Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

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tes, gleiches Wahlrecht mit Verhältniswahl, 
Übernahme der Ressorts künftighin durch Par- 
lamenteomitglieder. Jetzt wollte man sich vorläufig 
noch mit eingearbeiteten Leuten begnügen, gegen sie sollte 
aber kein Widerspruch von seiten der Parteien vorliegen. 
Daraufhin erklärten die Sozialdemobraten, daß sie nie in 
ein Kabinett Vitzthum v. Eckstädt eintreten würden, worauf 
der Minister um seine Entlassung einkam. Die Kabinetts- 
bildung konnte nun erfolgen: Justizminister Dr. Heinze 
wurde Vorsitzender des Gesamtministeriums und Minister 
des Außeren. Ministerialdirektor Dr. Schroeder über- 
nahm das Finanzministerium, Ministerialdirektor Dr. Koch 
das Ministerium des Innern, Gesandter v. Nostitz-Wall- 
witz das Ministerium des Kultus und öffentlichen Unter- 
richts. General der Infanterie v. Wilsdorf hätte als 
dienstältester Minister eigentlich den Vorsitz übernehmen 
müssen. Er war ja der einzige, der aus dem alten Kabinett 
in gleicher Eigenschaft geblieben war. Da er aber als 
Kriegsminister nicht dem Landtag, sondern nur dem Reichs- 
tag verantwortlich war, mußte von der Gepflogenheit Ab- 
stand genommen werden (Staatszeitung 21). 
Um auf dem Wege weiterzukommen, mußte der Staats- 
rat nun ins Leben treten. Denn von ihm sollte eigentlich 
das Neue abhängen. Am 29. Obktober erschien die Ver- 
ordnung über den Staatoerat, die eminent wichtig 
ist (Gesetz= und Verordnungoblatt 1918, Seite 340 f.): 
Wir Friedrich August, von Gottes Gnaden König von 
Sachsen, verordnen unter Aufhebung der Verordnung „Ver- 
änderte Einrichtungen des Staatsrates betreffend vom 
20. Mai 18557/: 
&1. 1. Der Staatsrat hat die Staatsregierung in den 
ihm von Uns zugewiesenen Angelegenheiten zu beraten. 
2. Die Zuweisung erfolgt durch Königliche Verordnung, 
die vom vorsitzenden Staatsminister gegenzuzeichnen ist. 
§&2. 1. Der Staatsrat setzt sich zusammen aus: 
a) den Mitgliedern des Gesamtministeriums, 
b) den Präsidenten der beiden Ständekammern, , 
c)deninderAnlagenamentlichaufgeführtenMitgliedern 
der J. und II. Kammer, 
d) den auf Vorschlag des Staatsrates von Uns für ein- 
zelne Angelegenheiten berufenen außerordentlichen Mit- 
gliedern. 
2. Wir behalten Uns vor, einen Königlichen Prinzen zu 
beauftragen, den Verhandlungen des Staat,erates beizu- 
wohnen. 
§ 3. 1. Der Staatsrat ist beschlußfähig, wenn mindestens 
die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist. 
2. Die Sitzungen des Staatorates sind geheim, doch 
können zu den Sitzungen Beamte der Ministerien zugezogen 
werden; an der Abstimmung nehmen diese nicht teil. 
3. Der Staatorat kann beschließen, daß über seine Ver- 
handlungen im Einzelfall Mitteilungen an die Presse ge- 
geben werden. 
&l4. Der Vorsitzende des Staatsrates ist der vorsitzende 
Staatominister. Er bestimmt im Bedarfofalle seinen Stell- 
vertreter. 
5. Der Staatsrat regelt seine Geschäftsordnung selb- 
ständig. 
K6. Der Staatsrat beschließt nach Stimmenmehrheit. 
Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vor- 
sitzenden. « 
ITÜberdieVerhandlUngcndesStaateratessindNieder- 
schriften aufzunehmen, die vom Vorsitzenden und vom 
Schriftführer zu unterzeichnen sind. 
H8. Die Mitglieder des Staatsrates, mit Ausnahme 
der Mitglieder des Gesamtministeriums, erhalten Aufwands- 
entschädigung und Reisekostenvergütung, deren Höhe der 
Vorsitzende im Einvernehmen mit dem Staatsrate festsetzt. 
