Full text: Das Regenbogen-Buch - Die europäischen Kriegsverhandlungen.

23. Juli 93 
einigen Tagen herausstellte, dass durclı eine längere Befristung. 
die friedliche Regelung und die Erlangung einer beiriedigenden 
Antwort von Serbien zu erzielen wäre. Ich gab zu, dass ohne 
Befristung die Verhandlungen ins Endlose gehen könnten, aber 
ich gab zu verstehen, dass eine Befristung immer nachträglich 
eingeführt werden könnte, dass, wenn man beiBeginn dieForde- 
rungen ohne Befristung stelle, die öffentliche Meinung in Russ- 
land sich weniger erregen würde; nach einer Woche könne sie 
sich beruhigen; und wenn die Saclıe Oesterreichs eine gute 
sei, so wäre die russische Regierung offenbar in der Lage, 
ihren Einfluss zugunsten einer befriedigenden Antwort Serbiens 
veltend zu machen. Eine Befristung sollte im Allgemeinen nur 
als letzter Weg angewandt werden, nachdem andere Mittel 
versucht worden und fehlgeschlagen waren. 
Graf Mensdorff sagte, dass wenn Serbien in der Zeit, die 
seit der Ermordung desErzherzogs verflossen wir, aus eigenem 
Antriebe eine Untersuchung auf eigenem (Gebiete eingeleitet 
hätte, all dies vermieden worden wäre. 1909 hatte Serbien in 
einer Note erklärt, dass es in guten nachbarlichen Beziehungen 
mit Oesterreich leben wolle; aber es habe niemals sein Ver- 
sprechen gehalten; es habe die Bewegung angestachelt, deren 
Ziel die Auflösung Oesterreichs war und es wäre unbedingt 
nötig, dass Oesterreich sich dagegen schütze. 
Ich sagte, ich wolle das, was Graf Mensdorff mir diesen 
Nachmittag sagte, weder kommentieren noch kritisieren, aber 
ich Könnte nicht umhin, auf die schrecklichen Folgen einzu- 
gehen, die die Lage einbeschliesse. Grosse Befürchtungen waren 
mir über die kommenden Ereignisse geäussert worden, nicht 
nur von Herrn Cambon und Graf Benckendorff,?) 
sondern auch von anderen, und es war mir dargelert worden, 
dass es sehr wünschenswert sei, wenn alle, die in Petersburg 
Einfluss haben, ihn zugunsten der Geduld und Mässigung aus- 
nutzen möchten. Ich hatte geantwortet, dass das Mass des Ein- 
flusses, den man in diesem Sinne in Petersburg ausüben könnte, 
von der Vernunft der österreichischen Forderungen und der 
Kraft der Beweise, die Oesterreich entdeckt haben mochte, 
abhinge. Die möglichen Folgen der zegenwärtigen Lage 
wären schrecklich. Wenn etwa vier Grossmächte — sagen wir 
Oesterreich, Frankreich, Russland und Deutschland — in einen 
Krieg verwickelt wären, schiene mir, dass das eine grosse 
Bib. Nr. 3. ?) Im Gib. ist nichts über derartige Gespräche zwi- 
schen Paul Cambon, dem französischen Botschafter in London, und 
Grey enthalten. Das Ob. beginnt erst mit dem 24. Juli und kann daher 
über Gespräche Benckendorffs, des russischen Botschafters in London, 
keine Aufklärung geben. 
Grey interes- 
siert sich nicht 
für den öster- 
reichisch-ser- 
bischen Streit- 
fall, sondern 
nur für die 
europäische 
Seite der An- 
gelegenheit 
und die Wir- 
kung in Russ- 
land.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.