2. Sittlich verwahrloste Kinder sind vom Schulbesuche
auszuschließen, wenn durch ihr Verbleiben in der Schule
die sittliche oder die leibliche Wohlfahrt ihrer Mitschüler
gefährdet wird. Wird keine Fürsorgeerziehung angeordnet,
so haben die Erziehungspflichtigen für entsprechenden Un-
terricht anderweit zu sorgen.
3. Für Kinder, die wegen schwacher Befähigung nicht
mit Erfolg am Unterrichte der Volksschule teilnehmen können,
sollen Hilfsschulen oder Hilfsschulklassen eingerichtet wer-
den. Soweit dies nicht möglich ist, soll durch die Schul-
gemeinde Nachhilfeunterricht gewährt werden.
4. Zur Errichtung von Privatschulen für solche Kinder,
die nach ihrer körperlichen und geistigen Veranlagung und
Beschaffenheit unbedenklich am Unterrichte der allgemeinen
Volksschule teilnehmen können, soll künftig in der Regel
keine Genehmigung mehr erteilt werden.
& 3. 1. Wo es die Verhältnisse gestatten, sollen die Kin-
der im dritten Schuljahr wenigstens 20 Unterrichtsstunden,
im vierten Schuljahr wenigstens 22, vom fünften Schuljahr
an die Knaben wenigstens 26 (ausschließlich Turnunter-
richt), die Mädchen wenigstens 24 (ausschließlich Hand-
abrite, Turn-, Haushaltungs= und Kochunterricht) er-
alten.
2. Innerhalb der allgemeinen Volksschule können Ab-
teilungen mit verschiedenen Bildungszielen errichtet werden;
der Lehrgang höherer Abteilungen kann sich auf ein 9. und
10. Schuljahr erstrecken.
Die Verteilung der Schüler auf die Abteilungen geschieht
lediglich mit Rücksicht auf Begabung und Leistungen.
§ 4. 1. Die Bewohner des Schulbezirks ohne Unter-
schied der Religion bilden die Schulgemeinde.
2. Wegen Vereinigung der seitherigen Schulgemeinden
des Bekenntnisses der Minderheit mit den Schulgemeinden
des Bekenntnisses der Mehrheit haben sich die beiderseitigen
Schulgemeindevertretungen auseinanderzusetzen. Die Ver-
handlungen leitet die Bezirksschulinspektion, soweit nicht die
oberste Schulbehörde dafür besonderen Auftrag erteilt. Die
getroffenen Vereinbarungen sind der obersten Schulbehörde
zur Genehmigung vorzulegen. Kommt keine Vereinbarung
zustande, so entscheidet diese Behörde.
3. Den Lehrern an den Volks= und Fortbildungsschulen
der beteiligten Gemeinden sind die in ihren Anstellungs-
verhältnissen begründeten Rechte zu wahren.
4. Für die vereinigten Schulgemeinden sind neue Schul-
vorstände (Schulausschüsse) zu bilden.
§ . Das Vorschlagsrecht für Lehrerstellen an Volks-
und Fortbildungsschulen steht in den Städten mit der re-
vidierten Städteordnung dem Stadtrate, in anderen Orten,
an deren Schulen mindestens zehn ständige und Hilfslehrer
angestellt sind, dem Gemeinderate des Schulortes, im übri-
gen der obersten Schulbehörde zu.
66. Die fortlaufenden Staatsbeihilfen auf Grund des
Gesetzes vom 23. Mai 1914 (Gesetz= und Verordnungoblatt,
S. 120) werden den Schulgemeinden bis zu anderweitiger
gesetzlicher RNegelung in dem höchsten Jahresbetrage gewährt,
den sie innerhalb der Jahre 1914 bis 1018 erhalten haben.
& 7. 1. Vorstehende Bestimmungen treten mit Beginn
des Schuljahres 1919/20 in Kraft.
2. Wo die Durchführung der Bestimmungen im § 4
Abs. 2 bis dahin ganz besonderen Schwierigkeiten begegnet,
behält sich die oberste Schulbehörde die Bewilligung einer
Nachschrift vor. ·
Dresden, den 12. Dezember 1918.
Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts.
Buck.
