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nahmestellung der wendischen Kriegsfangenen, Befreiung
von jedweder Kriegsentschädigung gegeben. Am 22. Februar
bielt der inzwischen zurückgekehrte Barth eine Versammlung
in Bautzen ab, in der er in diesem Sinn den Stand der
Frage behandelte.
Die sächsische Regierung war inzwischen nicht müßig ge-
wesen und hatte auf die wendische Lehrerschaft, wenn auch
ohne erheblichen Einfluß, einzuwirken versucht (Staats-
zeitung * 46).
Unter den ersten Anträgen der neu zusammengetretenen
Volkskammer befanden sich Anträge der Deutsch-demokrati-
schen Partei und der Deutschen Volkspartei zur Wenden-
frage (Berichte usw., Nr. 1 und 2):
Antrag der Deutsch-demokratischen Partei.
Die Kammer wolle beschließen,
die Regierung zu ersuchen:
1. jede Abtrennung wendischen oder als wendisch bezeich-
neten Gebietes der sächsischen Lausitz zu verhindern;
2, energische Schritte gegen eine etwaige Uberschreitung
der sächsischen Grenzen durch tschechische Truppen so-
fort einzuleiten.
Dresden, den 25. Februar 1919.
Interpellation der Deutschen Volkspartei.
Ist die Regierung entschlossen, den Loslösungsbestrebungen
der Wenden — bei Schomung ihrer völkischen Eigenart —
entgegenzutreten?
Dresden, am 24. Februar 1919.
Die Verhandlungen über die Wendenfrage in der Volks-
kammer fanden später statt (ogl. Verh. der Sächs. Volks-
kammer, S. 394—432.
Die Deutsch-demokratische Partei sprach sich ihrerseits
in einer Parteisitzung sehr scharf gegen die Wendenpolitik
aus (Staatszeitung 47). Die Frage selbst fiel aber von
allein unter den Tisch, da die geplante Aktion zur Verwirk-
wirklichung des Staats unterblieb.
Machten diese Fragen der Regierung schon starke Be-
schwerden, so war der Kampf gegen die Unabhän=
gigen seit Mitte Januar ganz besonders dazu angetan, der
Regierung das Leben besonders schwer zu machen. Noch
während der entscheidende Landesrat am 21. Januar zur
Neubildung der Regierung tagte, wollten die Unabhängigen
eine Landeskonferenz der Arbeiter= und Soldatenräte durch
einen „Elferausschuß“ (unterzeichnet Ruthmann, Truppen-
übungsplatz Zeithain) nach Leipzig einberufen. Der gen-
tralrat des Landesrats für Sachsen erhob dagegen Einspruch
und betonte, daß Entschließungen einer andern Körperschaft
keine bindende Kraft hätten. Noch bevor die Volkskammer
zusammentrat, versuchte die sozialdemokratische Regierung eine
Versöhnung mit den Unabhängigen. Die Fraktion der Unab-
hängigen stellte folgende Bedingungen (Staatszeitung 46):
1. Bildung eines sozialistischen Ministeriums unter Aus-
schluß der bürgerlichen Parteien.
2. Ablehnung eines Staatspräsidenten für Sachsen.
3. Grundsätzliche Anerkennung der deutschen Einheits-
republik.
4. Völlige Demobilisierung des stehenden Heeres, Ent-
lassung der Mannschaften und Offiziere, Beseitigung der
alten militärischen Macht, Unterdrückung aller gegenrevolu-
tionären Bestrebungen.
5. Sicherung der durch die Revolution errungenen po-
litischen Freiheit.
6. Verfassungsrechtliche Anerkennung der Arbeiter= und
Soldatenräte.
7. Vermeidung aller Maßnahmen, die das kaxpitalistische
Wirtschaftosystem stützen.
8. Sofortige Inangriffnahme der Sozialisierung. Dar-
unter ist zu verstehen: die Uberführung der gesamten kapi-
talistischen Wirtschaft in die sozialistische muß unmittelbar
in Angriff genommen werden. Die wichtigsten Produktions-=
mittel der Landwirtschaft und Industrie, des Handels und
Verkehrs, des Grund und Bodens sowie die Bodenschätze
sind als Nationaleigentum zu erklären und unter gesell-
schaftliche Kontrolle zu stellen. Die Produktion ist plan-
mäßig nach sozialistischen Grundsätzen aufzubauen. Die
Verteilung der Verbrauchsgüter ist nach sozialistischen Grund-
sätzen zu regeln.
Nachdrückliche Vertretung der unter 1, 3, 4, ", 6, 7 und
8 erhobenen Forderungen bei der Reichsregierung, schärfster
Widerstand gegen alle Maßnahmen der Reichsregierung, die
der Verwirklichung dieser Forderungen entgegenstehen. Die
Landeskonferenz erklärt sich für den Zusammentritt des
Landes-Arbeiter= und Soldatenrates, damit der Landes-
Arbeiter= und Soldatenrat Gelegenheit haben soll, sich über
die Anerkennung der Arbeiter= und Soldatenräte in der Ver-
fassung auszusprechen und Beschlüsse darüber zu fassen.
Daraupbin erteilte die sozialdemobratische Fraktion fol-
gende Antwort (Staatszeitung 47):
In ihrer Sitzung vom 23. Februar hat die sozialdemo-
kratische Fraktion beschlossen, den Unabhängigen die Mög-
lichkeit nochmaliger Auferung über den Eintritt in die Re-
gierung zwecks Bildung einer sozialdemokratischen Regie-
rung unter Verpflichtung auf die folgenden Bedingungen
zu geben:
1. Anerkennung der Demokratie, das heißt der mit Mehr-
heit gefaßten Beschlüsse der Volkskammer.
2. Anerkennung der Notwendigkeit, Gewaltakte gegen die
demokratische Staatsverfassung mit den Machtmitteln des
demokratischen Staates abzuwehren.
Auf Grund dieses Beschlusses ergibt sich folgende Stel-
lung der sozialdemokratischen Fraktion zu den aufgeworfenen
Fragen:
1. Auf Grundlage der Forderung unter 1 ist eine Ver-
ständigung möglich. Die Beteiligung an der Regierung hat
sich nach der Fraktionsstärke zu richten.
2. Die Ablehnung des Staatspräsidenten für Sachsen ist
von der sozialdemokratischen Fraktion beschlossen.
3. Die sozialdemokratische Fraktion steht auf dem Boden
der deutschen Einheitsrepublik; Gliedstaaten unter zweck-
mäßiger territorialer Einteilung und auf demokratischer
Grundlage zur Erfüllung der vom Reiche zuzuteilenden Auf-
gaben und zum Zwecke der Verwaltung im Namen des
Reiches bleiben dabei Voraussetzung.
4. Endgültige und völlige Demobilmachung, Beseitigung
des militärischen Systems und Schaffung einer Volks-
wehr ist unser selbstverständlicher Programmpunkt; Bei-
behaltung einer beschränkten Wehrmacht bis zur völligen
Sicherung des demokratischen Staates gegen Gewaltakte
und zur Aufrechterhaltung der allgemeinen Ordnung bleibt
als vorübergehende Maßnahme notwendig.
§. Sicherung der durch die Revolution errungenen po-
litischen Freiheiten ist eine Selbstverständlichbeit, soweit da-
mit die Sicherung der demokratischen Staatsform gemeint ist-
6. Die Arbeiter= und Soldatenräte müssen bis zur völligen
Überführung der alten in die neuen Verhältnisse weiter-
arbeiten. Ihre verfassungsrechtliche Anerbennung wider-
spricht den Anforderungen der Demokratie.
7. Selbstverständlich ist die Vermeidung aller Maß-
nahmen, die das kapitalistische Wirtschaftssystem stützen.
#8. Sofortige Inangriffnahme der Sozialisierung ist ein
Bestandteil unseres abtuellen Programms. Voraussetzung
ist gewissenhafte Prüfung der Vorfragen, Klarstellung der
Sozialisierungsmöglichkeit auf dem begrenzten Boden
Sachsens, namentlich auch in Hinsicht auf die Struktur