Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

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freiwillige mobile Verbände schaffen, die unseren sächsischen 
Grund und Boden unter allen Umständen gegen jeden Frind 
sichern zu können. Doch soll nur das aufgestellt werden, 
was unbedingt notwendig ist. Das Notwendige aber muß 
sofort geschehen! Die neuen Freiwilligenverbände sind zu 
schnellent tatkräftigen Handeln berufen, falls ein Feind 
wagen sollte, das sächsische Vaterland zu gefährden. Nur 
wer den Willen zur strengsten Unterordnung, und wer sich 
im Kriege einwandfrei geführt hat, soll sich zum Eintritt 
melden. Die Gebührnisse sind ausreichend. Bei freier Un- 
terbringung und freier Verpflegung werden mobile Gebühr- 
nisse und eine tägliche Zulage von fünf Mark gewährt. Die 
Bestimmungen des Mannschafts-Versorgungegesetzes und 
des Militär-Hinterbliebenengesetzes finden Anwendung. Den 
Unteroffizieren wird in den Freiwilligenabteilungen die Mög- 
lichkeit gegeben werden, sich für die Offizierslaufbahn vor- 
zubilden und Offizier zu werden, da künftig die Offiziers= 
laufbahn jedem Soldaten zugänglich sein wird, der sich für 
sie eignet. Es ist Vorsorge getroffen, daß der republikanische 
Geist erhalten und die Errungenschaften der Revolution ge- 
sichert bleiben. Die Bildung der neuen Grenzschutzabtei- 
lungen ist dem Ministerium für Militärwesen übertragen, 
das alle näheren Bestimmungen bekanntgeben wird. Sachsen! 
Herbei zum Schutze Eurer Familien, Eurer Eltern, von Hauo 
und von Herd! Helft mit an der Sicherung Eurer Heimat 
und am Bau einer guten sächsischen Zukunft! 
Das Ministerium für Militärwesen erliesi dazu folgende 
Ausführungsbestimmungen: 
1. Für die aufzustellenden Grenzschutzabteilungen werden 
gebraucht Hauptleute, Leutnants und Feldwebelleutnants. 
aller Waffen, Sanitäts= und Veterinäroffiziere, Beamte der 
Militärverwaltung, Unteroffiziere und Mannschaften aller 
Waffen einschließlich Sanitätspersonal. — 2. Die Annahme 
der Freiwilligen, ihre Einstellung, Einkleidung, Ausrüstung 
und Bewaffnung erfolgt bei den Grenzschutzabteilungen in 
Königswartha bzw. Weissenberg. Die Meldung daselbst hat 
persönlich oder schriftlich zu erfolgen. Für die schriftliche 
Ammeldung sind Anmeldungsformulare bei allen Orts- 
behörden zu haben, die ausgefüllt an die genannten Grenz= 
schutzabteilungen zu senden sind. Persönlich sich Meldende 
werden bei Brauchbarkeit sofort eingestellt und erhalten 
ihre Reisekosten vergütet. Anmeldungen von Offizieren, 
Sanitäts= und Veterinär-Offizieren und Beamten sind un- 
mittelbar und auf dem Dienstwege unter der Aufschrift 
„Meldung für Grenzschutzabteilungen“ an die Abteilung IV. 
des Ministeriums für Militärwesen zu richten. — 3. Als 
Freitillige werden nur vollkommen felddienstfähige, aus- 
gebildete, moralisch einwandfreie Persönlichkeiten eingestellt. 
Die Mannschaften müssen eine mindestens einhalbjährige 
Frontdienstzeit hinter sich haben. — 4. Die Annahme er- 
folgt unter nachstehenden Bedingungen: a) Verpflichtung 
auf die Regierung der Republik Sachsen. b) Unterordnung 
unter die eingesetzten Führer, denen Soldaten-(Vertrauens)= 
räte zur Seite stehen. c) Verpflichtung auf einen Monat 
vom Tage des Eintreffens beim Truppenteil mit 14 tägiger 
Kündigungofrist am 1. und 15. des Monats. Wird die 
Kündigung zu dieser Frist von einer der beiden Seiten nicht 
ausgesprochen, so gilt der Vertrag um einen Monat verlängert. 