9o. Die Kanzleigeschäfte des Staatsrates werden von 
der Kanzlei des Gesamtministeriums erledigt, das auch die 
Schriftführer stellt. 
Diese Verordnung tritt mit dem Tage der Verkündigung 
in Kraft. 
Gegeben zu Dresden, den 29. Oktober 1018. . 
(Siegel.) Friedrich August. 
Dr. Heinze. v. Wilsdorf. Dr. Schroeder. 
Dr. Koch. v. Nostitz-Wallwitz. 
Ein Staatsrat trat diesmal zum dritten Male zusammen. 
Gleich nach der Verfassung im Jahre 1831 berief König 
Anton einen Staatsrat, dessen Vorsitz Prinz Johann führte 
und dem die volljährigen Prinzen des Königlichen Hauses, 
sämtliche Mitglieder des Staatsministeriums, ordentliche 
und außerordentliche Mitglieder für bestimmte Angelegen- 
beiten angehörten. Ein zweiter Staatsrat wurde am 
20. Mai 1855 zusammengerufen, dessen Vorsitz Prinz 
Albert führte. Es bedurfte bei Berufung des jetzigen dritten 
Staatsrats, der nicht unter dem Vorsitz eines Prinzen, 
sondern unter dem des vorsitzenden Staatsministers stand, 
der Aufhebung des königlichen Dekretes von 1855 (Gesetz- 
und Verordnungsblatt 1855, Seite 70 f.). 
Am 30. Oktober fand die erste Sitzung des neuen Staats- 
rats im Beisein des Kronprinzen Georg und unter Vorsitz 
von Dr. Heinze statt. Zur Besprechung stand die Frage 
der Minister ohne Portefeuille und die damit sich 
nötig machenden Veränderungen von §5 41, Ab- 
satz 1und 2, sowie §#71, Absatz 3 unter b der Ver- 
fassungsurkunde. Es wurden folgende Beschlüsse ge- 
faßt: 
1. Die Verfassung ist alsbald dahin zu ändern, daß eine 
Anzahl von Ministern ohne Portefeuille in das Gesamt- 
ministerium eintreten können; 
2. dabei ist Vorsorge zu treffen, daß die Ernennung zum 
Minister künftig kein Erlöschen der Mitgliedschaft in einer 
der beiden Kammern zur Folge habe; 
3. die Minister ohne Portefeuille sollen weder Staats- 
dienereigenschaft haben, noch festen Gehalt beziehen. Sie 
erhalten Aufwandsentschädigungen neben ihren Landtags- 
diäten. Wohnsitz in Dresden soll nicht gefordert werden, 
ebensowenig das Ausscheiden aus dem Beruf; 
4. der Staatsrat empfiehlt zurzeit vier Minister ohne 
Portefeuille aus den Vertrauensleuten der zweiten Kammer 
zu ernennen; 
5. späterer Beratung soll vorbehalten bleiben, ob und 
wie den Ministern ohne Portefeuille besondere Arbeitsgebiete 
überwiesen werden sollen. 
6. Zur Behebung der jetzigen Ernährungsschwierigkeiten 
sollen bei den Reichsbehörden Schritte eingeleitet werden. 
Über die zu Ministern vorgeschlagenen Personen war 
man sich noch nicht klar. Die Sozialdemokraten präsen- 
tierten die Abgeordneten Fräßdorf und Heldt, die Fort- 
schrittler den Abgeordneten Günther, die Nationallibera- 
len den Abgeordneten Nitzschke-Leutzsch, die dann später 
auch ernannt wurden (Staatszeitung 254). 
In diesen umwälzenden Tagen nahm der Landtag seine 
Tätigkeit wieder auf. An der Zahl der am 28. Oktober 
vorliegenden Interpellationen und Anträge konnte man die 
Geschäftigkeit der neuen Zeit erkennen. Ihr Inhalt war 
vollständig auf die im Anfang befindliche Umstellung ge- 
münzt. Fast aussehließlich die mehrheitssozialistische Partei 
interpellierte. Auf beinahe alle Gebiete erstreckten sich die 
Wünsche, so daß man aus der ungestümen Haltung schon 
auf schnelle Veränderungen schließen mußte. Ein kolossaler 
Apparat hätte dazu gehört, die Wünsche im Augenblick zu 
erfüllen. Die Interpellationen und Anträge lauten (Berichte 
u#sw. der II. Kammer, Nr. 314—320):
	        
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