Gemäß dem Programm der neuen Regierung hatte die
Kirche schwere Schläge zu erwarten. Verschiedentlich nah-
447
men kirchliche Organisationen zur Neuordnung Stellung
(Staatozeitung 282, 288, 295, 297, 302), aber im gan-
zen sind während dieser Periode einschneidende Verände-
rungen im kirchlichen Leben nicht zu verzeichnen. —
Ein gewaltiges Stück war das Leben Sachsens bis Mitte
Januar lold vorwärtsgegangen. Ehrliche Arbeit war ge-
leistet worden, wenn manchmal auch aus Unvermögen der
beteiligten Kreise schwere Fehltritte getan wurden.
Da trat am 1ö. Januar der Bruch in der ge-
mischt-sozialistischen Regierung ein. Schon immer
waren Reibungsflächen dagewesen, den eigentlichen Anlaß
boten die Unruhen am 10. Januar in Dresden. Es kam
zu Zwistigkeiten über die Untersuchung dieses Aufruhrs und
die Verhaftung des Kommnnistenführers Nühle und anderer
Mitläufer. Die drei Unabhängigen, Fleißner, Geyer und
Lipinski, legten unter längerer Begründung ihre Amter
nieder (Staatszeitung "13). Der Vollzugsrat des Landes-
rats von Sachsen ersuchte die Minister Buck, Dr. Gradnauer
und Schwarz um Weiterführung der Geschäfte und beauf-
tragte Gustav Neuring mit der Verwaltung des Ministe-
riums für Militärwesen. Die endgültige Regelung behielt
sich der Vollzugsrat vor.
IV. Sachsen unter mehrheikssozialistischer Regierung.
bis zur Verabschiedung der vorläufigen Verfassung
In der entscheidenden Zeit der Wahlen zur deutschen
Nationalversammlung war die Krisis der sächsischen Re-
gierung eingetreten. Nicht geringe Befürchtung herrschte
darum für das ruhige Zusammenkommen der Wahl. Aber
nirgends wurden Wahlstörungen wahrgenommen. Die Er-
gebnisse der Wahl waren folgende:
28. Wahlkreis (I. sächsischer) Dresden (Staats-
zeitung 21):
1. Liste der Sozialdemokratischen Partei:
4 069 Stimmen, 7 Sitze. Gewählt wurden: Schriftsteller
Dr. Georg Gradnauer, Arbeitersekretär und Stadtrat Wil-
helm Buck, Parteisekretär und Gemeindeältester Hermann
Kahmann, Hausfrau Ernestine Lutze, Gewerkschaftsbeamter
Magnus Haack, Redakteur Richard Schmidt, Redakteur
Hermann Krätzig.
2. Liste der Deutsch-demokratischen Partei:
167 898 Stimmen, 2 Sitze. Gewählt wurden: Minister
a. D. Kaufmann Emil Nitzschke-Leutzsch, Buchdruckerei-
besitzer und Hauptschriftleiter Wilhelm Steinsdorff.
3. Liste der Unabhängig-sozialdemokratischen
Partei: 46 976 Stimmen, o Sitz.
4. Liste der Christlich-demokratischen Partei:
16477 Stimmen, o Sitz.
5. Liste der Deutschen Volkspartei: 97137
Stimmen, 1 Sitz. Gewählt wurde: Staatsminister a. D.
Dr. Rudolf Heinze.
6. Liste der Deutsch-nationalen Volkspartei:
120 298 Stimmen, 2 Sitze. Gewählt wurden: Oberkonsisto-
rialrat Superintendent Dr. Franz Költzsch, Glasermeister und
Stadtrat Johannes Weßlich.
29. Wahlkreis (2. sächsischer) Leipzig (Staats-
zeitung 21):
1. Liste der Sozialdemokratischen Partei:
128 094 Stimmen, 2 Sitze. Gewählt wurden: Photograph
Karl Ninkau, Arbeitersekretär August Lüttich.
2. Liste der Deutsch-demokratischen Partei:
177447 Stimmen, 2 Sitze. Gewählt wurden: Rechts-
anwalt Dr. jur. Georg JZöphel, Privatangestellter Gustav
Schneider.
3. Liste der Unabhängig-sozialdemokratischen
Partei: 238 858 Stimmen, 3 Sitze. Gewählt wurden: