26. Juli 167
Der russische Minister des Aeusseren, Sasonow, an den rus-
sischen Botschafter in Wien, Schebeko.
Orangebuch Nr. 25.
St.Petersbure.
Ich hatte heute eine Jange freundschaftliche Unterredung
mit dem österreichisch-ungarischen Botschafter. Nachdem ich
mit ihm die zehn an Serbien gerichteten Forderungen geprüft
hatte, bemerkte ich, dass abgesehen von der wenig geschickten
Form, einige durchaus unausführbar sind, selbst wenn die scr-
bische Regierung sich bereit erkläre, sie anzunehmen. So könn-
ten zum Beispiel Punkt 1 und Punkt 2 ohne eine Umwandlung
der serbischen Pressgesetze und Vereinsgesetze nicht ausge-
führt werden und dazu wäre die Einwilligung der Skupschtina
schwer zu erlangen; was die Ausführung der Punkte 4 und 5
betrifft, so könnte sie sehr gefährliche Folgen haben und selbst
die Gefahr terroristischer Akte gegen die Mitglieder des könig-
lichen Hauses und gegen Paschitch hervorrufen, was nicht
Oesterreichs Absicht sein kann. \Was die anderen Punkte an-
geht, so scheine mir, dass es mit gewissen Abänderungen in
den Einzelheiten nicht schwierig sei, einen Boden der Ver-
ständigung zu finden, wenn die darin enthaltenen Anschuldi-
gungen (durch ausreichende Beweise bestätigt werden.
Im Interesse der Erhaltung des Friedens, der, nachdem
was Graf Szäpäry sagt, Oesterreich ebenso am Herzen liegt
wie den andern Mächten, wäre es notwendig, der gegenwär-
tigen gespannten Lage so schnell wie möglich ein Ende zu
machen. Zu diesem Zwecke erschiene es mir als sehr wün-
schenswert, dass der österreichisch-ungarische Botschafter be-
vollmächtigt würde, mit mir in einen privaten Gedankenaus-
tausch zu treten, mitdem Zwecke, gemeinsam ei-
nige Artikelder österreichisch-ungarischen
Note vom23. Juliumzuformen. Diese Methode würde
vielleicht erlauben, eine Formel zu finden, die für Serbien an-
nehmbar wäre und Oesterreich gleichzeitig in den wichtigsten
Forderungen Genugtuung gibt. Wollen Sie bitte eine vor-
sichtige und freundschaftliche Auseinandersetzung im Sinne
dieses Telegrammes mit dem Minister des Aeusseren herbei
führen. !)
Ob. Nr. 25. ') Ueber diese Unterredung, datiert vom 26., zwi-
schen Sasonow und Szäpärp bringt das Rb. kein Dokument. Dafür
bringt das Rb. ein Telegramm Szäpärps vom 27. Juli über eine Unter-
haltung vom 27., die abgesehen, dass im Rb. nicht von dem Vorschlag
einer direkten Verständigung die Rede ist, mit dieser Unterredung,
die das Ob. vom 26. Juli datiert, identisch sein muss. Das Bib. Nr. 44
bespricht in einem Telegramm Buchanans vom 27. gleichfalls die Unter-
Ein freund-
schaftliches
österreichisch-
russisches Ge-
spräch in St.
Petersburg.
Sasonow
schlägt direkte
österreichisch-
russische Ver-
handlungen in
St. Petersburg
zwecks Um-
wandlung der
Note vor.