Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

gruppen auf eine möglichst baldige Regelung, und so ent- 
standen bald die „Sondermessen“ als Unterabteilungen der 
Musterlagermessen, die sich sehr schnell bewährt und großer 
Beliebtheit erfreut haben. 
Als Vorbereitung auf eine wohlorganisierte „Technische 
Messe“ im Herbst war im Meßamt eine Auskunftsstelle 
eingerichtet worden, die sich lebhaften Zuspruchs erfreute. 
Sie erbrachte den klaren Beweis, daß der Plan einem Be- 
dürfnis entsprach und die Technische Messe auf eine rege 
Beteiligung rechnen konnte. 
Im Juli los schrieb da Meßamt: „Niemals hat die 
Leipziger Messe eine so hervorragende Bedeutung in in- 
und ausländischen Kreisen erlangt, wie während der Kriegs- 
zeit, in der unsere Feinde alles aufbieten, unseren Aus- 
landshandel zu vernichten. Vor dem Kriege hat der deutsche 
Handel, hat besonders aber die deutsche technische Industrie 
nicht viel von der Bedeutung der Leipziger Messe gewußt. 
Wie inzwischen vieles anders geworden ist, so auch in dieser 
Beziehung. Oas feindliche Ausland hat alle Anstrengungen 
gemacht, unserer Messe Abbruch zu tun;z es ist ihm nicht 
gelungen. Die Veranstaltungen der Entente haben den 
gewünschten Erfolg nicht gehabt, die Leipziger Messe da- 
gegen hatte eine bedeutende Vermehrung der Aussteller und 
der Besucher aufzuweisen. Als neueste Erscheinung ihres 
Gedeihens wird auf der kommenden Herbstmesse die An- 
gliederung einer Technischen Messe mit Maklerstelle er- 
folgen.“ « 
Die Technische Messe sollte von Anfang an, das war 
ihr Zweck, auf allen Gebieten die Vermittlung zwischen 
Anbieter und Abnehmer, zwischen Verkäufer und Käufer 
übernehmen, um beiden Teilen die Geschäftsunkosten zu 
vermindern, die gerade zu damaliger geit durch Personal- 
mangel, Verteuerung und Erschwerung der Reisen, Be- 
schränkung und Verteuerung des Anpreisens in Zeitungen 
und Zeitschriften ganz außerordentlich gestiegen waren. 
Als eine besonders wichtige Beigabe, oder als besonders 
wertvolles Organ der Technischen Messe war deren Makler= 
stelle gedacht. In der Technischen Messe, die als ge- 
schlossenes Ganze der technischen Industrie auf den beiden 
großen Leipziger Jahrmärkten auftreten sollte, wollte man 
die Entwicklung, das Können, die Leistungsfähigkeit des 
genannten Industriezweiges sichtbar zeigen. Es konnte aber 
nicht genügen, eine solche technische Mustermesse in großem 
Umfange zu schaffen, diese bedurfte vielmehr der Mit- 
arbeit einer besonderen Stelle, die als Beraterin und Ver- 
mittlerin auch in Fragen der Messe-Organisation der tech- 
nischen Industrie zur Seite stehen sollte. Zu diesem Zwecke 
war die Einrichtung der Maklerstelle gedacht. Man war 
der festen Zuversicht, daß Hamburg auch weiterhin ge- 
wissermaßen der Brückenkopf des deutschen Außenhandels 
bleiben werde, deshalb gab man dieser Maklerstelle ihren 
Sitz in der alten großen Hansestadt an der Elbemündung. 
Als letzte Kriegsmesse muß man wohl die Herbstmesse 
1918 betrachten, die nächste Frühjahrsmesse fiel schon 
hinter den Waffenstillstand und in die Zeit der unglück- 
seligen Friedensverhandlungen. 
So war denn die erste Technische Messe zugleich auch 
die einzige, die noch in Sachsens große Zeit gefallen ist. 
Von vornherein zeigte es sich, daß an dem Zusammen- 
fallen der Technischen Messen mit den Leipziger Muster- 
messen festgehalten werden müsse, doch hielt man es für 
wünschenswert, sie um eine Woche länger als die Muster- 
messe auszudehnen. Man war der Meinung, daß dadurch 
allen Wünschen Rechnung getragen würde sowohl bezüg- 
lich der Entlastung des Meßverkehrs, als auch der berech- 
tigten Forderungen solcher Einkäufer, die ausschließlich In- 
teresse für die Technische Messe haben und von vornherein 
auch für die auf den Leipziger Mustermessen ausstellenden 
Fabrikanten anderer Industriezweige, welche nach Beendi- 
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gung ihrer Verkaufstätigkeit den Bedarf für ihren eigenen 
Betrieb auf der Technischen Messe decken wollen. 
