Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

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nicht völlig abschrecken lassen: Skandinavier und natürlich 
Osterreicher waren erschienen, selbst Spanier und Süd- 
amerikaner waren gekommen, und alte erfahrene Meßkenner 
wunderten sich nicht, daß Brüsseler und Pariser Firmen ihre 
Vertretungen erkennen ließen. Daß große Umsätze nicht 
erzielt worden sind, ist selbstverständlich. 
Auf den unbefangenen Erforscher der damaligen Messe- 
bewegung macht es den Eindruck — und dieser dürfte der 
rechte sein —, als ob sich der Nat selbst wohlbewußt war, 
daß von einem wirklichen Messeerfolg nicht die Rede würde 
sein bönnen. Aber während alle die vielen Gegner der 
Herbstmesse 1914 fast ausschließlich gerade nur diese 
Messe im Auge hatten, ging der Blick der Leipziger Behörde 
weiter hinaus in die Zukunft. Vor allem ihr Oberhaupt, 
Oberbürgermeister Dr. Dittrich, hatte, wie das Meßamt 
einmal schrieb, „die unabsehbaren Folgen des Ausfalles 
auch nur einer Messe sofort mit klarem Blick erkannt. 
Deshalb trat er mit seiner ganzen Person der gegenteiligen 
Meinung entgegen und setzte, man darf sagen zum Segen 
des gesamten deutschen Wirtschaftslebens, die Abhaltung 
der Messe trotz des Krieges durch.“ 
Daß man im feindlichen Auslande tatsächlich dieser Messe 
im besonderen und den Messen im allgemeinen reges Inter- 
esse entgegenbrachte, bewies ein Aufsatz der „Times“, 
aus dem sich leicht erkennen ließf, daß man drüben es 
richtig einzuschätzen wußte, daß Leipzig seine Messe trotz 
allem, was in der Tat gegen ihre Abhaltung hätte sprechen 
kbönnen, nicht ausfallen ließ. Die „Times“ verlangten, daß 
in London eine ständige internationale Warenmusterbörse 
errichtet werden solle, der man die Stelle der Leipziger Messe 
einzuräumen gedachte. Es war dies nicht der erste, einzige 
und vereinzelte Gedanke, der im Auslande aufgetaucht war. 
Wir werden weiter unten noch darauf kurz zu sprechen 
kommen. Jedenfalls fand der Vorschlag der „Times“ in 
ihrem Lande sofort Anklang, trat doch z. B. die Handels- 
kammer von Bradford dem Plane gleich näher und ließ 
durch ihre Vertreter erbklären, daß die gesamten Zweige des 
englischen Textilgewerbes sich an der „Londoner Messe“ 
beteiligen würden. Der Erfolg könne nicht zweifelhaft sein, 
„da London als Mittelpunkt der Welt alle Käufer von Neu- 
beiten in Web= und ähnlichen Waren anziehen werde“. 
Daß man im Ausland im Anschluß an die abgehaltene 
Leipziger Kriegsherbstmesse solche an sich nicht neugewesenen 
Gedanken plötzlich, und zwar recht energisch wieder auf- 
griff, hätte alle Beteiligten doch lehren sollen, wie gut es 
war, daß der Rat der Meßstadt und der Meßausschuß ihrer 
Handelskammer „in hartem Kampfe nach oben und nach 
unten hin, gegenüber den ihnen übergeordneten Behörden 
wie gegenüber den Ausstellern und ibren Vereinen und Ver- 
bänden, wie auch gegen eine Reihe von Handelskammern 
der Uberzeugung zum Siege verhalfen, daß es vor allem 
darauf ankam, das deutsche Wirtschaftsleben im Gang zu 
erhalten, da, wo es infolge falscher Auffassungen zu stocken 
anfing, es wieder in Gang zu bringen und althergebrachte 
bewährte Einrichtungen nicht kopflos aufzugeben, sondern, 
wenn auch zunächst mit wenig Aussicht auf Erfolg, sie 
aufrecht zu erhalten und weiter zu pflegen“. 
