Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

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erst und noch nicht in geschlossener Gruppe, der Anregung, 
sich der Leipziger Messe zu bedienen, auch schon gefolgt 
und haben ihr Erscheinen kaum zu bereuen brauchen. Über 
den Anfang haben alle einmal kommen müssen. 
Daß Meßamt gab damals selbst eine summarische Über- 
sicht über die auf jener Messe neu hinzugekommenen Waren 
in folgender, auf Vollständigkeit jedoch nicht Anspruch er- 
hebender Liste: Papiergarngetebe und Kleidungsstücke dar- 
aus; Spitzen und Stickereien aus Plauen, Leipzig und aus 
der Schweiz; Trikotagen; Strumpfwaren; verschiedene 
Tertilerzeugnisse; Fasererzeugnisse, Bindfadenersatz usw.; 
Lederersatz; Iigarettenersaßz neue Arten von Holzschuhen 
und -Sohlen; Strohschuhe; Sohlenschoner; Ersatztreib-- 
riemen; Ersatzbereifungen; Pumpen; Maschinen für Ge- 
schoßberstellung; Zellstoffwaren; Gemüsesamen; kunstge- 
werbliche Arbeiten usv. Man seeht, ein großer Zuwachs, 
meist unter dem Einfluß des Krieges, seiner Bedürfnisse 
und seiner wirtschaftlichen Begleit= und Folgeerscheinungen. 
Ein zwischen dieser Herbsi= und der nächsten Frühjahrs- 
messe zur Erledigung gekommenes Preivausschreiben des 
Meßamtes für ein Leipziger Meßplakat muß, will man als 
Meßgeschichtsschreiber keine Unterlassungssünde begehen, er- 
wähnt werden. Aber auch nur erwähnt. Denn das Er- 
gebnis dieses Ausschreibens war so trostlos, daß selbst über 
die preisgekrönten Entwürfe in der Wandelhalle des Neuen 
Rathauses, wo die Gesamtzahl der 1138 Entwürfe öffent- 
lich ausgestellt war, nur eine Stimme herrschte. und 
diese eine war nichts weniger als schmeichelhaft. 
Auch bei der zwölften Kriegsmesse (die Neujahrsmesse 
immer mit eingerechnet), die am 3. März ihren An- 
fang nahm, machte die Jahl der ausstellenden Firmen 
einen tüchtigen Sprung nach oben. 3681 Firmen (gegen 
25510 auf der Frühjahromesse 1917) waren vertreten. Und 
die JZahl der Einkäufer stieg sogar um mehr als 100 00, 
nämlich von 27 000 im Frühjahr 1917 auf 60 bool Die 
Gesamtzahl der auswärtigen Besucher bezifferte sich auf 
75 000, eine Summe, die alles bisher Dagewesene bei 
weitem übertraf. Von ausländischen Einkäufern trafen (in 
runden Jahlen) ein: gegen 800 ÖOsterreicher und Ungarn, 
je 300 aus der Schweiz und aus Holland, 150 aus Däne- 
mark, 75 aus Schweden, 60 aus Norivegen, 300 aus 
dem besetzten Polen, 120 aus Bulgarien und 40 aus 
Luremburg. Im ganzen etwa 2100 Ausländer. Besonders 
bervorzuhebende Meßgäste hatten sich auch angemeldet: 
die sächsischen Konsuln, das österreichische und das neu- 
trale Pressequartier aus Berlin und die neutralen Militär- 
attachés. 
Abgesehen von der immer mehr und mehr durchdringenden 
Erkenntnis des Wertes, den der Besuch der Leipziger 
Messen hat und der in ihrem außerordentlich hohen kauf- 
männischen Erfolg begründet war, war die Ursache der 
Steigerung der Ausstellerzahl in dem vernünftigen Be- 
streben der Fabribanten zu suchen, die Propaganda für 
den Warenabsatz zu vereinfachen und gleichzeitig erfolgreich 
zu gestalten. Dabei mag es in vielen Fällen den Aus- 
stellern sogar weniger darauf angekommen sein, sofort, d.b. 
