Full text: Das Regenbogen-Buch - Die europäischen Kriegsverhandlungen.

118 24. Juli 
  
  
«Um den unberechenbaren und für alle Mächte gleich 
verhängnisvollen Folgen vorzubeugen, die aus der Handlungs- 
weise der österreichisch-ungarischen Regierung entstehen kön- 
nen, erscheint es uns als unerlässlich, vor allem die Serbien 
gestellte Frist zu verlängern.') Oesterreich-Ungarn, das sich 
bereit erklärt, den Mächten die Elemente der Untersuchung 
zu übermitteln, auf denen die Kaiserliche und Königliche Re- 
sierung ihre Anklagen gründet, sollte ihnen auch die Zeit lassen, 
um sich Rechenschaft darüber abzulegen. 
« In diesem Falle, wenn sich die Mächte von der Berech- 
tigung gewisser Österreichischer Forderungen überzeugen, 
würden sie in der Lage sein, der serbischen Regierung dem- 
entsprechende Ratschläge zu erteilen.”) 
«Eine Weigerung, die Frist des Ultimatums zu ver- 
längern, würde den Schritt Oesterreich-Ungarns bei den 
Mächten ieder Wirksamkeit berauben und würde im Wider- 
spruch mit den Grundlagen selbst der internationalen Be- 
ziehungen stehen. »°) 
Ob. Nr. 4, !) Die Forderung nach Fristverlängerung ging, wie 
man sieht, offiziell von Russland aus. Bib.6 zeigt, dass die Anregung 
in Wirklichkeit von England ausgeht. 
2) Die österreichische Regierung unterbreitete ihr Material den 
Mächten nicht zur Begutachtung, sondern aus internationaler Höflich- 
keit, zur Aufklärung. Diesen Akt der Höflichkeit benutzt Sasonow, 
um das Ultimatum auszuschalten, indem er gleichzeitig für den Fall 
der Ablehnung seiner so begründeten Forderung der österreichisch- 
ungarischen Regierung eine schlechte Zensur für ihre diplomatischen 
Gepflogenheiten ausstellt. Diesen wegwerfenden Ton finden wir auch 
im Gib., wo wiederholt von den «< Gewohnheiten > der österreichisch- 
ungarischen Diplomatie in geringschätziger oder misstrauischer Weise 
die Rede ist. Die Forderung Sasonows auf Fristverlängerung gründet 
sich selbstverständlich nicht auf die in diesem Telegramm angegebenen 
Dokumente, und das um so weniger, als Sasonow von dem Dossier, 
wie er ausdrücklich sagte, nichts wissen wollte. Vergleiche Bib. Nr. 6 
und vor allem Gib. Nr. 22, nach dem noch in letzter Stunde der Ver- 
such gemacht wird, überhaupt alle Österreichisch-ungarischen For- 
derungen auch ohne Befristung zu verhindern. Schliesslich ist zu 
bemerken, dass Sasonow sich nicht auf die Uebermittlung des Dossiers. 
berufen konnte, da Graf Szäpärp ihm bereits, wie aus Rb. Nr. 14 
ersichtlich, erklärt hatte, dass es sich bei der Ueberreichung des 
Dossiers nur um einen Akt des Entgegenkommens handle. 
®) Gleichzeitig wies Sasonow die russischen Vertreter in London, 
Berlin, Rom und Paris an, die betreffenden Regierungen zu ersuchen, 
ihre Botschafter in Wien in demselben Sinne zu instruieren, Ob. 5.
	        
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