Die eben betonte Einsicht in die Richtigkeit des tat- 
kräftigen Handelns von Rat und Meßausschuß wollte vor- 
erst nicht aufkommen. Auch nach der Herbstmesse — be- 
greiflich allerdings durch deren herzlich schwachen Erfolg — 
währte die Rede= und Schriftschlacht noch fort, mehr oder 
weniger gut und treffend in ihren gegenteiligen Begrün- 
dungen geführt. Unter dem Vorsitz des Oberbürgermeisters 
Dr. Dittrich wurde in einer Versammlung die Frage, ob die 
OÖstervormesse im Jahre 1915 abgehalten werden solle, 
in Leipzig eingehend erörtert und bejaht. Die Gegner 
schlossen natlrlich wieder wwie im August 1014 auf falsche 
Gründe, die in Leipzig zu einem solchen Beschlusse geführt 
hätten, indem sie ihm selbstische Zwecke und Absichten 
Leipzigs unterschoben. So hielt denn auch der Verband der 
Aussteller wieder eine Versammlung ab. Er hatte eine 
Rundfrage an seine Mitglieder erlassen. Von diesen 4000 
Mitgliedern hatten 1400 geantwortet, und von diesen 1400 
hatten 244 sich für die Abhaltung der Östervormesse aus- 
gesprochen. Von ihnen hatten die meisten als Bedingung 
für die Abhaltung gefordert, daß wiederum ein wesentlicher 
Teil der Messmieten, 30—66 /8 %, den Ausstellern er- 
lassen werde. 43 Antworten befürworteten die Verlegung 
der Messe bis zu einem Zeitpunkte, wo die deutschen Heere 
einen neuen durchgreifenden Erfolg erzielt haben würden (I). 
Der Verband konnte unter solchen Umständen wohl nicht 
ganz mit Unrecht sagen, daß das Interesse unter seinen 
Mitgliedern nicht übermäßig groß sei an der Abhaltung der 
Frühjahrsmesse 1915. Andererseits konnte man ja aller- 
dings dem entgegenhalten, daß aller Wahrscheinlichkeit nach 
unter den 2600 seiner Mitglieder, die auf seine Umfrage 
überhaupt nicht geantwortet hatten, die weitaus größte 
Mehrzahl nicht Meßgegner waren, da sie sonst wohl sicher 
ihren Protest gegen die Abhaltung hätten laut werden lassen. 
Die Versammlung nahm schließlich einstimmig — das ist 
sehr wichtig — eine Entschließung an, wonach der Verband 
mit der Abhaltung der Messe sich einverstanden erklärte, 
wenn die Besitzer der Meßhäuser und sonstigen Meß- 
musterausstellungsräume in einen erheblichen Meßmietnach- 
laß einwilligen und die Hotelvereinigung eine Erhöhung 
der Gasthofspreise verhindern würde. Zur selben Zeit 
wurde ein Verband der Meßkaufhausinhaber Leipzigs ge- 
gründet, der beinahe sämtliche privaten Meßhausinhaber 
umfaßte und sich die Aufgabe stellte, den verschiedenen Be- 
strebungen im In= und Auslande, die auf eine Verlegung 
oder auch nur Beeinträchtigung der Leipziger Messen ab- 
zielten, entgegenzutreten und die Interessen und die Förde- 
rung der Leipziger Mustermessen nach jeder Richtung hin zu 
unterstützen. Man begrüßte übrigens diesen neuen Ver- 
band auch in Kreisen der Musteraussteller gern, weil man 
in seiner Gründung eine neue, erfolgverheißende Möglich- 
beit erblickte, die Frage der Herabsetzung der Meßmieten auf 
ein gewisses, für beide Teile erträgliches Mindestmaß in 
einheitlicher Weise zu lösen. Die städtischen Körperschaften 
(Rat und Stadtverordnete) und die Mitglieder des Ver- 
bandes der Meßkaufhausinhaber ermäßigten den Miletzins 
für die Ausstellungsräume wieder wie im Herbst um 50 00. 
Die Hotels und Pensionen verpflichteien sich, lediglich die 
außerhalb der Messen üblichen Preise zu berechnen und nicht 
zu bedingen, daß schlechthin die Zimmer als auf die Dauer 
der Messe gemietet gelten sollten. 
So konnte dieses Mal erst recht und mit gutem Grunde 
als ein Beweis für die Kraft und Stärke des Wirtschafts- 
lebens im briegführenden Deutschland der vom Rat der 
Stadt mit dem Meßausschuß der Handelskammer nach 
Vernehmen mit den Aussteller= und Einkäuferkreisen ge- 
faste Beschluß angesehen werden, die Leipziger Frühjahrs= 
messe lol#s, die dritte Kriegomesse (die kleine Neujahrs= 
messe mit eingerechnet) in den Tagen vom 1. bis ". März, 
eventuell bis 13. März, als mit unverschobenem Anfangs- 
termin, abzuhalten. Die Fachverbände versicherten von vorn- 
herein, daß die am Meßverkehr beteiligten Geschäftszweige 
wie in Friedenszeiten durch zahlreiche Aussteller vertreten 
sein würden und daß ebenso auf das Erscheinen zahlreicher 
Einkäufer nicht nur aus Deutschland und Osterreich-Ungarn, 
sondern auch aus den neutralen Ländern Holland, Däne- 
mark, Schweden, Norwegen und aus den Vereinigten 
Staaten von Amerika, sowie aus Italien usw. mit Be- 
stimmtheit gerechnet werden könne. Ein Erfolg, der nicht 
zuletzt, vielleicht in der Hauptsache, dem großen Werke zu 
verdanken war, das unsere Truppen rings ums des Reiches 
Grenzen vollbracht hatten.
	        
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