Die Entlassung eines Freiwilligen kann nur von dem Truppen- 
teil auögesprochen werden, bei dem er Dienst tut. Bei groben 
Vergehen des Freiwilligen oder völliger Ungeeignetheit für 
die Zwecke der Grenzschutzabteilung ist der Truppenteil be- 
rechtigt, den Freiwilligen sofort zu entlassen. — F. Ge- 
bührnisse: A. Offiziere und Beamte a) mobile Gebührnisse 
mit freier Verpflegung und Unterkunft, b) soweit sie als 
Offiziere nach Maßgabe ihrer Kriegsstelle, als Beamte nach 
Maßgabe ihrer Friedensstelle, auf Wohnungsgeldzuschuß 
Tarifklasse 3—6 angewiesen wären, eine Zulage von fünf 
Mark täglich. B. Unteroffiziere und Mannschaften mobile 
Löhnung nach den Dienstgraden mindestens 30 Mark mo- 
natlich und eine tägliche Zulage von fünf Mark. Verpfle- 
gung und Unterkunft sind frei. Stäbe und Truppen er- 
halten Feldportionen aus Truppenküchen nach den Sätzen 
der Feld-Verpflegungsvorschrift. — 6. Versorgung: a) Die 
Freiwilligen gelten als vorübergehend zum aktiven Militär- 
dienst herangezogen im Sinne der Militärversorgungsgesetze. 
b) Die Ansprüche auf Familienunterstützung laufen weiter 
und werden neu begründet. c) Die Freiwilligen-Dienstzeit 
rechnet für Invaliden= und Altersversicherung wie Dienst 
im aktiven Heer. — 7. o0 %½% aller Kompagnie-Offizierstellen 
können mit älteren im Kriege bewährten Unteroffizieren be- 
setzt werden. — 8. Alle Angehörigen der Grenzschutzabtei- 
lungen tragen auf dem linken Unterarm der Bluse und des 
Mantels (Unteroffiziere und Offiziere oberhalb der Grad- 
abzeichen) ein aufgenähtes Jagdhorn aus rotem Tuch. 
Neben den erstehenden Formationen des Grenzschutzes 
blieben in den größeren Orten Sicherheitstruppen, 
die von der Seite des Ministers für Militärwesen auf die 
neue Eidesformel verpflichtet wurden (Staatszeitung 41): 
Ich schwöre, nach reiflicher Uberlegung, daß ich während 
meiner Zugehörigkeit zur Sicherheitstruppe der gegenwär- 
tigen und jeder durch die Volkskammer des Freistaats 
Sachsen bestätigten Regierung unbedingten Gehorsam 
leisten, Ruhe und Ordnung in ihrem Dienste aufrechterhal- 
ten, Untreue und Nachteil von ihr abwenden, sowie alle 
im Dienstvertrage eingegangenen Verpflichtungen gewissen- 
haft erfüllen will. 
Der Widerstand gegen die Elemente des alten Heeres, ins- 
besondere gegen die Offiziere, war groß. Die Organi- 
sation des „Sächsischen Offizierbundes“ hatte offen be- 
rechtigte Forderungen vertreten und war von der Reichs- 
regierung durch Maßnahmen zugunsten der Offiziere 
unterstützt worden. An manchen Orten, so in Chemnitz 
und Leipzig, wurden Offiziere kurzerhand abgesetzt, und 
nach dem Attentat auf Eioner nahm der Haß gegen die 
Offiziere allenthalben wieder einen Aufschwung. Aber auch. 
geheime Organisationen, wie die des „Roten Soldatenbun- 
des“, trieben in Sachsen ihr Unwesen. Mit Waffen aus 
den alten Heeresbeständen traten diese lichtscheuen Scharen 
bei Streiks und Unruhen ans Tageslicht und reizten die 
Menge durch Flugblätter auf. — 
In dieser Zeit konstituierten sich auch die gemäß des 
neuen Wahlgesetzes zusammengerufenen Gemeindever- 
tretungen. Sie bebamen teilweise ein völlig veränder- 
tes Bild, namentlich dort, wo nach dem Parteistandpunkte 
gewählt wurde. Uberall da, wo berufliche Interessen im 
Vordergrund der Wahl standen, unterschieden sich die Ge- 
meindeparlamente nicht viel von den alten. In den Groß- 
städten gewannen durchweg die sozialistischen Parteien die 
Oberhand und stellten das Präsidium, in Dresden und 
Chemnitz die sozialdemokratische, in Leipzig die unab- 
hängig-sozialdemokratische Partei. Naturgemäß traten nun 
die örtlichen Arbeiter= und Soldatenräte mehr in den Hin- 
tergrund, obwohl sie nach wie vor betonten, daß sie die 
Kontrolle über die Behörden rechtlich inmehielten. 
Während der aufgeregten Zeit des Wahlkampfs lag das 
geistige Leben eigentlich vollständig darnieder. Wohl 
brachten die Bühnen neue, früher verbotene Stücke, wurden 
weiter Konzerte gegeben, alles dies unter besondern Schwie- 
rigkeiten der Beleuchtung und Beheizung. Das literarische 
Leben stellte sich in den Dienst des Wahlkampfs. Immer 
noch blühte die Broschürenliteratur. Anders stand es um 
die politischen Fragen geistiger Kultur, um die Verände- 
rungen in Kirche und Schule. Die Fragen, die im 
Vordergrund des Interesses standen, waren: Trennung 
von Staat und Kirche, Abschaffung des Reli- 
gionsunterrichts, Einheitsschule. Von kirchlicher 
Seite her war eine Aufklärungsstelle über die kirchen-
	        
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