine große Reihe sächsischer Fabri-
kanten als Unterlieferanten tätig sein mußten, indem
sie einzelne Teile für Gegenstände des Heeresbedarfes her-
stellten, teilweise für Fabriken in Sachsen, teils auch für
außersächsische Fabriken. So lieferten sächsische Fabriken
die Metallteile für die Gasmasken, die Zeltstäbe für Zelte,
die Beschläge für Lederausrüstungsstücke oder für Wagen,
sowie Stoffe für Sandsäcke, Teile für die verwickelte Ap-
paratur der U-Boote, der Schiffe oder Luftschiffe, oder
Schlösser für Gewehre, Lafetten= und Geschützteile usw.
Die Mannigfaltigkeit dieser Teillieferungen ist so groß, daß
eine Aufzählung unmöglich ist, aber es ist ersichtlich, daß
ein gewinnbringendes Arbeiten für solche Unterlieferungen
nicht möglich war, da die Teilarbeit zu äußersten Preisen
kalkuliert wurde, der eigentliche Verdienst aber am ganzen
Stück berechnet war und somit dem zugute kam, der das
ganze Stück lieferte. Viele Betriebe haben darum auch
solche Unterlieferungen nur ausgeführt, um nicht stillstehen
zu müssen.
Auch nit sogenannten indirekten Heeresliefe-
rungen waren sächsische Fabriken beschäftigt, d. h. sie lie-
ferten Einrichtungen für Fabriken, die Heeresbedarf her-
stellten oder Halbfabrikate für solche Heeresbedarfsartikel,
die dann irgendwo anders, sei es in Sachsen oder außer-
halb Sachsens, hergestellt worden sind.
Im übrigen muß erwähnt werden, daß es nur ein kleiner
Teil der sächsischen Industrie war, der seine ganze Pro-
duktion auf Heeresbedarf einstellte, in den weitaus mei-
sten Fällen arbeitete der Betrieb auch für Privatbedarf,
der ja in dieser Periode des Krieges noch in größerem
Umfange gedeckt werden bonnte, da die Rohstoffvorräte
Produktion für Privatbedarf erlaubten und die Kaufkraft
der Bevölkerung durch das Einströmen großer Mengen von
Zahlungsmitteln in die Volkswirtschaft, durch Lohnsteige-
rungen, Verdienst an Heereslieferungen, sich immer mehr
hob. Auch für den Export waren in dieser Zeit des Krie-
ges noch viele Fabriken beschäftigt. Denn die Ausfuhr-
verbote waren damals noch nicht zu jenem dichtmaschigen
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Netz angewachsen, das in später Zeit den Erxport vielfach
ganz erdrosselt hat. Auch war das englische Blockade--
spstem, das durch Einrichtung der bereits erwähnten Über-
wachungskommissionen in den neutralen Staaten Deutsch-
land von dort aus den Lebensfaden abzuschneiden suchte,
in dieser Jeit noch nicht so durchgebildet, wie in den späteren
Perioden des Krieges, wo den Neutralen vorgeschrieben war,
welche Waren und wieviel sie nach den Gebieten der Mittel-
mächte ausführen durften, so daß der Handelsverkehr mit
Deutschland größtenteils zu einem Tauschverkehr nach der
Art primitiver Völker herabgesunken war, indem man, in
dem von der Entente erlaubten Umfange, Waren bestimm-
ter Art gegen andere ebenso bestimmter Gattung austauschte.
Bei dieser Art des Verkehrs, der in der fünften Periode des
Krieges der einzig mögliche Außenhandel war, war natür-
lich jede Freiheit des Ausfuhrverkehrs für den Fabrikanten
ausgeschlossen, der Verkehr erfolgte vielfach nicht mehr von
Fabrikant zu Fabrikant oder Händler zu Händler, sondern von
Staat zu Staat, die hierfür wiederum besondere bureau-
kratische Einrichtungen brauchten. Von diesen Dingen war
aber in der dritten Periode des Krieges, die vorstehend ge-
schildert wurde, und die etwa mit dem Herbst 1915 endigte,
noch nicht viel zu bemerken, wenn auch der Erport natürlich
unter den Erschwerungen des Krieges gegenüber dem frü-
heren Umfange bedeutend zurückgegangen war.
Von der Kraft, die damals dem deutschen und sächsi-
schen Wirtschaftsleben noch innewohnte, der Exportmög-
lichkeit Deutschlands und dem Interesse des Auslandes an
deutschen Waren, auch kriegsmäßig hergestellten, gab einen
guten Beteis die Leipziger Ostermesse 19015, die gut
besucht war. Es hatten sich 2325 Aussteller (gegenüber
4200 der letzten Friedensmesse) eingefunden; das neutrale
Ausland war in größerem Umfange vertreten, als man
erwartet hatte, aus allen möglichen Ländern, auch aus
Übersee, waren sie gekommen; England ließ sich durch
Amerika vertreten. Die großen Siege der deutschen Trup-
pen hatten das Ansehen Deutschlands mächtig gehoben,
das Vertrauen des In= und Auslandes gestärkt, und wenn
diese Messe 1915 auch hinter den Friedenomessen noch
ziffernmäßig zurückstand, so war ihr guter Besuch doch
ein Zeichen der Gesundung und allmählichen Anpassung
der deutschen Wirtschaft an den Krieg, der Leistungsfähig-
keit der deutschen Industrie und der vollen Zuversicht in
die Zukunft. Das Ergebnis der Messe war für die Aus-
steller befriedigend, es wurden damals auch schon die durch
den Krieg ausgeschalteten Waren durch andere ersetzt, Neu-
heiten bereits mit Ersatzstoffen, namentlich für Kupfer
oder Messing durch Eisen, angeboten, und der Eindruck,
den dieser gute Verlauf der Messe auf das feindliche Aus-
land machte, war sichtlich ein ganz bedeutender. Auch die
Herbstmesse lols war besser in ihrei Verlauf, als man er-
wartet hatte; es herrschte reger Verkehr, und die Erleichte-
rungen, welche die Behörden für den Meßbesuch gewährt
hatten (so 0% ige Ermäßigung der Eisenbahnfahrpreise, Fracht-
vergünstigungen, Mietnachlässe, Milderung des Paßzwanges
für die Meßbesucher aus den verbündeten Staaten, ange-
messene Mietpreise und Verpflegung), hatte die günstigsten
Vorbedingungen für den Meßbesuch geschaffen. Sicher haben
sich die Aussteller auch von vaterländischen Rücksichten
leiten lassen, von der Einsicht ausgehend, daß ein guter
Besuch der Messe die beste Antwort auf alle Versuche des
Feindes sei, uns durch den Wirtschaftsbrieg zu schädigen,
aber ausschlaggebend war doch das Bestreben, Erfahrungen
auszutauschen, die Ansichten des neutralen Auslandes ben-
nenzulernen und für die durch den Krieg eingebüßten Ver-
kaufsmöglichkeiten durch Anknüpfung neuer Verbindungen
Ersatz zu gewinnen. Dazu kam, daß durch die Einziehungen
zum Heer und durch andere Schwierigkeiten die Reise-
tätigkeit sehr eingeschränkt war und die Fabrikanten für