28. Juli 203
werde ich jeden anderen Vorschlag zurück-
halten, da dies mir die beste Gewähr auf Erfolg zu sein
scheint.
Ich erfahre, dass der russische Minister des Aeussereii
der österreichisch-ungarischen Regierung einen freundschaft-
lichen Meinungsaustausch angeboten hat, und sollte die letz-
tere dies annehmen, so würde zweifellos eine Entspannung
eintreten und so die Lage weniger kritisch gestaltet werden.
Es ist sehr erfreulich, vom deutschen Botschafter hier zu
vernehmen, dass die deutsche Reichsregierung
in Wien eine Aktion im Sinne meines gestri-
sen Telegrammesan Sie’) ausgeführt hat.
Der englische Staatssekretär des Aeusseren, Sir Edward Grey,
an den englischen Botschafter in Berlin, Sir E. Goschen.
Blaubuch Nr. 68.
London.
Da die deutsche Reichsregierung das Prinzip einer Ver-
mittlung zwischen Oesterreich-Ungarn und Russland durch die
vier Mächte angenommen hat, so bin ich, wenn nötig,
bereit vorzuschlagen, der deutsche Staatssekretär möge die
Grundzüge anregen, auf welchen eine solche Vermittlung ein-
setzen könnte. Ich will jedoch mit dieser Idee
zurückhalten, bis wir sehen, wie die Verhandlungen
zwischen Oesterreich-Ungarn und Russland fortschreiten. ')
Bib. Nr. 67. °) Bib. Nr. 46.
Bib. Nr. 68. ') Eine ähnliche Mitteilung wie hier und in Bib.
Nr. 67 liess Grep in St. Petersburg machen. Die Entwicklung des
Konferenzgedankens lässt sich demnach folgendermassen zusammen-
fassen: Der Gedanke einer Vermittlung, die im Grunde eine Vermitt-
lung zwischen Wien und Belgrad sein sollte, war auf französische
Anregungen hin von Grep nach vorheriger Fühlungnahme mit Frank-
reich und Russland, ohne Verständigung Oesterreich - Ungarns und
Deutschlands lanciert worden. Wie die Dreiverbandsdiplomaten in
Wien es voraussahen, sagte Deutschland der Plan nicht zu. Es erhob
Einwände wegen der «Schiedsgerichtsform», erklärte sich aber mit
dem Prinzipe einverstanden. Mittlerweile schlug Sasonow direkte
russisch-Österreichische Verhandlungen vor. Deutschland stimmte
diesem Vorschlag zu. Deutschland, wie Russland betrachten damit den
Konferenzvorschlag als erledigt, den Oesterreich als durch den Ab-
bruch der diplomatischen Beziehungen mit Serbien überhaupt für über-
holt erklärte. Schliesslich schloss sich auch Grep der russisch-deut-
schen Auffassung an und zog den Vorschlag zurück. Der immer
wiederkehrende Vorwurf des Dreiverbandes, Deutschland habe den
allein seligmachenden Konferenzvorschlag zertrümmert, muss also als
durchaus haltlos und unbegründet bezeichnet werden.