schon auf dieser Messe neue Abnehmer zu gewinnen, als 
vielmehr erst einmal Beziehungen für die kommende Frie- 
denszeit anzuknüpfen. Und der Grund für die ganz außer- 
ordentlich starke Erhöhung der Einkäuferzahl war wohl, 
wenigstens zum Teil, darin zu suchen, daß die Beschaffung 
von Ware damals weit schwieriger war, als unter nor- 
malen Verhältnissen. Daß bei solchem vorübergehenden 
Bevölkerungszuwachs Leipzigs die Wohnungefrage zu- 
friedenstellend gelöst wurde, ist ein Orgamisationomeister- 
stück des Meßamtes gewesen, und man wunderte sich gar 
nicht, wenn man hörte, daß die Meßbesucher, ein weiteres 
Steigen des Zustromes voraussehend, schon für die nächste 
Messe Unterkunft vorausbestellten, so daß die Hotels im 
voraus völlig „ausverkauft“ waren. Obdachlose gab es 
nicht, und wo hier und da Unzufriedene waren, lag's fast 
ausschließlich am Abmieter und seinen unbilligen An- 
sprüchen, denn die Leipziger Vermieter — man sagt nicht 
zuviel — hätschelten ihre Meßgäste. — 
Im allgemeinen verlief diese Messe, in vergrößertem Maß- 
stabe natürlich, wie die vorherigen d. h. in zufriedenstellendster 
Weise. Warenmangel machte sich nur selten in einzelnen 
Branchen bemerkbar. Wiederum bildeten die Preissteigerungen 
kein Hindernis für den guten, zum Teil glänzenden Absatz, und 
die ausländischen Einkäufer durften sich für das ihnen 
vielfach bezeigte Entgegenkommen und ihre Bevorzugung nur 
bedanken, die soweit ging, daß gewisse Artikel fast aus- 
schließlich fürs Ausland in Arbeit genommen worden sein 
sollen, wie z. B. Musikinstrumente. Unter der deutschen 
Inlandskundschaft war nicht nur wie ummer der Groß-= 
handel vertreten, sondern auch der Kleinhandel hatte sich 
dieses Mal in nicht gewöhnlicher Zahl zusammengefunden. 
Ganz besonders zahlreich aber hatten die Waren= und 
Kaufhäuser ihre Einkäufer geschickt, ebenso eine stattliche 
Reihe von Spezialgeschäften. Die immer vielseitiger wer- 
dende Auslese von Warengattungen, die reiche und gut 
sortierte Bemusterung der letzten Messen bonnte diese Folge 
mit Sicherheit erwarten lassen. Für viele Geschäftszweige 
galt, was die Sonneberger Spielwarenindustrie für sich be 
richten konnte, „daß der Warenhunger und das Angebot 
in Ersatzmitteln aller erdenklichen Arten größer war als je. 
Entgegen früher, wo die Kauflust erst am Montag nach 
dem Sonntagbeginn der Messe einsetzte, haben wir z. B. 
bereits bis zum Freitag vorhergender Woche soviel verkauft, 
wie sonst während der ganzen Messe. Man konnte nicht 
so schnell bedienen, wie die Kundschaft kaufen wollte, und 
dabei wurde neue Kundschaft überhaupt nicht mehr an- 
genommen.“ Ganz erfreulich war es, zu beobachten, daß 
die Bedeutung des nur beste Qualitätsware erstrebenden 
Kunstgewerbes auch auf dieser Messe gewonnen hatte. Für 
den Erfolg der Messe, so wurde mehrfach behauptet, hatte 
nicht allein auch das prächtige stimmungmachende Meß- 
wetter mit seinem goldenen Sonnenschein gewirkt, sondern 
auch der Friedensschluß mit Rußland. Ob die recht hatten, 
die dies betonten — es wird sich unter den jetzt herrschenden 
Verhältnissen kaum noch feststelllen lassen. 
Neu war auch die „Verpackungsmittelmesse“, eine Sonder- 
meßveranstaltung der Fachzeitschrift „Verpackungemateria- 
lienmarkt“", im Meßpalast „Hansa“. Hatte schon die 
Kriegszeit mit ihrem ungeheuren Frontbedarf erwiesen, wie 
wichtig die Verpackungemittelfrage ist, so galt es, sich auch 
für die Friedenswirtschaft und für das Weederaufleben 
von Versand und Export vorzubereiten, wozu die Ver- 
packungsmittelmesse als Zentralstelle für Hersteller und 
Abnehmer der einschlägigen Artikel die Vermittlerin dar- 
stellen sollte. Sie hat sich auf jeder folgenden Messe immer 
mehr bewährt. 
Wir hatten in Sachsen wieder einmal einen vollen deut- 
schen Messesieg errungen! 
Diese Frühjahrsmesse hatte auch die ersten Anfänge einer 
technischen Messe gebracht, wie sie künftig als Unterabtei- 
lung der allgemeinen Leipziger Mustermesse regelmäßig 
wiederkehrend gedacht war. Es zeigte sich schon geraume 
Jeit, daß gewisse Zweige der Industrie und des Handels eine 
zusammenfassendere Darbietung auf den Messen erhalten 
mußten, als dies der Fall war, eine räumlich geschlossenere 
Vereinigung von Waren, die unbedingt zusammengehören, 
für deren Interessenten und Käufer die Zerstreuung in 
den einzelnen, doch mehr oder minder weit auseinander- 
liegenden Meßhäusern einen Zeitverlust mit sich brachte, der 
bei der Kürze der Mesdauer schwer ins Gewicht fiel. Im 
Laufe des Krieges hat sich das besonders deutlich gezeigt. 
Die Sachlage drängte für eine ganze Reihe von Waren-
	        
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