Alles in allem: Trotz aller hemmenden Kriegsbestim- 
mungen war der ersten Technischen Messe ein voller Er- 
folg beschieden. Lieferer, Braucher und Meßleitung konn- 
ten aus ihm nur den festen Entschluß ziehen, sich ein- 
mütig zusammenzuscharen, um dieser Technischen Messe 
für alle Zukunft die ihr gebührende führende Stelle im 
Welthandel zu sichern. 
Neben der Technischen Messe, ihr wesensverwandt, 
erschien auf der Herbstmesse 1918 zum ersten Male 
als besonderer Zweig die „auesse“= Sie wurde im 
Meßhaus „Barthels Hof“, Markt 8, also in günstigster 
Lage des allgemeinen Meßverkehrs abgehalten. Corne- 
lius Gurlitt hat sie sehr treffend charakterisiert, wenn 
er sagt: Die großen Auostellungen, von denen ja auch 
glänzende für das Bauwesen vor dem Kriege abgehalten 
wurden, hatten den Zweck, ausgewählt das Beste, was das 
Fach zu schaffen vermochte, dem Beschauer in möglichst 
glänzender Form vorzuführen. (Man denke nur an die 
„Iba“, die Internationale Baufachausstellung, Leipzigs im 
Jahre 1913.) Die Baumesse hat einen anderen Zweck: Sie 
will den Bauenden einen umfassenden, aber schlichten Über- 
blick über den Baumarkt bieten, so wie er heute ist. Sie 
will dem Geschäftsleben dienen und lehren, was diesem an 
Stoffen, an Verarbeitung solcher, was an Vertrieb zur 
Verfügung steht und welche Nohstoffe, Halbfabrikate und 
verarbeitete Baumaterialien dem Bedürfnisse angeboten 
werden können, und zwar für die Ansprüche des heuti- 
gen Tages, für die durch den Krieg geschaffenen Verhält- 
nisse. Die Messe soll eine Warenschau und einen Groß- 
handelsmarkt darstellen. 
Daß der Gedanke als ein guter auf fruchtbaren Boden 
gefallen war, konnte man schon lange vor Beginn der 
Messe erkennen, da die zur Verfügung gestellten Räume 
schnell vermietet waren. Die Nachfrage war so groß, daß 
man weiteren Raum gewähren mußte, so daß dieser sich 
schließlich verdreifachte. Rund 350 Aussteller, darunter 
die bedeutendsten Firmen der Branche, hatten sich beteiligt, 
so daß der Anfang dieses neuen Meßzweiges überaus be- 
friedigend wwar. Daß sich diese Mustermesse von der all- 
gemeinen äußerlich sehr unterschied, ist klar. Prunk konnte 
mit Beton, Jiegeln, Nohmaterialien usw. nicht entfaltet 
werden. Wohl aber ein sehr reger Handelsverkehr, der die 
zahlreiche Beteiligung seitens der ausstellenden Fabrikanten 
mur rechtfertigte, wie die Einrichtung der Baumesse über- 
haupt. Alles in allem muß man sagen, daß ihr Ergebnis 
in jeder Beziehung die unter den damaligen schwierigen 
Verhältnissen zulässigen Erwartungen sowohl bezüglich der 
Beschickung und des Besuches, wie auch, und das ist schließ- 
lich nicht Nebensache, des geschäftlichen Erfolges übertraf. 
Die Technische und die Baumesse waren das Ereignis der 
dreizehnten Kriegsmesse im Herbst laus, der letzten Messe 
in Sachsens großer Zeit, die wiederum einen gewaltigen 
Besucherzuwachs aufwies: §476 Ausstellerfirmen! Das 
sind 1263 Firnten mehr, als auf der letzten Östervor- 
messe (1914) im Frieden! Und die Östermessen erfreuten 
sich doch stets größerer Zugkraft, als die Herbstmessen. Die 
Jahl der Einkäufer stieg gegen die der Frühjahrsmesse 1918 
um 250% , nämlich von 60 O00 auf 75 000, und die Ge- 
samtbesucherzahl tat dasselbe mit ihren hunderttausend Men- 
schen, die sie der Meßstadt Leipzig für eine kurze Woche 
zuführte. Einhunderttausend! Weitere Worte sind nicht 
nötig! 
Das Ausländerbild des Gesamtbesuches dieser letzten 
Kriegsmesse wies folgende Jahlen auf: 
1. Verbündete: Österreicher 24156, Ungarn 348, Bul- 
garen 135 und Türken 124. Zusammen 3070. 
2. Neutrale: Holländer 407, Schweizer 220, Dänen 138,
	        
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