27. Juli
Der russische Minister des Aeusseren, Sasonow, an die rus-
sischen Botschafter in Paris, London, Wien und Rom.
Orangebuch Nr. 59.
St.Petersburg.
Habe von der Antwort, die die serbische Regierung dem
Freiherrn von Giesl überreichte, Kenntnis genommen. Sie
übersteigt durch ihre Mässigung und den darin
enthaltenen Wunsch, Oesterreich vollste Genugtuung zu geben,
alles was ich vorausgesehen habe. Wir sehen
nicht, welche Forderungen Oesterreich noch stellen könnte,
wienn das Wiener Kabinett nicht eben einen Vorwandzum
Kriege mit Serbien sucht.'‘)
Der deutsche Reichskanzier, von Bethmann Holiweg, an den
deutschen Botschafter in London, Fürst Lichnowsky.
Weissbuch, Aniage 12.
Berlin.
Von einem Vorschlag Sir Edward Greys, eine Konferenz
in London zu vieren abzuhalten, ist hier bisher nichts bekannt.
Es ist für uns unmöglich, unseren Bundesgenossen in seiner
Auseinandersetzung mit Serbien vor ein europäisches
Gericht zu ziehen. Unsere Vermittlungstätigkeit muss
sich auf die Gefahr eines österreichisch-russiscnen
Konfliktes beschränken.')
Ob. Nr. 33. ') Es ist unbegreiflich, wie Sasonow in dieser Be-
urteilung plötzlich die Ablehnung des Punktes 5 usw. übersehen kann,
über den er doch mit dem Österreichischen Botschafter, wie auch den
andern Diplomaten fortwährend unterhandelte. Auch ist die Ueber-
raschung über den Inhalt der serbischen Note und ihr angebliches
Entgegenkommen kaum verständlich; war doch an Sasonow wie an
die englische und französische Regierung noch vor Ueberreichung
der Antwortnote eine Inhaltsangabe abgegangen, die viel mehr als
der eigentliche Text den Eindruck des Entgegenkommens machte.
Schliesslich erkannte doch Sasonow selbst, Rb Nr. 31, an, dass sieben
Forderungen unbedingt annehmbar seien; aber auch diese sind doch
in der serbischen Antwort nicht durchgängig angenommen worden.
Wb., Anl. 12. !) Der Reichskanzler gibt also nur die Antwort,
die nach Bib. Nr. 40 die Dreiverbandsdiplomatie voraussah, ausserdem
aber in einem Augenblick, in dem auch Russland das Konferenzprojekt
vorläufig ablehnt.
Sasonow ist
empört über
die Ablehnung
der serbischen
Antwort.
Deutschland
kann Oester-
reich-Ungarn
nicht vor ein
europäisches
Gericht ziehen.