25. Juli 135
Der englische Staatssekretär des Aeusseren, Sir Edward Grey,
an den englischen Botschafter in St. Petersburg, Sir
G. Buchanan.
Blaubuch Nr. 24.
London.
Sie haben unter sehr schwierigen Verhältnissen die rich-
tige Sprache betreffs der Haltung der Regierunz Seiner
Majestät geführt.) Ich billige alles wasSie nach Ihrem gestrigen
Telegramm sagten und kann im Namen der Regierung nicht
mehr versprechen.?)
Ich denke nicht, dass die öffentliche Meinung hierzulande
unsere Beteiligung am Krieg wegen des serbischen Streitfalles
gutheissen würde oder gutheissen sollte. Sollte aber der Krieg
ausbrechen, dann dürften weitere Entwickelun-
gen der Lage uns zur Teilnahme daran zwin-
gen und ich bin daher bemüht, ihn zu vermeiden.
Der plötzliche, schroffe und drohende - Charakter der
österreichischen Demarche macht es fast unvermeidlich, dass
in kurzer Zeit Russland und Oesterreich gegen einander mobi-
lisieren werden. In diesem Falle halte ich dafür, dass die ein-
zige Hoffnung auf Erhaltung des Friedens darin besteht, dass
die vier andern Mächte zusammen die Regierungen Oester-
reich-Ungarns und Russlands ersuchen, die Grenzen nicht zu
überschreiten, um den vier Mächten Zeit zum Handeln in Wien
und St. Petersburg zur Beilegung der Angelegenheit zu geben.
Sollte sich Deutschland dieser Ansicht anschliessen, dann bin
ich davon überzeugt, dass wir und Frankreich in diesem Sinne
vorgehen können. Italien würde zweifellos gerne mitwirken.
Weder Russland noch Oesterreich-Ungarn würden eine
diplomatische Intervention oder Vermittlungsversuche dulden,
wenn diese nicht ganz unparteiisch wären und die Verbündeten
und Freunde der zwei Parteien einschlössen. Die Mitwirkung
Deutschlands wäre daher wesentlich.
Bib. Nr. 24. ') Antwort auf Buchanans Telegramm vom 24. Juli,
Bib. Nr. 6.
*) Der Passus «und kann im Namen meiner Regierung nicht mehr
versprechen etc.» wurde in der von der englischen Regierung in Bern
veranstalteten deutschen Uebersetzung des Bib. ausgelassen.
Grey glaubt
nicht, dass
England einen
Krieg wegen
Serbien
oilligen wird.