Contents: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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Untreue vor und ersticht sie, ohne nur ihre Verteidigung anhören 
zu wollen. Leider hatte er nur zu sicher getroffen, die Unglückliche 
gab in wenigen Minuten ihren Geist auf, indem sie nur noch so 
viel Zeit hatte, ihrem Mörder zuzurufen, ihr vermeintlicher Ver— 
führer sei ihr Bruder gewesen, den er noch nicht gekannt habe. In 
wilder Verzweiflung warf er sich über die Sterbende, allein er ver— 
mochte sie nicht wieder ins Leben zurückzurufen. Er eilte also auf 
den Tanzsaal und schrie ihrem Bruder zu, er habe seine Schwester 
gemordet, er wolle sich selbst dem Gerichte übergeben. So geschah 
es auch. Da er den Tod suchte, dauerte die Untersuchung nicht 
lange; schon nach drei Monden fiel sein schuldiges Haupt zu Grün— 
hain auf dem Schafott, auf dem Flecke aber, wo die blutige Tat 
geschehen, ward ein weißer Rosenbusch gepflanzt, dessen Rosen des 
Aachts wie mit Blut besprengt aussehen und der seine Blätter 
traurig zur Erde zu senken scheint. Um Mitternacht aber kommt, 
wenn böse Zeiten bevorstehen, ein Reiter, den Kopf unter dem 
Arme vom Grünhainer Hochgericht nach dem Rosenstock geritten, 
verweilt kurze Zeit und kehrt dann wieder dorthin zurück. 
142. Die Winselmutter bei Grünhain. 
Gräße, Bd. J, Ar. 530; poetisch beh. von Ziehnert, a. a. O., S. 406. 
In der Nähe von Grünhain fließt der sogenannte Oswalds- 
bach, der seinen Ursprung von den Grenzgebirgen bei Breitenbrunn 
und Rittersgrün hat. An demselben soll um die Mitternachtsstunde 
ein gespenstiger Schatten auf und nieder huschen, der beständig 
Klagetöne ausstößt. Das Volk nennt diesen die Winselmutter und 
erzählt sich, einst habe ein Jüngling, dem seine Geliebte die Treue 
gebrochen, in diesem, an vielen Stellen sehr tiefen und reißenden 
Bache seinem Leben ein Ende gemacht. Seine ihn zärtlich liebende 
Mutter habe ihn zwar sieben Tage lang aufs sorgfältigste gesucht, 
aber doch seinen Leichnam nicht wiederfinden können und sei zuletzt 
selbst an Erschöpfung und gebrochenem Herzen gestorben. Ihr Los 
sei nun, weil sie gegen Gottes weise Fügung gemurrt, ewig den 
Körper ihres ertrunkenen Sohnes vergeblich unter steten Klagen 
und Wimmern suchen zu müssen.
	        
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