Full text: Das Regenbogen-Buch - Die europäischen Kriegsverhandlungen.

24. Juli 129 
  
  
gleichzeitig in Wien und in St. Petersburg zugunsten einer 
Mässigung ausüben sollten, falls die Beziehungen zwischen 
Oesterreich und Russland drohend werden. 
Die unmittelbare Gefahr bestände darin, dass Oesterreich 
in wenigen Stunden in Serbien einmarschieren') und die 
russische slawische öffentliche Meinung verlangen könne, dass 
Russland zu Hilfe Serbiens aufmarschiere; es wäre wünschens- 
wert, dass man Oesterreich veranlasse, die militärische Aktion 
nicht zu überstürzen, um somit mehr Zeit zu gewinnen. Aber nie- 
mand von uns könne Oesterreich in diesem Sinne beeinflussen, 
wenn nicht Deutschland den Vorschlag machen und an einer 
derartigen Aktion in Wien teilnehmen würde. Sie sollten den 
Staatssekretär davon unterrichten.?) 
Fürst Lichnowissky sagte, man könne erwarten, dass 
Oesterreich nach Ablauf der Frist vorgehe, wenn Serbien nicht 
bedingungslos die Österreichischen Forderungen in toto an- 
nehme. Privat regte Seine Exzellenz an, dass Serbien eine 
negative Antwort keinesfalls geben dürfe; eine in einigen 
Punkten günstige Antwort müsse sofort gegeben werden, 
so dass Oesterreich entschuldigt sei, wenn es nicht sofort 
handle. 
Der englische Staatssekretär des Aeusseren, Sir Edward (Grey, 
  
an den englischen Geschäftsträger in Belgrad, Crackan- 
  
thorpe. 
Blaubuch Nr. 12. 
London. 
Serbien sollte versprechen, dass, wenn esbewiesenist, dass 
serbische Beamte, welch untergeordneten Ranges sie auch sein 
mögen, in irgend welcher Weise an der Ermordung des Erz- 
herzogs in Serajewo mitschuldig waren, es Oesterreich voliste 
Genugtuung geben werde. Serbien muss jedenfalls seine Teil- 
nahme und sein Bedauern aussprechen. Was das übrige betrifit, 
so muss die serbische Regierung auf die österreichischen For- 
Bib. Nr. 11. ')Hier hat sich SirE. Grey also die pessimistische 
These Paul Cambons völlig zu eigen gemacht, der er zuerst, Bib.Nr.10, 
widersprach. 
2) Die Vermittlungsaktion trägt Grey gleichfalls im Cambon- 
schen Sinne vor, vermeidet aber, obgleich er Cambon zusagte, darüber 
mit Lichnowskp zu sprechen, den Hinweis, dass es sich um eine Ver- 
mittlung zwischen Oesterreich und Serbien handelt, auf die ja gerade 
der französisch-englische Vorschlag einer Vermittlung zwischen Russ- 
land und Oesterreich hinaus will. 
England rät 
Serbien, seinen 
Interessen ge- 
mäss zu han- 
deln, und ord- 
net sich in 
Belgrad 
Frankreich 
und Russland 
unter.
	        
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