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delte sie in erster Linie die eigenen Bemühungen um die
Erhaltung des allgemeinen Friedens und entwickelt die
These, dass England um Belgiens willen eingreifen musste.
Interessant ist es nun, dass am 3. August Sir Edward Grey
der Wahrheit näher kam, als Asquith am 6. August.
1. «Vom 24. Juli ab, als Russland zum ersten Male um Eng-
lands Hilfe bat, bis zum 2. August, an dem eine bedingungsweise
Unterstützung zur See Frankreich versprochen wurde, hat Sir Edward
Grey es beständig abgelehnt, irgend ein Hilfeversprechen irgend einem
unserer gegenwärtigen Verbündeten zu geben. Er erklärte, die Lage
Englands wäre die einer unbeteiligten Partei, deren Friedenseinfluss
in Berlin und in Wien dadurch beeinträchtigt werden würde, wenn
man wisse, dass wir nicht nach jeder Seite in dem Streitfall unab-
hängig sind. Er wollte nicht glauben, dass der beste Weg zum euro-
päischen Frieden in einer Machtdemonstration beruhe. Wir ergriffen
keine andere Mobilmachungsmassregel als die Sammlung unserer Flotte
und wir beschränkten uns darauf, Oesterreich am 27. Juli und Deutsch-
land am 29. Juli klar darauf hinzuweisen, dass wir uns im Falle
einer europäischen Konflagration nicht zur Neutralität verpflichten
könnten. Wir gaben unseren gegenwärtigen Verbündeten keine Ver-
sprechungen, aber Deutschland warnten wir dreimal — am 30. Juli,
am 31. Juli und am 1. August — hinsichtlich der Wirkung, die eine
Verletzung der belgischen Neutralität auf unsere Haltung und auf die
Gefühle des britischen Volkes ausüben würde. Nach der deutschen
Kriegserklärung an Russland am Nachmittag des 1. August telegra-
phierte der Zar seiner Majestät dem König folgendes: «In dieser feier-
lichen Stunde möchte ich Dir nochmals die Versicherung geben, dass
ich alles was in meiner Macht lag, zur Verhinderung des Krieges tat. >
Es muss gerechterweise gesagt werden, dass die Regierung Seiner
Majestät hierin einen wahrheitsgemässen Ausdruck der russischen
und französischen Haltung während der Krisis sieht.»
(Expos& des Blaubuches.)
2. «Wenn wir in einer Krisis wie dieser den Ehren- und In-
teressenpflichten, wie sie dem belgischen Vertrag gegenüber bestehen,
aus dem Wege gehen, so bezweifle ich, dass, wie gross auch unsere
materielle Kraft am Ende sein mag, sie in Anbetracht der Einbusse
unseres Ansehens noch irgendwelchen Wert besitzt. Und glauben Sie
nicht, dass eine Grossmacht, ob sie sich nun an diesem Kriege be-
teiligt oder nicht beteiligt, an seinem Ende in der Lage sein wird, ihre
überlegene Kraft anzuwenden. Denn wir, mit einer mächtigen Flotte,
die wir für fähig halten, unseren Handel und unsere Küsten zu schützen,
werden, wenn wir in den Krieg verwickelt werden, nur wenig mehr
leiden als wenn wir selbst neutral bleiben, Wir werden durch diesen
Krieg schrecklich leiden, gleichviel ob wir an ihm teilnehmen oder
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