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kussion der Note einzuwilligen. Die Beschwichtigungsaktion der an-
deren Mächte in Wien war von keinem grösseren Erfolg. >
2. «In Erkenntnis des übertriebenen Charakters der österreichi-
schen Forderungen hatte Russland vorher erklärt, dass es ihm unmög-
lich sein würde, gleichgültig zu bleiben, ohne jedoch abzulehnen, alle:
Anstrengungen für einen friedlichen Ausgang zu machen, der für
Oesterreich annehmbar wäre und seine Empfindlichkeit als Gross-
macht schonen würde. Gleichzeitig gab Russland auf entschiedene
Weise zu verstehen, dass es eine friedliche Lösung der Frage nur in
dem Masse hinnehmen würde, als sie nicht die Schmälerung der Würde
Serbiens als unabhängigen Staat voraussetze. Leider waren alle Be-
mühungen der Kaiserlichen Regierung in dieser Richtung ergebnislos.
Die österreichisch-ungarische Regierung, nachdem sie sich allen ver-
söhnlichen Interventionen der Mächte in ihren Konflikt mit Serbien
entzogen hatte, nahm die Mobilmachung vor und erklärte offiziell an
Serbien den Krieg; am nächsten Tage wurde Belgrad bombardiert. >»
3. «Infolge dieser Handlungsweise der österreichisch-ungarischen
Regierung . . ., erachtete die Kaiserliche Regierung es für notwendig,
die Mobilmachung der Militärbezirke Kiew, Odessa, Moskau und Kasan
anzuordnen. Eine derartige Entscheidung erwies sich als dringlich,
weil seit der Ueberreichung der österreichischen Note an die ser-
bische Regierung und den ersten Massnahmen Russlands fünf Tage
verflossen waren und nichtsdestoweniger das Wiener Kabinett keinen
Schritt unternommen hatte, um unseren Friedensbemühungen entgegen-
zukommen. >
4. «Oesterreich-Ungarn lehnte eine spätere Aussprache mit
uns ab, und das Wiener Kabinett sperrte sich gegen die Teilnahme
an der geplanten Mächtekonferenz. Nichtsdestoweniger setzte Russ-
land seine Bemühungen für den Frieden fort. Auf die Frage des
deutschen Botschafters, unter welchen Bedingungen wir unsere Rü-
stungen einstellen würden, antworte der Minister des Aeusseren, dass
unsere Bedingungen diese wären: Oesterreich-Ungarn sollte den
europäischen Charakter der österreichisch-serbischen Frage anerkennen
und sich bereit erklären, nicht auf den mit den souveränen Rechten
Serbiens unvereinbaren Forderungen zu bestehen. Der Vorschlag
Russlands wurde von Deutschland als unannehmbar für Oesterreich-
Ungarn bezeichnet. >
5. «Der Misserfolg unserer Friedensvorschläge zwang uns, die
militärischen Vorsichtsmassregeln zu erweitern. Als das Berliner
Kabinett uns hierüber befragte, erhielt es die Antwort, dass Russland
gezwungen sei, seine Rüstungen zu beginnen, um sich gegen jede
Möglichkeit zu sichern. Aber obwohl Russland diese Vorsichts-
massregeln ergriff, suchte es weiter aus allen Kräften einen Ausweg
aus dieser Lage und erklärte sich bereit, jede Lösung hinzunehmen,